Samstag, April 10, 2010

"Aghet" heißt Katastrophe - Dokumentarfilm über den Völkermord an den Armeniern

Die Süddeutsche Zeitung vom Freitag 9. April bestätigt einmal mehr, dass sie hinsichtlich der Qualität der Texte die beste überregionale, meinungsbildende Tageszeitung ist. Nicht nur begeisterte der Sport-Teil wieder mal mit feinen Beiträgen (ein ganzer Artikel beschäftigte sich nur mit dem Volley-Tor Arjen Robbens im Spiel gegen ManU; ein Kommentar bezieht sich auf Peter Sloterdijk, "den FC Bayern der Philosophie". Der beschreibe Fußball als Mobilisierungsveranstaltung in der Gefahr. So drehe der FC Bayern auch erst dann auf, wenn er die WAnd am Rücken spüre.).

In einem famos geschriebenen, leidenschaftlichen Artikel berichtet ein merklich bewegter Willi Winkler über den Dokumentarfilm "Aghet". Das Wort ist der armenische Begriff für "Katastrophe" - und eine solche ist gemeint: der bis heute offiziell geleugneten Völkermord der Türkei an den Armeniern zwischen 1915 und 1917. "Auch in Eric Friedlers Dokumentarfilm [...] bestreitet Erdogan wieder den Genozid an den Armeniern. Der Film erbringt die verlanten Beweise und er bringt sie in einer Fülle und Drastik, die dem Zuschauer unter Garantie den Schlummertrunk verleiden wird. Der Aufschrei ist programmiert, denn Aghet ist nicht ausgewogen, nicht diplomatisch, sondern eine einzige schreiende Anklage."

Eine Besonderheit der Inszenierung ist, dass die Zeitzeugenberichte von 23 renommierten Schauspielerinnen und Schauspielern wie Martina Gedeck, Hans Zischler, Sandra Hüller, Gottfried John, Burghart Klaußner (der Pfarrer aus "Das weiße Band"), Joachim Król, Peter Lohmeyer, Sylvester Groth (gab in Tarantinos Inglorious Basterds den Goebbels), Andreas Schmidt (der grandiose Ronald aus "Sommer vorm Balkon") oder Ulrich Noethen vorgetragen werden.

Winkler lobt den Film und den Mut der ARD zu dieser Produktion.

"Beiläufig zeigt Aghet, dass es auch ohne das von einer klagenden Violine begleitete Raunen geht, mit dem vor allem dasZDF seine Zuschauer im Geschichtsfernsehen einlullt, bis dann eine ehemalige Goebbels-Sekretärin in Tränen ausbricht, wenn sie daran denkt, wie die arme Blondi sterben musste. [...] Nebenbei, und das ist keine Kleinigkeit, gereicht er der ARD zur Ehre, weil sie sich diesen Film - Quote hin, Protest her - zugetraut hat. So muss öffentlich-rechtliches Fernsehen sein, sonst kann es gleich einpacken."

Aghet. Ein Völkermord läuft am 9. April um 23:30 Uhr in der ARD und am 13. April um 20:15 Uhr auf Phonix.