Samstag, Januar 28, 2012

Backen macht Freude


Bruder Josef

In der aktuellen ZEIT sehr großer, gut geschriebener Artikel zum Mega-Skandal um "Bruder Joseph" Esch, die Bank Sal.Oppenheim, die Stadt Köln, Thomas Middelhoff, die KarstadtQuelle-Pleite und die Lebensuntüchtigkeit deutscher Superreicher:

"Es geht in diesem Drama nicht um die Reichen, sondern um die Superreichen des Landes, es geht nicht um Millionen, sondern um Milliarden von Euro. Es ist nicht allein der Größenwahn, es ist auch ein ungewohnter Blick, der diesen Fall so bemerkenswert macht, der Blick in die Seelen der oberen Einhundert, der einen erschaudern lässt. Viele der Reichen in diesem Land sind lebensuntüchtig, viele sind Erben, sie fühlen sich nicht wohl in ihrem goldenen Käfig, sie sind ängstlich, manchmal nahe der Depression, nicht in der Lage, ihre eigenen Geschicke zu bestimmen. Sie sind überfordert von dem vielen Geld, das sie besitzen, und trotzdem wollen sie es vermehren. Viele der Reichen in diesem Land wollen, dass jemand anderes, jemand Starkes ihr Leben für sie regelt, den Alltag für sie koordiniert."

In dem Zusammenhang ist auch ein anderer Artikel interessant, der unter Bezug auf den Prozess gegen Middelhoff die Esch-Sal-Oppenheim-Verstrickungen darstellt: Von dem klammen Kaufhauskonzern KarstadtQuelle Immobilien kaufen, diese an die Kundschaft von Sal.Oppenheim wieder verkaufen - dabei Verwaltungskosten und Provisionen kassieren -, die wiederum daran verdient, dass KarstadtQuelle, die die Immobilien ja weiter benötigt und zu überzogenen Preisen anmietet.



Dieses Vorgehen scheint das Erfolgsrezept der Oppenheim-Esch-Connection zu sein: Esch sammelt in Zusammenarbeit mit Sal.Oppenheim Kunden, die viel Geld anlegen wollen, um daraus noch viel mehr Geld zu machen. Mit diesem Geld realisiert der findige Troisdorfer dann große Bauaufträge, die - wie bei den Messehallen - gerne trotz des Millionenvolumens ohne Ausschreibung vergeben werden und bei denen am Ende ein garantierter Return of Investment in Gestalt langjähriger Mietverträge - gerne auch zu überzogenen Preisen - geschlossen werden.

Dieses Prinzip kam scheinbar auch bei den Kölner Messehallen zur Anwendung: Die Stadt Köln und die Messe verkauften Ende 2003 ohne Ausschreibung ein mehr als 170.000 Quadratmeter großes Grundstück an den Oppenheim-Esch-Fonds, um dort neue Ausstellungshallen zu erreichten. Zudem verpflichtete sich die Messe, die Hallen über einen Zeitraum von atemberaubenden dreißig Jahren für jährlich 20,7 Millionen Euro von Oppenheim-Esch zurückzumieten, was für den Investor eine Einnahme von über 600 Millionen Euro bedeutet. Im Falle der Zahlungsunfähigkeit der Messe muss die bereits heute mit drei Milliarden Euro hoch verschuldete Stadt für die Miete aufkommen. Die EU monierte das Verfahren, erklärte die Vergabe ohne Ausschreibung für rechtswidrig.

Auch bei der Veranstaltungshalle Kölnarena und dem dazugehörigen technischen Rathaus legten
"Mitte der 90er Jahre 77 Privatleute 900 Millionen Euro in einem Oppenheim-Esch-Fonds an. Sie lockte die Aussicht auf Renditen von bis zu zehn Prozent. Die Stadt mietete sich – wie nun auch wieder bei der Messe – langfristig in das Technische Rathaus ein. Schrammas Vorgänger Harry Blum (CDU) wunderte sich darüber und sprach vom »vermieterfreundlichsten Mietvertrag, den die Stadt abgeschlossen hat.« An dessen Zustandekommen war maßgeblich der damalige Oberstadtdirektor Lothar Ruschmeier (SPD) beteiligt. Doch zur großen Überraschung vieler beendet der ebenfalls aus Troisdorf stammende Kommunalpolitiker seine Karriere im Stadtrat und wechselt als Geschäftsführer zur Oppenheim-Esch-Holding." (Stadtrevue)

Der Journalist Georg Wellmann verfolgt und dokumentiert den zum Himmel stinkenden Fall seit langem immer wieder mit luziden Artikeln in der Kölner Stadtrevue (hier, hier, hier oder hier). Zusammen mit Ingolf Gritschneider hat er den Fall in der Dokumentation "Das Milliarden Monopoly" dargestellt:


Leider ist es so, dass Kreti und Pleti sich über Upgrades des Bundespräsidenten echauffieren, aber eine komplexe Materie wie Fonds, Schuldbeitritte, Abschreibungen, Beleihungen undundund kaum vermittelbar ist, und daher die Hundertmillionenfachen Schweinereien, die am Ende realse Arbeitsplätze tausender Menschen kostet, weil ein paar Raffzähne den Hals nicht voll genug bekommen, im Schatten der öffentlichen Wahrnehmung bleiben.