Sonntag, Oktober 21, 2007

Eher schwach, SZ-Magazin

Das Magazin der Süddeutschen Zeitung ist eines der Prunkstücke der SZ, der auflagenstärksten, überregionalen, meinungsbildenden Zeitung in Deutschland. Abwechslungsreiche Themen, originell umgesetzt, hervorragend geschriebene Texte, ein launig-ironischer Ton, großartige Bildstrecken und eine manchmal erfrischende Verschwendung von Platz zeichnen das Magazin aus und lassen die verstaubte Tante vom Speersort in Hamburg meilenweit hinter sich.

Auch die Ausgabe Nr. 41 trumpfte mal wieder mit einem wunderschönen Titelbild Post veröffentlichenund einer schelmigen Ansage auf: Im Stammhain. 30 Jahre deutscher Herbst. Dazu ein Foto von einem Wald und eine Reportage von Willi Winkler über einen Waldbesitzer. Grandios!

Auch der Artikel "Düstere Aussichten" des SPD-Abgeordneten Marco Bülow, der von dem desillusionierenden Alltag als Bundestagsabgeordneter in Ausschüssen und Fraktion berichtet, hat erschüttert und begeistert.
Bülow berichtet, dass, wer sich den Luxus einer eigenen Meinung, gar eines Gewissens oder - even worse - eines Rückgrats leistet, diese auch gegen die Linie von Partei und Fraktion zu behaupten, v.a. Gefahr läuft, von Kollegen geschnitten und der Leitungsebene geschuhriegelt zu werden und v.a. sein Fortkommen im politischen Betrieb und die Aussicht auf ein gut bezahltes Abstellgleis in Verbänden und Vorständen gefährdet. Dies führe dazu, dass Duckmäuser- und Anpassertum herrsche.

Wenn man Marco Bülow zu seinem Artikel gratulieren und sich danach erkundigen will, wie denn nach seinen offenen Worten wohl nun seine Stellung in der Fraktion sei, findet man auf seiner Homepage eine Stellungnahme zu dem Artikel, in der er einige Dinge zum Zustandekommen desselben berichtet, der sehr ent-täuscht.

Der Artikel wurde nicht von ihm geschrieben, auch wenn in der Überschrift sein Name als Autor angegeben wird. Vielmehr führte ein Journalist 2 Gespräche mit ihm und schrieb in Folge dessen den Artikel, ohne dass sich in der Print oder Online-Ausgabe ein Hinweis darauf findet.

Aussagen wurden durch Überbetonung, Umstellung oder Weglassung zugespitzt, verschärft.

Alles im journalistischen Interesse, eine pointierte Darstellung eines glasklaren Sachverhalts zu bekommen (nämlich, dass Abgeordnete in der Fraktion nichts zu sagen hätten). Das die Macher des SZ-Magazins aus ihrer Unterstellung, den hinter den differenzierteren Äußerungen von Bülow liegenden Sachverhalt, besser und klarer verstanden zu haben, als er es in seiner ausgewogenen und differenzierten Weise dargestellt habe und sie sich deshalb scheinbar im Recht wähnten, dem, was Bülow nach Dafürhalten der Redaktionsleitung (der Bülow die Verantwortung für diesen Vorgang zu schreibt), "eigentlich" sagen wollte, zur klare(re)n Darstellung zu verhelfen, ist schon ein starkes, bzw. schwaches Stück.

Von der Süddeutschen Zeitung und dem Magazin der SZ hätte man mehr erwartet. Schade.

Reticon antwortet mit einem Leserbrief, dem nichts mehr hinzuzufügen ist.