Samstag, Juli 01, 2017

Erich Kästner: Der Juli

Still ruht die Stadt. Es wogt die Flur. 
Die Menschheit geht auf Reisen 
oder wandert sehr oder wandelt nur. 
Und die Bauern vermieten die Natur zu sehenswerten Preisen. 

Sie vermieten den Himmel, den Sand am Meer, 
die Platzmusik der Ortsfeuerwehr 
und den Blick auf die Kuh auf der Wiese. 
Limousinen rasen hin und her und finden und finden den Weg nicht mehr zum Verlorenen Paradiese. 

Im Feld wächst Brot. Und es wachsen dort 
auch die künftigen Brötchen und Brezeln. 
Eidechsen zucken von Ort zu Ort. 
Und die Wolken führen Regen an Bord 
und den spitzen Blitz und das Donnerwort. 
Der Mensch treibt Berg- und Wassersport und hält nicht viel von Rätseln. 

Er hält die Welt für ein Bilderbuch mit Ansichtskartenserien. 
Die Landschaft belächelt den lauten Besuch. 
Sie weiß Bescheid. 
Sie weiß, die Zeit 
überdauert sogar die Ferien. 

Sie weiß auch: Einen Steinwurf schon 
von hier beginnt das Märchen. 
Verborgen im Korn, auf zerdrücktem Mohn, 
ruht ein zerzaustes Pärchen. 
Hier steigt kein Preis, hier sinkt kein Lohn. 
Hier steigen und sinken die Lerchen. 

Das Mädchen schläft entzückten Gesichts. 
Die Bienen summen zufrieden. 
Der Jüngling heißt, immer noch, Taugenichts. 
Er tritt durch das Gitter des Schattens und Lichts 
in den Wald und zieht, durch den Schluß 
des Gedichts, 
wie in alten Zeiten gen Süden