Mittwoch, Dezember 23, 2009

2012

Für die Süddeutsche Zeitung hat Tobias Kniebe Roland Emmerichs 2012 gesehen und erkennt dabei - oh Wunder - eine neuerliche Ausführung des immergleichen schwäbischen Fertigbau-Musters.

Dazu gehören die ethno-paritätisch besetzten Figuren, die politisch korrekt angelegt sind: Die jugendlich weiße Familie aus dem kleinbürgerlichen Milieu vs. dem jugendlich schwarzen Hoffnungsträgerpaar bestehend aus promovierter Präsidententochter und smarten Wissenschaftler (Brille!).


Dazu gehören auch die Aufführung der den Kinozuschauern bekannten Kapitel in der von ihnen erwarteten Reihenfolge: von der Erkenntnis, die zunächst einige Wenige erfahren, dann die Ignoranz der politisch Handelnden (wie schon der an einen Gebrauchtwagenhändler erinnernde Bürgermeister in Steven Spielbergs DER WEISSE HAI, der trotz der Warnungen vor der tödlichen Gefahr für die Badegäste die Strände öffnen lässt.) oder die Skrupellosigkeit einer amorphen Finanzmafia, vertreten durch einen Repräsentanten, der im Laufe des Films und zur Freude des Publikums von der in Kauf genommenen oder bewusst geschürten Katastrophe vernichtet wird.

Es folgt die Orgie der Zerstörung, die trotz aller inszenierter Vernichtung keine Sekunde beunruhigt, auch wenn es auf der Leinwand kracht und brennt: Weil unter der Oberfläche des ins Bild gesetzten Auseinanderbrechens der Welt in der vorhersehbaren Erzähltstruktur eine einlullende Stabilität liegt.

"Wie oft kann man Los Angeles dem Erdboden gleichmachen, das Weiße Haus pulverisieren, den Petersdom flach-, Las Vegas in Schutt und Asche legen? Offenbar unendlich oft. (...) Die Szene, in der ein Flugzeug gerade noch von der Startbahn abhebt, während hinter ihm eine Welle der Vernichtung heranrollt, hat er schon in "Independence Day" erfolgreich benutzt - hier bringt er sie wieder, Version 2.0 sozusagen, und nicht nur einmal, sonder mehrfach. Der naheliegendste Vergleich ist dabei natürlich der Pornofilm, wo man sich auch kaum mit der Darstellung eines einzigen Geschlechtsakts zufriedengeben würde." (SZ)

Genau umgekehrt machen es Filme wie The Road nach Cormack McCarthys Novelle, John Boorman's Deliverance oder Tobe Hoopers Texas Chainsaw Massacre. Diese an der Bildoberfläche sparsamen Filme zeigen das Zusammenbrechen der öffentlichen Ordnung als den eigentlichen Horror. In ihnen erscheint die Zivilisation als dünne Oberfläche, unter der Gewalt, Willkür, Unmenschlichkeit und Irrsinn lauern und bei der leisesten Erschütterung durchbrechen.

Das dem Katastrophenfilm Emmerichscher Prägung einwohnende Moment erinnert an die einschläfernde schematische Ausführung von Reihenhäusern. Im Kontrast zu dem von der Tonspur und den Bildinformationen permanent behaupteten Superlativen macht sich hier eine Betulichkeit breit, gegen die eine Kaffee-Reklame als Krimi erscheint. Daher liebt ein bestimmtes Publikum diese Filme. 2 Stunden Achterbahnfahrt ohne Risiken. Der Thrill ist nur inszenierte Show. Es besteht keine Gefahr. Daher mögen Emmerich-Filme Filmfreunden ein Graus und für Investoren eine Freude sein: weil man hier nie überrascht oder gefordert wird. What you see is what you get. Wie ein Reklamespruch auf den Filmplakaten schon sagt: Wir waren gewarnt.