Samstag, Juni 29, 2013

Es muss schon um etwas gehen

In der ZEIT hat Jens Jessen einen schönen Nachruf auf den FAZ-Journalisten und Intellektuellen Henning Ritter verfasst. 
"Es gab bei ihm die französische Klarheit und Präzision, die Eleganz und Ironie, aber vor allem die französische Unerschrockenheit vor dem Unerfreulichem. Wenn man an den weinerlichen deutschen Durchschnittsintellektuellen denkt und wie er um das Positive ringt und ringt und sich niemals an die Hinfälligkeit der Menschennatur gewöhnen kann - oder, wenn er es tut, sofort abgrundtief verzweifelt - dann lässt sich erst die Ausnahme, die Ritter war, ermessen und auch der Verlust, den sein Tod bedeutet. 
Er war der Mann, der dem Schrecken und der Torheit der Menschheit nüchtern ins Auge blickte - und trockenen Spott hinterherschickte. Es geschah freilich nicht ohne Trauer, es geschah oft mit Bitterkeit, es gab einen echten Ekel vor der Heuchelei, die im Namen eines abstrakten Gutem dem konkreten Menschen Böses tut, aber es geschah ohne jeden Zynismus. Wo alle aufheulte, weil ein Tabu unserer Zeit verletzt wurde, wandte sich Ritter dem Tabubrecher liebend zu. Aber wo alle unbeeindruckt blieben, nannte er das Unrecht laut beim Namen.
Weniges konnte ihn so aufregen, wie Selbstgerechtigkeit und Gratismut. "Es muss schon um etwas gehen", pflegte er zu sagen. Der Intellektuelle Henning Ritter, das war vor allem das empfindlichste Messinstrument für moralische Fehlströme, das jemals auf den deutschen Markt kam. Wir werden wieder stumpfer werden ohne ihn."

Wochenende!

Die Schaumkrone der Woge der Begeisterung

THE HORROR! THE HORROR! Gerade läuft im Deutschlandfunk "Ein Kompliment" von Sportfreunde Stiller

Der Song geht so : "Ich wollte dir nur mal eben sagen, dass du das Größte für mich bist. Ich wollte dir nur mal eben sagen, dass du das Größte für mich bist. Ich wollte dir nur mal eben sagen, dass du das Größte für mich bist. Ich wollte dir nur mal eben sagen, dass du das Größte für mich bist. Ich wollte dir nur mal eben sagen, dass du das Größte für mich bist. Ich wollte dir nur mal eben sagen, dass du das Größte für mich bist. Ich wollte dir nur mal eben sagen, dass du das Größte für mich bist. Ich wollte dir nur mal eben sagen, dass du das Größte für mich bist. Ich wollte dir nur mal eben sagen, dass du das Größte für mich bist. Ich wollte dir nur mal eben sagen, dass du das Größte für mich bist. Ich wollte dir nur mal eben sagen, dass du das Größte für mich bist. Ich wollte dir nur mal eben sagen, dass du das Größte für mich bist.Ich wollte dir nur mal eben sagen, dass du das Größte für mich bist.Ich wollte dir nur mal eben sagen, dass du das Größte für mich bist." 

Ein lupenreines Beispiel für die Demenz junger deutscher Popmusik, die so tut, als sei sie alternativ, aber doch nur Schlager mit gestellt wuscheligen Haaren ist - allerdings völlig gedanken- und humorfrei. Da wünscht man sich dringend Roberto Blanco oder Tony Marshall herbei. Die haben wenigstens lustige Reime. 

Wenn Die Sportfreunde sich mal zu so etwas wie einem Text bequemen, wünscht man sich, sie wären beim Refrain geblieben: 
"Wenn man so will  bist du meine Chill-Out Area." 
Wenn man so will, ist das Stumpfsinn auf Stelzen. Wenn das Autorenkollektiv durch  gespreizt grammatikalische Verrenkungen Lyrik simuliert wird es  unfreiwillig dadaistisch: 
"Wenn man so will, bist du das Ziel einer langen Reise, die Perfektion der besten Art und Weise, in stillen Momenten leise" 
Man möchte ergänzen: 
"Wenn man so will,schlägst Du durch tosende Wogen eine Schneise,bist so viel wert wie viele wertvolle Preise,unter allen Verrücktheiten die schönste Meise,meine Oder-NeißeGrenze, ohne dass damit die polnischen Grenzen in Frage gestellt werden sol(len).
Manche Zeilen eignen sich auch als Claim für Prostatamedikamente oder Blutdruckmittel: 
"Die Schaumkrone der Woge der Begeisterung, Bergauf, mein Antrieb und Schwung." 
Die anstrengungslose Schlichtheit der Texte ("ich wollte Dir nur mal eben sagen...") wird mit Kleinejungs-Attitüde vorgetragen, die an das Schmusezentrum im weiblichen Gehirn appelliert  Der Gestus fordert Würdigung einer behauptet ehrlichen, rührend naiven, vom Zynismus des Erwachsenenlebens noch nicht überformten Gefühlswelt ein. Intelligenz wird als Zynismus denunziert. Auf Faulheit fundierte Schlichtheit wird zur Authentizität hochgejazzt. 

So klingt der Soundtrack einer infantilisierten Männlichkeit, der der Wille zur Selbstanforderung abgeht; Jungs, die, sobald sich Bildungs- und Berufsversprechen nicht anstrengungslos erreichen lassen, sofort aufgeben, den Schulerfolg und Hochschulabschluss komplett dem Fleiß der Mädchen überlässt und sich darauf verlegt, sich als Kuschelhase ranzuwanzen und von einer attraktiven Akademikerin mit durchgezogen zu werden. 

Darum erzeugen diese Lieder in der gesunden Psyche, in der noch Anteile lebendig sind, die wachsen, kompetent werden, Fähigkeiten erwerben, etwas erreichen wollen, aggressiven Widerstand. Alles weitere ist bei Wiglaf Droste nachzulesen
"Das Auffälligste am jungen Mann ist, dass er ständig auffällt. Das liegt daran, dass er im Weg steht. Aus Prinzip. Weil er's nicht anders kann und nicht besser weiß. Niemand steht einem so dull und klumsig vor den Füßen herum, wie ein junger Mann. (...) 
Eigentlich will der junge Mann ja nur zu Mama. Aber das weiß er nicht und darf das nicht einmal denken. Vor allem darf Mama nicht nach Mama aussehen. Frisch soll sie sein, straff und trotzdem erfahren, mit allen Fruchtwassern gewaschen, ohne dass man das sieht. (...) 
Eine Frau, die alles weiß, wovon er allenfalls eine feuchte Vorstellung hat. Und lieb soll sie sein und nicht lachen über seine Dusseligkeit und seinen Hang, alles falsch zu machen, was man nur falsch machen kann. Ficken wie bei Muttern heißt sein Traum. Zurückkriechen können. Nicht mehr der bösen Welt ausgesetzt sein, in der man einen auf hart macht (...) Der echt coole Typ, der brav alles mitmacht. Aber nach Rebell aussieht." 
("Einiges über den jungen Mann". In: "Bombardiert Belgien & Brot und Gürtelrosen" 2. Auflage, Leipzig 2004, S. 19)


Sonntag, Juni 23, 2013

Schloss Wartin