Freitag, Juni 13, 2014

Abschied von Frank Schirrmacher

Frank Schirrmacher ist tot. Die Nachrufe trudeln ein. Wie so oft sind es Texte von leiser Note, wohlwollender, sich über das Kleinklein des Alltags hinwegschauender Zuneigung und Anerkennung. Und immer bewegend auch für den Zaungast.Edo Reents in der FAZ "Vielleicht ist am Ende noch ein persönliches Wort erlaubt. Was mich betrifft, so lernte ich Frank Schirrmacher im März 2001 kennen. Ich hatte bei der Zeitung unterschrieben, und dann kam eine Mail: „Ich putze gerade Ihr Zimmer – mit Ata.“ Es liegt in der Natur der Sache, dass sich die Öffentlichkeit von dem, ich möchte sagen: wirklich einzigartigen Humor dieses Mannes so gut wie keinen Begriff machen konnte."

Ein abenteuerliches Herz
Iris Radisch in der ZEIT: "Wir haben sehr viel verloren an diesem Tag. Wir – die Kulturjournalisten in Deutschland, weil er das deutsche Feuilleton so erfindungsreich politisiert, verlebendigt und dramatisiert hat. Wir – die Printmedien, für die er bedingungslos gekämpft hat. Wir – die Leser, die den wunderbaren Anarchisten, das geniale Kind, das abenteuerliche Herz dieses großartigen Journalisten vermissen werden."

Schöner, als es mancher Sozialdemokrat formuliert
Jan Feddersen in der taz: "Bürgerlich war ihm ein wichtiges Wort – vielleicht das wichtigste. Frank Schirrmacher sagte uns während eines Gesprächs in seinem Büro bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, das Bürgerliche sei eine Haltung, die Respekt allen gegenüber bekundet und die allen eine Teilhabe ermöglicht. Eine, die allen zuhört, die Impulse aufgreift, die sich nicht verschließt: Schirrmacher hat mit dieser Tugend sehr viel bewegt.
Er wollte ein Bürger sein und wünschte, dass diese Bürgerlichkeit sich nicht mehr reimt auf Wörter wie knöchern, spießig, verstaubt, abwehrend oder soldatisch. „Wer einen Bürgerlichen sieht, muss wollen, dass es immer mehr gibt, die den Aufstieg schaffen – dass es also immer mehr Bürger gibt.“ Schöner, härter hätte es ein Sozialdemokrat auch nicht formulieren können: Das Bürgerliche als Zivilisationsform des Anstands und der politischen Einmischung obendrein. (...)
wenn einen die Nachricht erreicht, wie einige Kollegen jetzt bitter erfasst sagen, dass er nicht mehr anzurufen ist, dass keine SMS mehr kommt mit dem Hinweis: „Müssen Sie lesen!“ mit irgendwelchen Lektürefrüchten aus teils abseitigen Periodika, wenn einem klar wird, dass dieser Mann, der wichtigste Blattmacher der Republik überhaupt, nicht mehr ist, dann ist das in der Tat so sehr erschütternd, dass man es nicht glauben möchte."


Ein Schluck aus der Pulle
Jens Jessen erweitert in der ZEIT
den Blick aufs Werk:
"Das war nichts für empfindliche Gemüter und auch nicht immer etwas für streng logisch und nüchtern denkende Zeitgenossen, aber es war etwas für Leser, die sonst nicht ins Feuilleton guckten, weil sie für ästhetische Feintuerei und intellektuelle Skrupel unerreichbar blieben. Von Schirrmacher bekamen sie jetzt endlich einen ordentlichen Schluck aus der Pulle mit dem Selbstgebrannten. Man könnte auch sagen: Nachdem er einmal das hochprozentige Sortiment eingeführt hatte, wirkte alles altmodisch filigrane Feuilletonisieren wie Limonade."