Montag, August 22, 2016

Immun gegen Radikalismus: Akzeptanz und Annahme der eigenen Person, befreite Sexualität

Im Magazin ANDRUCK stellte der Deutschlandfunk unlängst das Buch "Das Mädchen und der Gotteskrieger" der in Berlin-Neukölln aufgewachsene Autorin und Journalistin Güner Yasemin Balci vor. In dem Buch erzählt Balci basierend auf recherchierten Fakten die fiktive Geschichte der 16jährigen Nimet, die - zunächst allein, dann angeleitet durch gezielte Ansprache von IS-Agenten - langsam beginnt sich zu radikalisieren.

Eine Jugendliche in einer Identitätskrise, die nicht zuletzt auch durch die kulturellen Brüche befeuert wird und sich auch um Praktiken und Fragen der Religion und religiöser Kultur dreht.

"Nimet ist so ein klassisches Beispiel für eine Generation von Einwandererkindern, die so eine Identitätskrise leben, die ihnen noch gar nicht so bewusst ist", erklärt Balci. "Auch wenn Nimet sich schminkt, mit offenen Haaren herumläuft, sich mit ihrer Freundin trifft, dann ist doch relativ klar, dass die Eltern es nicht vorgesehen haben, dass sie jetzt ein völlig emanzipiertes Leben lebt. In der Erziehung schwang schon immer mit, dass sie Jungfrau bleibt bis zur Ehe, dass sie jetzt nicht sofort einen deutschen Freund hat, dass das alles nicht so ganz easy ist. Das ist schon mal etwas, was das Leben dieser Mädchen hier sehr erschwert. Das unterscheidet sie schon immer von den andern."
Für Ralph Gerstenberg, der das Buch "Das Mädchen und  der Gotteskrieger" für den Deutschlandfunk gelesen hat, zeigt Autorin Balci "auf nachvollziehbare Weise, wie Nimet in dem Gefühl, endlich ihre wahre Bestimmung gefunden zu haben, sich mehr und mehr von ihrer Familie und ihren Freunden entfernt und den IS Kämpfer Saed, mit dem sie zunächst über Whatsapp kommuniziert hatte, an die syrisch-türkische Grenze folgt.

Eine Beobachtung Balcis deckt sich mit der Analyse des arabisch-israelischen Psychologen Mahoud, der in Projekten versucht, muslimischen Jugendlichen ein alternatives Geschlechtsrollenverständnis jenseits der Patriarchalischen Tradition zu vermitteln versucht. In der die Ehre der Familie nicht von der Jungfräulichkeit der Schwester oder Tochter abhängt, in der Gleichberechtigung ein Zeichen von Reife und Stärke des Mannes ist. In der alternative Lebensformen nicht als Bedrohug empfunden werden. Der Schlüssel für beide: Eine befreite Sexualität.

"Ich glaube, wenn diese Mädchen eine befreitere Sexualität erfahren würden, könnten die gar nicht mehr empfänglich sein für diesen Mist", betont Autorin Güner Yasemin Balci. "Also dafür, dass da ein Mann irgendwo in der Walachei sitzt, andere Menschen umbringt und behauptet: Du bist dann die Königin an meiner Seite, weil du bist rein und einzigartig, du bist meine Jungfrau. Also das könnte gar nicht mehr funktionieren, wenn diese Mädchen und auch die jungen Männer einen gesunden Umgang mit Sexualität erlernen würden."