Sonntag, September 16, 2012

Gewöhnlich

Ulf Poschardt beschäftigt sich in der WELT mit Bettina Wulff, ihrem "Memoirenfragment" und vor allem ihren Tattoo. 
"Lieblos an den Oberarm getackert wirkt das abgestandene Tribal-Tattoo, weil es als Geste der Provokation keinen Hauch von Würde und Freiheit besitzt. Die aufgemotzte Fassade lässt die dahinter geduckte Gewöhnlichkeit noch kräftiger hervortreten. Im altmodischen Sinne nötigten Tattoos ihren Träger zu Versprechen, verrieten etwas von ihrem Innersten, legten falsche Spuren, drohten, wüteten, forderten Träger wie Betrachter heraus. Nicht im Falle des unvollendeten Tattoos der ehrgeizigen Blonden. "Das Tattoo hat keine bestimmte Bedeutung", verrät Bettina Wulff und wäre wahrscheinlich verblüfft, dass dies die eigentliche Bedeutung nicht nur ihres, sondern nahezu aller Tattoos in den Körperschaufenstern der bürgerlichen Mittelschicht ist. Es zeige ein "Stück Lebensgefühl", verrät Bettina Wulff, ein "Stück meiner Überzeugung", ein "Stück meines Ichs" – und damit gesteht die Autorin, dass weder Überzeugung noch Ich eine Bedeutung haben müssen."

Zum Thema auch zu empfehlen: Diedirch Diederichsens Analyse in der Süddeutschen Zeitung.