Donnerstag, Mai 17, 2012

Out of Control

In ihrem sehr interessanten Artikel beschreibt Angela Köckritz in der ZEIT, wie die von außen so geschlossen erscheinenden chinesischen KP größte Mühe hat, das Land zu führen, in dem Regionalbonzen in den Provinzen ihr eigenes Pharaonentum betreiben, sich die Taschen vollstopfen und die eigene Familie begünstigen.
"Die Historiker haben es ausgerechnet: in 20 Prozent der Fälle kamen Dynastien durch Invasionen von außen zu Fall. In 40 Prozent durch eine Volksrevolte. Und in 40 Prozent kollabierte sie von innen. Etwa weil sich die Anwärter auf den Kaiserthron gegenseitig massakrierten. Etwa weil Ministerien ihre eigenen Interessen verfolgten und nicht mehr dem großen Ganzen dienten. Etwa weil sich viele einzelne Beamte und Provinzfürsten nicht dem Machtzentrum verpflichtet fühlten. Das bedeutet nicht, dass morgen das Regime der Kommunistischen Partei zusammenbricht. Doch es verweist auf eine Reihe bedenklicher Verfallserscheinungen.Zum Beispiel in der chinesischen Außenpolitik, in der immer mehr Akteure eine eigene Agenda verfolgen. In einer Studie über Chinas Expansion im Südchinesischen Meer zählte die International Crisis Group elf Abteilungen auf Ministerialebene auf, die dort ihre einzelnen Interessen verfolgen, oft mit schweren internationalen Konsequenzen. Jahrzehntelang hatte Peking in einer Charmeoffensive versucht, Vertrauen zu den südöstlichen Nachbarn aufzubauen. Das gelang, bis es – ausgelöst auch durch chinesische Fischer- und Patrouillenboote – zu Zwischenfällen um Inseln kam, die eine Reihe von Anrainerstaaten für sich beanspruchen. Die Nachbarländer fühlten sich so sehr von China bedrängt, dass sie die USA um Hilfe baten – sehr zum Missfallen Chinas. Doch Chinas forsches Auftreten im Südchinesischen Meer war eben keine in Peking geplante Strategie. Dahinter steckten vielmehr ehrgeizige Provinzfürsten, die in umstrittenen Gebieten Fischgründe oder Tourismusprojekte sichern wollten. Ministerien, die sich auf Kosten anderer Regierungsabteilungen zu profilieren suchen. Ölfirmen, die darauf drängen, dort vermutete Bodenschätze auszubeuten. Regierungsabteilungen, Provinzen, Staatsbetriebe agieren auf eigene Faust. Das Außenministerium ist oft machtlos und wird allenfalls gerufen, um zu schlichten, wenn ein Konflikt zu eskalieren droht. China, so folgert die International Crisis Group, ist sich im Südchinesischen Meer selbst einer seiner größten Feinde." (DIE ZEIT, Nr.19 2012)