Samstag, März 31, 2007

Fassungslos

Im Magazin der Süddeutschen Zeitung ist ein Gespräch zwischen Gabriele von Lutzau und Claus Peymann abgedruckt. von Lutzau war Stewardess an Bord der Lufthansa-Maschine, die 1977 von einem palästinensischen Terrorkommando entführt wurde, um u.a. auch in Deutschland inhaftierte RAF-Mitglieder freizupressen. Bei der Entführung, die xx dauerte, starben u.a.

Besonderes Rauschen im Blätterwald erzeugte das Angebot Peymanns an den inhaftierten Christian Klar, ihm nach einer evtl. vorzeitigen Begnadigung ein Praktikum anzubieten.

von Lutzau: Sie sind also Dostojewski in Bezug auf die RAF – eine Gruppe, die nicht nur nach außen mit bedingungsloser Aggressivität vorging, sondern auch nach innen. Das war ein autoritärer, gnadenloser Umgang. Ich frage mich oft: Warum beschäftigt sich die Kunst mehr mit den Tätern der RAF als mit den Opfern?

Peymann: Die Antwort ist banal: Es ist die größere Provokation. Die Faszination für das Böse liegt in der menschlichen Psyche. Das ist schon bei Shakespeare so. Die Täter sind sozusagen der Kick. Ich würde Ihnen allerdings gern einräumen, dass es vielleicht sogar wichtig wäre, die Geschichte der Opfer als Stoff aufzugreifen. Ich weiß nur nicht, ob es letztlich nicht ein bisschen langweilig wäre, das ist das Schlimme.

Man weiß nicht, ob man Peymanns den Theaterraum selten verlassende Sozialromantik einfach ignorieren oder sich darüber empören soll, wie schnell und auseinandersetzungslos er die Kriminalität, Brutalität der RAF übergeht, um zu anderen Verbrechen zu kommen und damit eine Aufrechnung und Legitimierung betreibt(jajaja schlimm mit den Unschuldigen ... ABER DIE AMIS UND IHRE BOMBEN...). Die trivial-redundante Beschwörung einer "Faszination des Bösen", die einem Opfer gegenüber ins Feld zu führen er sich nicht schämt, und das bei Verwendung des Boulevard-Magazin-Begriffs des "Kick", der scheinbar alles zu rechtfertigen scheint und demgegenüber Peymann Anerkennung einfordert. Das Gute, das Friedliche, das Opfer - das ist uninteressant, weil es einfach ist, weil es unberührt und unverändertes Sosein darstellt. Das Verbrechen, die Tat - das ist das Faustische, für das der Theatermacher sich interessiert. Da ist der in die Welt eingreifende Mensch am Werke. Hier unberührte Natur - dort menschlich wirkende und Natur umschaffende Kultur.

Das Böse ist faszinierender, weil wir darin das genialische Element des in im Vollzug der Tat sich in die Welt einschreibenden menschlichen Geistes in einem Extremwert offenbart. Darin steckt unverhohlene Bewunderung für den als Kraftmenschen überhöhten Gewalttäter, der keine Regeln anerkennt, sondern sein Gesetz rücksichtslos gegen alle Konventionen durchsetzt und eine nietzscheanische Verachtung für den wohltemperierten Lebensentwurf des braven Bausparers, der immer ein Straßenbahnticket löst. Einem Opfer terroristischer Gewalt so etwas allen Ernstes als nachzuvollziehenden Gedanken anzubieten, ist in seiner Taktlosigkeit und langweiligen Klischiertheit nicht zu übertreffen.