Dienstag, März 20, 2007

Max Goldt kann das besser

Eine immer wieder unterhaltsame Lektüre sind Partnerschafts und Heiratsannoncen. Nicht, dass man sich an der Einsamkeit seiner Mitmenschen delektierte, ganz im Gegenteil muss es das Ziel allen Strebens sein, dass jeder Pott seinen sprichwörtlichen Deckel finden möge, auf dass sich Zufriedenheit und entspannteres Verkehrsverhalten ausbreiten möge. Ausbreiten wie die schroffen Spitzen der zackigen Gebirgskette einer Marmorkuchen-Oberfläche sanft miteinander verbindender Schokoladenguss, und man fragt sich, wieso zu jeder Kleinigkeit ein entsprechender Passus in Parteiprogrammen zu finden ist, aber nirgends die Erklärung „Kein Mensch soll alleine bleiben!“ zu finden ist.

Oder weshalb sich für jeden noch so abwegigen Zusammenhang und Sachverhalt Verbände, Vereine und Arbeitsgemeinschaften finden lassen. Da finden sich neben unverzichtbaren und verdienstvollen Zusammenschlüssen, wie der Arbeitsgemeinschaft Qualitätsguß, der Akademie für Besonnung, der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Kachelofenwirtschaft, der Arbeitsgemeinschaft der Hersteller und Verleger von Glückwunschkarten (Man kann sich eine Vereinssitzung Anfang März vorstellen „..meine Damen und Herren … bevor die Workshops starten, hier noch mal für Sie zur Übersicht…in Raum 301 auf der 3. Etage trifft sich der Workshop 1 Innovationen im Bereich Fotomotive – Schluss mit Hasen und Eiern!“, Workshop 2, im Raum 302 direkt nebenan befasst sich unter der fachkundigen Leitung von Dr. Martin Kolmbaum mit dem „Sensation um jeden Preis –Faltkarten und Überraschungskarten (mit und ohne Elektronik)“, um neue Formate soll es im Workshop 3 gehen. Im Ankündigungstext heißt es „Wer hätte vor 40 Jahren gedacht, dass wir neben dem Postkartenformat derart viele Formate im Markt erfolgreich würden platzieren können? In diesem Sinne braucht der Grußkartenmarkt einen Paradigmenwechsel, fordert die AG Smarte Karte der Nachwuchsglückwunsch- und Grußkartenverleger“), also neben solchen Vereinen und anderen Arbeitsgemeinschaften wie der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Saxophonisten (Nach dem Niedergang von Stefan Mross – kann die Trompete uns noch gefährlich werden?), der Arbeitsgemeinschaft deutscher Junggärtner, dem Deutschen Flachdisplay-Forum im VDMA, der Bundesgütegemeinschaft Kompost ("The Compost Quality Assurance Organisation (BGK) is independent and neutral. She obliges herself only to Quality Assurance and has no other purposes or interests."), der Arbeitsgemeinschaft Ziegeldach, dem Bundesverband der implantologisch tätigen Zahnärzte in Europa, dem Bundesverband Estrich und Belag, dem Bundesverband der Leichtbetonzuschlag-Industrie, dem Fachverband Deutsche Speisezwiebel ("Als Clearingstelle haben wir alle Informationen, die Sie brauchen!"), der Fördergemeinschaft Dünne Schichten (die gerade in Zusammenhang mit der Diskussion um das abgehängte Prekariat vermehrt und irrtümlich zu Diskussionsrunden im Fernsehen eingeladen wurde), dem Kaugummi Verband (wer aber vom Lutscher nicht reden will, soll vom Kauen schweigen!), dem Kuratorium perfekter Zahnersatz (das Kuratorium nicht ganz perfekten Zahnersatzes hat sich nicht durchsetzen können), der Zentralstelle für den deutschsprachigen Chorgesang in der Welt, der Interessengemeinschaft Fett (Kurz: IG FETT), )dem Verband Vollpappe-Kartonagen, der Vereinigung Deutscher Riechstoff-Hersteller, der Vereinigung katholischer Priester und ihrer Frauen – neben all diesen wichtigen und relevanten Zusammenschlüssen finden sich auch so obskure Kuriositäten wie die Friedrich-Naumann-Stiftung, die Christliche Gewerkschaft Bergbau-Chemie-Energie, die Hochschulrektorenkonferenz oder der Rechtsanwaltskammer Celle, um nur einige zu nennen.

