Freitag, November 20, 2009

Elli Pirelli

Spiegel Online u.a. weisen dieser Tage auf den neuen Pirelli-Kalender hin, der - comme toujours - Firmenprodukte durch Fachkräfte präsentieren lässt. Dabei wird v.a. auf den im Kalender umgesetzten neuen Trend zur Natürlichkeit hingewiesen, der v.a. dadurch erreicht werde, dass die Bilder - wie sonst immer - nicht retuschiert seien.

Wenn man sich das Opus genauer anschaut, hat man eher den Eindruck, dass Pirelli unverfrohren von American Apparel Werbung" klaut. Und die Models der Kampagne sind sehr wohl retuschiert! Allerdings hat deren Art Director davon abgesehen den Models eine 3. oder 4. Brust anbringen zu lassen (was natürlich die Attraktivität verdoppelt!)

Hingegen sind die schmutzigen dreckigen AA Werbungen ein sehr angenehmer Kontast zur prollo-Nacktheit der Bräute aus dem Pirelli Katalog im letzten Jahr.

(Mit Dank an Coco Chapal)

Dienstag, November 17, 2009

Frohsinn

"Sie ist die Barbara Schöneberger der deutschen Politik." Spiegel Online über Julia Klöckner.

Sonntag, November 15, 2009

Robert Enke, 24. August 1977 - 10. November 2009

"Hoffnung ist nicht die Überzeugung,
dass etwas gut ausgeht,
sondern die Gewissheit,
dass etwas Sinn hat,
egal wie es ausgeht."

Rhetorik

Gleich mehrere Beiträge in der SZ der letzten Tage beschäftigen sich mit der (fehlenden) Kultur der freien Rede im politischen Alltag. So am Beispiel des jungen Gesundheitsministers. Dessen souveräner Auftritt vor den Mikrofonen und Kameras ist zwar nicht von einer Art, dass man einem Band "Große Rhetoren des 21. Jahrhunderts" bereits um ein neues Kapitel ergänzen müsste, sondern bewegt sich genau auf dem Niveau, das man von einem studierten Menschen, der seit Längerem und permanent in der Situation öffentlicher Rede geübt sein dürfte, erwarten dürfte und - wenn man auf andere Figuren seiner Alterskohorte blickt - auch von den Daniel Bars und KTvGs erfüllt wird.
Da aber das Berliner Niveau in Hinblick auf Außendarstellung insgesamt unterdurchschnittlich ist, genügt es eben schon, sich halbwegs manierlich anzuziehen, nicht übergewichtig zu sein, entspannt und unaufgeregt aufzutreten und stolperfreie Sätze zu formulieren, um als Wundertier bestaunt zu werden.

"Es gibt Menschen im Regierungsviertel, die darüber lästern, dass Rösler seine Reden selbst schreibt und in seinem Arbeitszimmer wie ein Schauspieler einstudiert. Nach Röslers Auftritt könnte man sich wünschen, diese Praxis würde im Abgeordnetengesetz für alle verankert." schreibt Guido Bohsem in der SZ vom 13. November

Der Kister Kurt wiederum schaut sich die rhetorischen Fähigkeiten des gegenwärtigen politischen Personals im Ganzen an und kommt zu dem Schluss:
"Bei den meisten Abgeordneten aber sind die Ansprachen ordentlich koordinierte Geräuschabfolgen und keine Reden im Sinne Herbert Wehners oder Joschka Fischers. Auch im 17. Bundestag dominieren die Vorleser, die Babbler wie die neue FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger oder die Reden-halten-ist-auch-nichts-anderes-als-Wurstschneiden-Rhetoriker wie Angela Merkel." (Kurt Kister)

