Ein weiteres Mal zu Charlotte Roches "Feuchtgebieten". DIE WELT macht in dem Buch ein Beispiel dafür aus, dass, nachdem auch die äußeresten Grenzgebiete der Gewalt und Horrors ausgelotet und zunehmend vom Mainstream absorbiert worden sind, nur noch der Ekel (oder der Verismus absonderlicher Kuriositäten wie sie in der Pornographie oder den "funny Homevideos" der Marke "Brautpaar rutscht beim Walzer aus und fällt in Torte" vorkommen oder nicht fiktiver Brutalität, wie der Enthauptung des Entführungsopfers Nick Berg durch islamistische Fundamentalisten oder die Hinrichtung Saddam Husseins oder die unendliche Flut von Autounfallvideos oder Clips von Militäreinsätzen im Irak - der digitale Verismus wird durch die plebiszitäre Verfügbarkeit der Aufnahme-, Verarbeitungs- und Distributionsmedien rasant gefördert) als Steigerungsmöglichkeit für ein abgestumpftes Publikum bleibt.
"das Buch funktioniert mit einer plumpen Überbietungslogik wie ein Horrorfilm - nur dass die Autorin nicht mit Gewalt arbeitet, sondern mit dem Ekel vor Körperausscheidungen. Wo im Gruselgenre hinter jeder nächsten dunklen Ecke immer eine neue Kettensäge wartete, lauert bei Roche eine Monatsbinde. Die Kreativität erschöpft sich in beiden Fällen darin, sich immer absurdere Details auszudenken, die man mit diesen Werkzeugen anstellen kann. Wer bei Roche bis zur letzten Seite kommt, kann dann einen ähnlich trivialen Stolz auf sein Durchhaltevermögen entwickeln wie derjenige, der beim Horrorfilm nie die Augen geschlossen hat." (Quelle: Die Welt)