Sonntag, November 19, 2006

Das Gesetz der Serie

Die Kritik ist sich einig: Der neue Bond ist erstaunlich gut. Ja - er ist blond, hat stahlblaue Augen, einen Nasenbein, das darauf schließen lässt, dass sich in seiner Vita eine Phase als Kirmesboxer oder Türsteher findet und ist so ganz und gar nicht das Role-Model für den Herrenaustatter, wie es v.a. Pierce Brosnan par excellence verkörperte. Der neue Bond - härter, realistischer, zynischer. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung fragt in einem dem britischen Agenten gewidmeten Artikel "Gingen Ihnen Martinis und explodierende Füller auch immer auf den Geist?" und schließt: "Dann ist <Casino Royale> der richtige Film" Frage: Wenn einem Martinis und explodierende Füller so auf den Geist gehen - warum sollte man sich das 21 Mal anschauen?

Und: Wenn die Kritik sich nun freut, dass der neue Bond "Ecken und Kanten" hätte, Moneypenny und Q nicht mehr auftauchen, es "keinen Schleudersitz im Austin Martin, keine explodierende Füllfederhalter, kein Fax in der Armbanduhr. Auch keine sinistren Gestalten, die wie Klaus-Maria Brandauer aussehen oder wie Jonathan Prye, die in unterirdischen Kommandozentralen sitzen und nur einen roten Knopf drücken müssen, um den Planeten in die Luft zu jagen, die Frauen [...] auch nicht mehr Pussy Galore oder Penelope Smallbone (heißen)", dann mag das bedeuten, dass man eine ganz und gar der Wirklichkeit enthobene Serie realistischer gemacht hat. Aber treibt man der erfolgreichsten aller Kinoserienfiguren nicht genau die Details aus, die ihr dieses lange Leben verliehen haben?

Waren es nicht gerade diese, von Fans geliebten und in jedem neuen Film geschickt variiert erwarteten Details: Der Oberschure, das Bondgirl, der Martini, die Gadgets, grotesk-abwegige Action und alles verbunden mit einem smarten ironischen Humor, wie ihn Pierce Brosnan (nur wie vor ihm Roger Moore), die den Erfolg der Serie ausmachten?
Ist es nicht die Wiederholung des Selben im Anderen, die Deklination Desselben, das den Erfolg beim Publikum ausmacht, das das Selbe im Anderen zu finden sucht (Wo ist der Bond Humor? Die Bond Gadgets usw.) und sich daher über ironische Brechungen altvertrauter Motive freut (z.B. wenn Sean Connery als Indiana Jones Senior einen Gegner mit einem Füller außer Gefecht setzt), weil sie Bekanntheit im Neuen vermitteln.
Das macht die Serie altmodisch, das macht die Inszenierung eines Bond zu einer kolossalen Herausforderung: Erwartungen entsprechen und bedienen zu müssen, ohne sich dabei 1:1 zu wiederholen, sondern den "Spirit" der Serie in der immer neuen Variation einfangen und sichtbar machen. Gelingt dies, fühlt sich der Zuschauer zu Hause und gleichzeitig bestens unterhalten, weil er etwas Neues sieht.

Läuft Bond nicht Gefahr vor lauter Anpassung, Modernisierung etc. seinen eigenen Charme zu verlieren. So wie bei Tom Cruises Mission Impossible Serie die wesentlichen Elemente mehr pflichtschuldig auftauchen, als das sie smart variiert werden, versuchen alle Formate realistischer, und darin desillusionierter, härter und zynischer zu sein. Pourquoi ca?
Wer harte, zynische Realitität will soll City of God oder aserbaidschanische Frauenproblemdokumentationen schauen.
Wer einen James Bond ansieht, will eines mit Sicherheit nicht: Realität. Man wird sehen, ob die Fans den Bond annehmen.

zuerst erschienen bei reticon.de