Burkhard Müller wiederum betrachtet die Bedingung für eine lebendige Debattierkultur und erkennt in der deutschen Entwicklung der Rede in ihren Erscheinungsformen der Predigt, des juristischen Plädoyers und des politischen Streits eine Entwicklung, die eben nicht auf den öffentlich ausgetragenen Kampf der Argumente ausgelegt ist. Die Predigt sei eine Einbahnstraße, die ihren Lauf von oben nach unten nimmt und nicht mit Widerspruch rechnet. Auch die juristische Argumentation gedieh in Deutschland nicht als Arena der freien Rede, da sich Prozesse im Gegensatz zu England, nicht in der Öffentlichkeit, "sondern in der Stille der Kameraljustiz" vollzogen. Im Anschluss an die nicht frei entwickelte, sondern an die Schrift gebundene, eben nur vorgetragene und nicht mit Widerspruch rechnende Predigt habe sich das Theater entwickelt. Auch hier wird die Mündlichkeit und Improvisation verbannt.

Als moralische Anstalt habe sich das Theater als eine Einrichtung konzipiert, in der eben nicht "live" ein Thema in einem einmaligen, dem unwiederholbaren Augenblick der Vortragssituation verbundenen Vortrag entwickelt wird (was beispielsweise das Wesen der Stand Up Comedy ist, die in den USA und England eben als zwar in ihren Themen und groben Verläufen und Gags festgeschriebene Kunstform praktiziert wird, aber eben in ihrer höchsten Kunstform die freie Improvisation einbezieht, die Fähigkeit, den geschriebenen Text, die konzipierten Gags in einer Weise zu präsentieren und auf die Vortragssituation, das Publikum, den Vortragsort usw. zu beziehen, dass sich das Überzeitliche, Bleibende, Immergleiche des geschriebenen Vortrags, der sogenannten "Routine" mit der Einmaligkeit der Vortragssituation verbindet und darin das Publikum anspricht, weil es erkennt, dass es im Hier und Jetzt des Vortrags angesprochen wird und gemeint ist und eben nicht das austauschbare Klatschvieh für abgestandene Partyscherze aus dem Witzbuch.), sondern durch den sorgfältig einstudierten Vortrag und die eingeübte Vorführung auf die Seelen schweigender Zuhörer eingewirkt werde.

Nicht umsonst werde die Bühne seinerzeit mit einer Kanzel verglichen, Dramaturgen und Schriftsteller als Volkserzieher an ihre volkspädagogische Verantwortung gemahnt.

"Für den entsetzlichen Fall, dass einer die Vorlage vergessen haben sollte, sitzt der Souffleur im Kasten, Anker der Schriftlichkeit auf der hohen See mündlicher Vergegenwärtigung. Hier wuchs nicht die freie Rede heran, sondern die Deklamation als expressive Wucherung, als die Kunst, die Augen und das R zu rollen.
" (SZ)

Insofern ist der Wunsch nach einer verbesserten Debattenkultur zwar eine nachvollziehbare Sehnsucht, ist aber eben auch an formale Bedingungen gebunden. Nur, wenn es mit einer geschliffenen Rede im Parlament tatsächlich etwas zu gewinnen gibt, eine Mehrheit umzubiegen, eine Sache durchzubringen ist (Wie beispielsweise auf Parteitagen - man denke an den legendären Mannheimer Parteitag, auf dem Oskar Lafontaine - nachdem die Bedingungen sich günstig zeigten, der Vorsitzende Rudolph Scharping angeschlagen, die Parteibasis bereit für einen Umsturz war - mit einer Rede den damaligen Vorsitzenden stürzte und sich als neuer Vorsitzender empfahl), wird die Rede im Parlament bedeutsam. Unter den heutigen Bedingungen parlamentarischer Demokratie werden die Dinge aber in den Ausschüssen ausgehandelt, weshalb die parlamentarische Debatte in diesem Licht betrachtet, überflüssig sei.

