Freitag, April 03, 2009

Jerome Kerviel

Im aktuellen ZEIT Magazin findet sich ein sehr guter Artikel über Jérome Kerviel, dem Trader, der durch heimlich immer höhere Einsätze der französischen Bank Société Générale einen Verlust von 4,9 Milliarden Euro einbrachte.

Der Autor hat sich die Mühe gemacht, umfangreiche Akten und auch SMS und Chatprotokolle zu studieren und kommt so zu dem von der Öffentlichkeit ohnehin zunehmend vermuteten Psychogramm eines Spielers, als der den Akteuren hochprofitabler Finanzgeschäfte zu Grunde liegenden Persönlichkeitsstruktur: "Fast täglich habe ich unvorstellbare Ergebnisse. Wir werden zu Königen, man nennt uns Cash-Maschinen, Stars. 500.000 Euro jeden Tag, das ist zur Regel geworden."

Diese Haltung, die in ihrer zunehmenden Selbstbeschleunigung und Immunisierung gegenüber den realitätsanbindenden Zentripetalkräften dessen, was man gesunden Menschenverstand nennt, ähnelt dabei eher einem Suchtkranken, als einem auf Fachwissen und kühle Kalkulation zurückgreifenden Arbeiters.
Peter Sloterdijk wies unlänst im Gespräch mit der NZZ unter bezug auf die Wirtschaftskirse darauf hin, dass die Antwort leicht fällt, wenn man sich klar macht, dass die Vorstellung, dass "die Wirtschaft" und diejenigen die sie betreiben oder als Wissenschaftler sie beobachten udn Gesetze notieren, eben nicht - wie behauptet und naiv geglaubt - auf Rationalität basiert:

"Man muss endlich auch die Wirtschaftswissenschaften als Wissenschaften vom Irrationalen rekonstruieren, als eine Theorie des leidenschaftsgetriebenen und zufälligen Verhaltens." (NZZ)

Der Rausch ist der Zielzustand, den die Wirtschaftshandelnden und insbesondere die Akteure im Bereich der hochriskanten Finanzmärkte, anstreben. Wird der Kick zum Leitmotiv muss die Dosis permanent erhöht werden, um die Wirkung weiterhin spüren zu können. Umgeben von anderen Suchtkranken und mitten im System fällt es schwer, einen Realitätsbezug herzustellen. So stellt die Finanzkrise vielleicht v.a. einen globalen Fall von Ent-Täuschung dar.

In dem Film 25th Hour von Spike Lee wird dieser Ritt auf der Rasierklinge, der für diese Menschen Alltag wird und notwendig zu einer ganz eigenen Art von Autismus oder Tabuheit führen muss, eindrücklich portraitiert.