Google ist überall. Seit seinem Start als unscheinbare Suchmaschine entwickelt (oder kauft) das Unternehmen immer neue Anwendungen, die mittlerweile nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken sind: Google Maps, Google Calendar, Google Docs, Google Mail, Google Books, Google Analytics, Youtube. Die Dienste bieten ihren Nutzern vielfältige Gelegenheit, immer mehr Informationen über sich ins Netz zu stellen. Kritiker bemängeln den lässigen Umgang mit dem Urheberrecht und die unklare Verwendung gesammelter Nutzerdaten. Niemand weiß genau, welche Daten Google erfasst, wie lange sie gespeichert und zu welchem Zweck sie auswertet werden.
Seit Mai kann man nun bei Google Health eine virtuelle Krankenakte anlegen: Nutzer mit einem Google-Konto können hier alles über ihre Medikamente, Bahndlung, Krankenhausaufenthalte oder Allergien eingeben. Aber warum sollte ein Patient seine Daten in ein Online-Tool eingeben? Die Antwort hierauf ist dieselbe Antwort wie auf die Frage, warum sich der Hund die Eier leckt: Weil er es kann!
Scheinbar wohnt im Menschen mehrheitlich der Doozer (so hießen bei den Fraggles kleine Wesen, die ohne Ziel und Unterlass Gerüstkonstruktionen bauten), der auf zur Verfügung stehende Formulare, Eingabefelder und Portale mit einem Ausfüll-Reflex zu reagieren scheint. Eine Art digitale Gärtnerei führt den Menschen dazu, enorme Energien zu mobilisieren und Zeit zu investieren, um Profile einzurichten, aufzubauen, zu pflegen und zu optimieren.
Und Google kommt diesem Trieb mit immer neuen Angeboten und Tools entgegen - und lässt sich so immer mehr Informationen zuschaufeln, die von den Nutzern emsig angekarrt werden.
Die intime Atmosphäre am PC, die niedrige Schwelle des Mausklicks, die Konzentration auf den virtuellen Freundeskreis (oder die Focusierung auf den eigenen Verwendungsradius), an den allein man seine Informationen richtet, führen scheinbar dazu, dass die Aufmerksamkeit für die Tatsache, dass die Wahrscheinlichkeit besteht, dass man mit der Einspeisung persönlicher Daten in die virtuelle Agora auch die Kontrolle über diese Daten aus der Hand gibt, sinkt.
Nie würde man einem fremden, der an der Tür klingelt, die Informationen mitteilen, die man bereitwillig in Portale und Tools einträgt: Wo (Google Maps) waren sie (Facebook)? Wann haben wen (Twitter) getroffen? Wie war Ihr Treffen (Blog)? Was haben sie angehabt (FlickR)? Was für Musik hören Sie (Last FM)? usw.
Würde man das einem Fremden erzählen, der an der Tür klingelt und mitteilt, dass er für eine Umfrage zur Optimierung der Produktentwicklung seines Unternehmens all diese Dinge erfragen wollen würde? Würde man nicht!
Aber im Gitter der diversen Portale und Tools bildet sich immer mehr ein lückenloses Bild vom Nutzerverhalten (on und offline), weil diese Tools und Portale an dem Vervollständigungstrieb der Menschen anschließen, der sie dazu treibt, kontinuierlicher ihre Blogs zu pflegen, Bilder hochzuladen, Status-Updates nachzuhalten, das man sich fragt, wann diese Menschen eigentlich noch dazu kommen, ihr "first life" zu leben.
Daher ist die Kritik an der "Datenkrake Google" auch immer nur zur Hälfte wahr: Wer von der Arglosigkeit der Nutzer im Umgang mit ihren Daten nicht reden will, sollte auch von dem Datenstaubsauger Google schweigen.