"Der Redner muss was wollen, und er muss hoffen können, das Gewollte mit seiner Rede zu erreichen, sonst ist sein Herz nicht dabei, und er redet schlecht. Wo jedoch vom spontanen Eindruck, den eine Rede hinterlässt, wichtige Entscheidungen abhängen, müssen die Zustände wenigstens teilweise anarchisch sein. Man sollte es sich sehr genau überlegen, ob man wirklich eine von Grund auf gebesserte, freie mündliche Redekunst haben will: Denn damit eine solche erwächst, müsste sich weit mehr ändern als die Geschäftsordnungen der Parlamente - womöglich mehr, als man für ein derartiges Ziel, das letztlich doch ein nebensächliches bleibt, in Kauf nehmen möchte. " (SZ)

Loro Piana Minister

Schon mehrfach wurde hier dem Umstand gedankt, dass Kurt Kister schreibt, als habe er keine wohlgesonnenen Gesprächspartner mehr nötig. So auch in seinem Kommentar zum Besuch des selbstleuchtenden Kriegsministers/Dressmans KTzG, den er wiefolgt auf den Punkt bringt

"Er trug eine sehr schöne dunkle Jacke von Loro Piana, natürlich 100 Prozent Kaschmir, mit elfenbeinfarbenem Innenfutter. Sein grauer Turtleneck, mutmaßlich ebenfalls Kaschmir, harmonierte farblich und sogar stilistisch mit der schwarzen Splitterschutzweste. Die feste Freizeithose im Farbton desert tan bot mit ihren praktischen aufgenähten Seitentaschen einen dezenten Kontrapunkt. Sie signalisierte, dass der Hindukusch jenseits von Obi liegt. Außerdem passte sie zu den dunkelbraunen Wildleder-Clarks. Kein Zweifel, dies ist der eleganteste Minister, der jemals Regionen besuchte, in denen es zu kriegsähnlichen Auseinandersetzungen kommt." (SZ)

Deutschland scheint aller "Berliner Republik" Rhetorik zum Trotz immer noch einen Minderwertigkeitskomplex im Eleganz- und Stilbereich zu haben, dass es einem souverän auftretenden Lothar Matthäus Double zu Füßen liegt, sich zu Füßen werfen will. Daher ist es nur konsequent dessen Beiträge unter
ästhetischen als unter politischen Gesichtspunkten zu begutachten.

"[...] er kann ungeheuer glaubwürdig mit dem Chef von Morgan Stanley aus dem Fenster schauen oder höchst bedeutend in Washington ins Auto steigen" (KK)

Wer sich in den allabendlichen Nachrichten und Supernanny-Shows permanent die Pommes-Fritisierung großer Bevölkerungsschichten in Zeiten eines akzellerierenden Wettbewerbs vorführen und zum Zwecke der volkspädagogischen Disziplinierung durch emotionale Geiselnahme sich ehrfurchtserweckende Leistungsansprüche als jedem Einzelnen aufgegeben suggerieren lässt, dass jeder Briefträger ein schlechtes Gewissen bekommt, warum er immer noch nicht 3 Fremdsprachen, SAP und Datenbankadministration beherrscht, konkurriert er doch mit 300 bis in die Haarwurzeln motivierten Indern, Chinesen und Afrikanern, der ist auch dankbar, wenn er einen Mitdreißiger als Projektionsfläche hingestellt bekommt, der (gebildet, erfolgreich, adelig, Vorabendserien-attraktiv) v.a. zur Herstellung einer allgemeinen Verzichts-, Beitrags- und Anstrengungsbereitschaft geeignet ist.

Fuckability

Am Wochenende beschäftigt sich die Süddeutsche Zeitung kurz mit dem jungen, pheromonialem Stargeiger David Garett und seinem Konzept der Selbstvermarktung.

"Wo also liegt das Problem? Es liegt darin, dass Garrett bei der Jugend von heute die Liebe zur klassischen Musik entfachen möchte, weil das ja potentiell sehr profitabel sein kann. Dabei geht er offenbar von der Annahme aus, dass diese Jugend nur das wirklich liebt, was sie auch gerne, nun ja, ficken würde."