"Jesus hat unter dem Baum der Erkenntnis Sex mit Pocahontas und konvertiert zum Buddhismus, bevor er das Jenseits zum Diesseits erklärt und als Drachenreiter für das totale Gleichgewicht auf einem Mond sorgt, der eigentlich ein großer Datenspeicher ist." (epd-Film)
Mag die Geschichte noch so eindimensional sein: Das Kinopublikum ist begeistert. Knapp sieben Wochen nach dem Start hat das 3D-Kinospektakel Avatar von James Cameron weltweit fast 2 Milliarden Dollar eingespielt. Damit hat der Titanic-Regisseur einen Fabelrekord eingestellt, den er selbst gesetzt hatte.
Der Geheimnis des Erfolgs des Films liegt gerade in der eindimensionalen Story. Diese folgt den aus Winnetou oder Der mit dem Wolf tanzt bekannten Mustern des
Indianerfilms: edle naturverbundene Wilde, schöne kämpferische Squaws (zufällig auch Häuptlingstochter), stolzer Häuptlingsvater (stirbt), weise Schamanin (Mutti), treue Tiere (mein kleines Pony), Pfeil und Bogen. In dieser fremden Welt bewegt sich der Held zunächst ahnungslos, ungelenk und tollpatschig. Er lernt von der schönen Häuptlingstochter alles über die fremde Kultur. Dabei ist er so erfolgreich, dass er zum superangepassten Assimilations-Streber wird, der Eingeborener ist als die Eingeborenen selbst und qua Eignung und Vorsehung mit diktatorischen Feldherrenvollmachten ausgestattet den Laden auf Vordermann bringt.
Das Ganze findet statt in einem Paintbrush-Szenario, das zwischen Disney-Pocahontas, "Jurassic Park und einem Anime von Hayao Miyazaki" (epd Film).
Schon Billy Wilder erklärte diese Erfolgsformel einmal dem deutschen Regisseur Volker Schlöndorff: Wenn man einen erfolgreichen Film machen wolle, müsse man entweder eine komplizierte Geschichte vor einem einfachen Hintegrund erzählen oder eine einfache Geschichte vor einem komplizierten Hintergrund. "Am besten ist aber eine einfache Geschichte vor einem einfachen Hintergrund." Wenn man weltweit ein Massenpublikum ansprechen will, muss man eben die Formel vom gröbsten gemeinsamen Nenner verfolgen - und das ist hier der Fall: Für jeden ist etwas dabei.
Für die Mädchen eine starke weibliche Identifikations-Figur, mädchen-affine Neon-Leucht-Flora in Weichzeichner-Optik, Pferde und Flugwesen, die einem ganz persönlich gehören und eine persönliche einmalige Bindung zur Reiterin aufbauen, eine Mädchenromantikfantasien spiegelnde (und im Kern reaktionär-altmodische) Lovestory, in der die Frau dem Tollpatsch zunächst überlegen ist und ihn in verschiedene Künste einzuweisen hat, bis dieser dann besser als sie - und alle anderen - wird und sie ihren Platz als bewundernd aufschauendes Weibchen einnehmen kann.
Für die Jungs gibt es einen guten sacht mackerhaften Helden: Ein ehemaliger Soldat, der an den Rollstuhl gefesselt ist (O-Ton Twentieth Century Fox: "Sein Körper mag gebrochen sein, doch im Herzen ist Jake noch immer ein Marine"). Tugendhafter Soldat, der inneren Werten folgt und daher auch zur Befehlsverweigerung bereit ist; Weiterhin ein scheinbar der Computerspielfigur "Duke Nukem" nachempfundener Schurken-Militär, Waffen-und-Maschinen-Porno, Braveheart-Krieg-Pathos, STAR WARS-artige Schlachten-Wimmel-Bilder und ein dröhnender Sound, der einem schön die Darmflora massiert.
Die von Menschen gesteuerten Kampfoboter in AVATAR erinnern extrem an den Laderobotor in dem ebenfalls von James Cameron inszenierten "Aliens". Schön, wenn man auf vorhandenes Material zurückgreifen kann. Dann kann man sich NOCH MEHR auf die STORY und Dramaturgie konzentrieren.
p.s. Apropos Laderoboter aus Aliens: Ben Hallert ("an IT professional living in Oregon") hat den Lade-Roboter aus Aliens als Halloweenkostüm gebastelt! Untertitel seines Blog-Berichts „Building a Halloween costume that makes the children cry“