Heute findet sich im Feuilleton der SZ ein guter Artikel, der sich mal nicht in kalorienarmer Weise mit Hollywood, schülerVZ, Web 2.0 oder anderem Gähn beschäftigt, sondern sich dem Ausverkauf des öffentlichen Raumes an die Blickindustrie und die Außenwerbung widmet:
"Man muss nur in einer europäischen Großstadt eine einzige Straßenzeile entlang gehen, um zu erkennen, wie der öffentliche Raum an eine Blickindustrie ausverkauft worden ist. Das reicht von gewöhnlichen Plakatierungen bis zu ausgeleuchteten "City-Light-Postern", von Plakaten, deren Motive in stetem Takt wechseln, über kirchturmgroße "Blow-up"-Flächen bis zu Taxi-Überdachungen, Rolltreppengeländer-Beschriftungen und auf blütenweiße Zebrastreifen applizierte Waschmittel-Werbeslogans. Ob komplett mit Folien beklebte Omnibusse, ob an Autobahnen grenzende Getreidefelder mit eingewalzten Werbesprüchen oder das durch die Deutsche Telekom eingepackte Brandenburger Tor. [...]
"Ob "sprechende Plakate", die per Bluetooth-Funktion Passanten anzirpen und mit Handy-Werbebotschaften malträtieren, ob Info-Terminals, die auf Flachbildschirmen ihr Mischmasch aus Kürzestnachrichten und Werbebotschaften präsentieren oder die fünfzehn Meter hohe Skulptur einer Hand am Frankfurter Flughafen, die den Gestirnen ein Samsung-Handy entgegenstreckt - Außenwerbung wird zum Event, zum Spektakel, und füllt eine Lücke im öffentlichen Raum, die eigentlich von städtischen Informationsangeboten und Kunstwerken besetzt werden müsste."
Florian Kessler fordert "wirksame Sperrmechanismen" gegen diesen Ausverkauf des öffentlichen Raumes und berichtet vom norwegischen Bergen, wo Werbung im öffentlichen Raum verboten ist: "bislang leidet die Stadt in keiner Weise ökonomisch unter ihrer Entscheidung." In der Schweiz hat die "IG Plakat Raum Gesellschaft" ("Freie Sicht auf Zürich!"), eine Gruppe gegen Außenwerbung, für Zürich errechnet, dass ein kompletter Verzicht der Stadt auf Plakatwerbung jeden Zürcher Steuerzahler jährlich bloß etwa acht Euro kosten würde.
Der ganze Artikel "Das vertikale Gewerbe" bei Jetzt, dem ausschließlich online verfügbaren Jugendmagazin der Süddeutschen Zeitung. (Foto: branox)