Donnerstag, Juni 06, 2013

Der Rosenkavalier

In der ZEIT findet sich ein großartig geschriebenes Feature über den Prozess gegen einen 61jährigen Türken, der seine deutsche Geliebte ermordet haben soll. Ein klassisches Stück, das Sachinformationen mit atmosphärischen Erzählelementen vermischt und so ein dichtes Bild zeichnet, das sowohl den Sachvorgang (Ein zu unrecht verurteilter Mensch wird dank seines wackeren Anwalts freigesprochen) als auch lebendige Charakterzeichnungen hervorbringt. Der Einstieg geht so:

"Im ersten Licht des Tages steht er ohne Koffer am Flughafen. Als wolle er sich einreden, er werde nicht lange weg sein aus Gaziantep, Südostanatolien. Als wolle er das Schicksal lenken. "Ich nichts lenken, das macht der liebe Gott", sagt er in seinem unbeholfenen Deutsch, als das Flugzeug auf die Startbahn rollt. "Er weiß: Ich hab sie nicht töten."
Dann setzt der Schub ein und drückt ihn in den Sitz, einen kleinen 61-jährigen Mann, mit Schuhen aus Kunstleder und schief gelaufenen Absätzen. Am Fenster verschwimmen rote Erde und graue Bäume zu farbigen Streifen. Wenn alles gut geht, ist er zurück in der Türkei, bevor die Pistazien blühen. Wenn nicht, werden sie ihn einsperren, jahrelang, in der Justizvollzugsanstalt Cottbus-Dissenchen."

Sehr gelungen, wie die durchaus pikanten Details beschrieben werden, ohne das die Beteiligten je bloßgestellt werden. Im Gegenteil: Es gelingt das sensible Portrait einer zärtlichen Liebe im Stile Fassbenders "Angst Essen Seele auf". 

Insgesamt hat die Geschichte (so, wie sie hier erzählt wird) alles, was ein Film braucht. Einen (tragischen) Helden, der gegen immer schwerer werdende Widerstände kämpft und am Ende siegt (er wird freigesprochen), ohne im eigentlichen Sinne gewonnen zu haben (schließlich ist seine Geliebte unwiderbringlich tot). 

Der Angeklagte wird von einem wackeren Anwalt rausgehauen, der sich durch Berge von Akten wühlt und Ungereimtheiten im Bericht der lokalen Gerichtsmedizin findet. Es gelingt ihm die Koryphäe für gynäkologische Gerichtsmedizin, einen emeritierten Professor aus Münster (man sieht färmlcih vor seinem inneren Auge Anthony Hopkins aus AMISTAD) für den Fall zu interessieren. Der weist den lokalen Behören zahlreiche Fehler nach. Es gelingt schließlich der Beweis, dass die Frau eines natürlichen Todes gestorben ist. Der Angeklagte wird freigesprochen. Aber er hat viel verloren: Sein Dönerstand ist in der Zeit, in der er in Haft saß, eingegangen, seine Freunde haben sich von ihm abgewandt - und seine Geliebte ist tot. Große Tragik, großes Kino.

DAS Stück würde ich mir als Tatort ansehen.