Samstag, Dezember 17, 2011

Anatomie der Talkshow

In der letzten Ausgabe der ZEIT findet sich ein schön geschriebener Artikel des Theaterkritikers Peter Kümmel, der sich alle Talkshows der ARD in einer Woche live angesehen hat.

"Man ahnt, das Manuela Schwesig schon viele Talkshows gesehen haben muss; sie weiß, wie man Applaus erzeugt. (...) Für Politiker aber ist es wichtig, sich mindestens zwei Mal pro Sendung einen Szenenapplaus zu sichern und das müssen sie so hinkriegen, dass niemand ihnen vorwerfen kann, sie handelten im eigenen Interesse. (...)
Sie warten auf eine Bemerkung, sie es ihnen ermöglicht, grundsätzlich zu werden und schrauben sich dann in eine feurige Empörung hinein ("da müssen alle parteipolitischen Spielchen ein Ende haben"), die sich so lange steigert, bis die Zuschauer erfassen, dass dieses Feuer mit anderen Mitteln nicht zu stoppen ist: Sie löschen es also mit Applaus.
Guido Westerwelle (...) zeigte sich stehts als ein Meister dieser Applausgenerierung, er hatte in jeder Talkshow einen Moment, in dem höchste Selbstverleugnung (es geht hier nicht um mich!) und äußerster Selbstgenuss (wer, wenn nicht ich, könnte es so klar sagen!) ineinanderfielen."