Das Rollenspiel lässt die Spieler das Leben eines Obdachlosen simulieren. Man startet als "untalentierter Penner am Hamburger Hauptbahnhof" und kann sich von dort bis zum "Bettel-Monopolisten" und Schlossbesitzer hocharbeiten. Das gelingt unter anderem durch das geldverdienen durch das Erlernen von Musikinstrumenten, die Eroberung der besten "Schnorrplätze" oder das Sammeln von Pfandflaschen:
"Du bist ein untalentierter Penner am Hamburger Hauptbahnhof und kannst weder Lesen noch Schreiben. Doch du hast das Ziel endlich Reich zu werden. Lerne Lesen und Schreiben um endlich Plakate vor dir aufzustellen um auf dich aufmerksam zu machen. Lerne Gitarre spielen um Leute zu beeindrucken, miete dir einen Einkaufswagen um Pfandflaschen zu sammeln, werde Trickbetrüger und klaue anderen Menschen Uhren, Brieftaschen und Schmuck. Werde zum organisierten Bettelmonopolisten!", so die Spielerklärung auf pennergame.de.
Das Spiel bietet einige Funktionen, darunter: "Supermarkt für Getränke und Nahrung", "9 Musikinstrumente für ein geregeltes Einkommen", "Pfandflaschen sammeln und verkaufen", "verschiedene Verbrechen begehen", "Promillesystem", "27 verschiedene Haustiere", "Stadtkarte mit 103 Stadtteilen", "Haustierkämpfe".
"Pennergame ist ein Browserspiel. Die zeichnen sich dadurch aus, dass man keine Software herunterladen muss, und sind schon deshalb die idealen Bürospiele: kein Ärger mit der Firewall und den Administratorrechten. Beliebt sind Strategie- und Rollenspiele, manche punkten mit aufwändiger Grafik, andere mit ausgefallenen Spielideen. Pennergame folgt ausgetretenen Pfaden, hält gerade die Balance zwischen angenehm anspruchslos und ausreichend komplex. Grafisch ist es schlicht, seine Funktionen basieren auf einfachen Klicks auf Text-Links. [...] Dass das Spiel sich trotzdem herumspricht wie ein Freibier-Termin, wird daran liegen, dass Online-Rollenspiele mehr Spaß machen, wenn auch der Kollege aus dem Büro nebenan seinen Avatar durchs virtuelle Sankt Pauli steuert." (FR)
Natürlich musste man nicht lange auf die Empörung warten. Susanne Hassen, Pressesprecherin des Diakonischen Werks Hamburg zeigt sich laut Stern schockiert: " Allein schon die Formulierung "Penner"/"Pennergame" ist beleidigend. Darüber hinaus werden alle stereotypen Vorurteile gegen Menschen, die auf der Straße leben bedient und verstärkt. Gegenüber den betroffenen Menschen ist das Spiel zynisch."
In der Tat: Mit Oberstufenhumor werden hier Klischees über Obdachlose cool-ironisch dekliniert. Was vielleicht als Ulkidee begann wächst sich mittlerweile zum ausbaufähigen Geschäftsmodell. Die Macher wollen das Spiel auch in andere Länder übersetzen, stellen Leute ein und haben sogar ein Büro.
Biertrinken, Currywurst essen, Haustierkämpfe -
das Leben virtueller Obdachloser in der Statistik bei pennergame.de
das Leben virtueller Obdachloser in der Statistik bei pennergame.de
Marius Follert, einer der Macher von Pennergame, beschwichtigt: Jugendliche würden Obdachlose nicht als Witzfiguren abstempeln. Im Gegenteil: Pennergame mache "mit Spaß auf das brisante Thema aufmerksam". In den Foren würde über Armut in Deutschland diskutiert, zitiert Stern Marius Follert. Man wolle sogar einen Teil ihrer Erträge an Hilfsorganisationen in Hamburg spenden.
Frike-de-hoo!
Man fühlt sich an die SchülerVZ-Macher erinnert, die in ihren Presseerklärungen beim Start des Community-Portals in vorauseilender Auffangbewegung der vorhersehbaren Kritik und Skepsis den Wind aus den Segeln nahmen, indem sie ankündigten, "einen Beirat aus Schülern, Eltern und Lehrern sowie Jugendschutzexperten aufzubauen" und es so aussehen ließen, als sie das Portal ein medienpädagogisches Instrument: "Wir setzen bei der Entwicklung des Netzwerkes auf einen intensiven Dialog mit Schülern, um ein optimales, zielgruppengerechtes Angebot zu entwickeln. Dafür wollen wir auch Schüler-, Eltern- und Pädagogenverbände einbinden und damit einen gesellschaftlichen und sozialen Mehrwert erzielen."
Und jetzt also Pennergame als jugendgerechtes Instrument für die Beförderung gesellschaftspolitischer Diskussion. Entscheidend für das Spiel und die Betreiber bleibt der Erfolg und die Verbreitung des Spiels. Da gehören der absehbare "Skandal" und die darauf folgende Berichterstattung zum Geschäftsmodell.
Siehe zum Thema "Kalkulierte Empörung als PR-Instrument" auch: Besoffen 2007