Der Anbahnung viel kleinerer und für den Privatmensch doch so viel wichtigeren Vereinigungen, wie der Partnerschaft und Heirat sind nun also in den Tageszeitungen entsprechende Anzeigen gewidmet, deren Lektüre eine stets garantierte Quelle der Unterhaltung und aufrichtiger Rührung sind. Besonders die kurz geratenen Anzeigen derer, die sich nur wenige Zeilen leisten können sind lohnenswert. Hier spielt sich auf wenigen Zeilen das Drama, die Zwänge begrenzt verfügbarem Platz mit der Fülle biographischen Materials zu versöhnen ab.

Die Ergebnisse der Versuche, in 2 Zeilen eine konzentrierte prägnante Darstellung der eigenen Person, Werdegang, Interessen, Hobbys und Ausbildung zu geben und dazu eine verständliche und dennoch ungwöhnliche und daher die Aufmerksamkeit der oder des noch nicht bekannten aber doch erhofften Lesers oder Leserin hervorrufende Formulierung zu finden, sind zumeist spannender und informativer als die immergleichen so genannten Nachrichten über Politik, wo doch nur wieder mal jemand seine Partei zur Geschlossenheit aufruft, irgendwer irgendwo hin fliegt, um mit jemand anderem in einer geschmacklosen Sitzecke vor künstlichem Kamin die Hand zu schütteln oder einer höher gesprungen, mehr Tore geschossen, weniger Platten verkauft, mehr Umsatz gemacht, häufiger geheiratet hat usw.

Schon die Überschrift muss sitzen. Immerhin erscheint die Annonce auf einer Seite, auf der ausschließlich Annoncen stehen und alle um potentielle PartnerInnen konkurrieren. Wer Außenministerin ist oder seine Wohnung mit Harvard Diplomen und Zeitungsartikeln gepflastert hat, in denen steht, dass man ausgebildete Konzertpianistin sei, kann es sich leisten, seine Partnerschaftsanzeigen subtil im Politikteil zu platzieren. Da findet sich dann ständig die Erwähnung, dass man allein stehend sei und man kann sicher sein, dass man im Umfeld von Berichten über Abrüstungsgespräche und Wirtschaftskonferenzen nicht mit der Masse kleinbürgerlicher Partnerschaftsherbeiwünschungslyrik sich vergesellschaften muss. Aber, diese Form der Partnerschaftsanzeige ist eben nur wenigen vergönnt. Also müssen die meisten in den Häuserkampf um die Aufmerksamkeit.

Lieber Elton John als John Zorn

Die ersten, zumeist fett gesetzten Wörter müssen den Leser oder die Leserin packen. Das kann man schon an den Schlagzeilen von Boulevard-Zeitungen studieren. Schon nach einigen Wochen aufmerksamen Schlagzeilenstudiums haben sie eine Liste guter Wörter mit hohem Aufmerksamkeitsevokationsfaktor zusammen: Nackt (alternativ/ergänzend: Sex, Oralsex, Hure, Boris Becker), Leiche (Alternativ: Leichenschänder, Tote, Mumie) Millionen (Alternativ/ergänzend: Goldbarren, Geld, Steuern, Teuer), usw. Wer das Prinzip der Bild-Titel verstanden hat, für den sind Partnerschaftsanzeigen ein Klacks. Jedoch aufgepasst: Was für die Schlagzeile von Boulevardzeitungen stimmt, funktioniert nicht unbedingt im Partnerschaftsanzeigensegment: „Boris Becker: nackte Leiche von Goldbarren-Steuer befreit“ wirkt bei der Bild auflagensteigernd, im Partnerschaftsanzeigenaufmerksamkeitsfeldzug jedoch evtl. kontraproduktiv.

Also, auch hier gilt, wie überall in der Gesellschaft: Individualität mit Maß, aus der Reihe tanzen – aber nicht zum Preis der Anschluss- und Rezeptionsfähigkeit des Mainstream. Lieber verschmitzt bieder, als zu weit aus dem Fenster gelehnt. Lieber Elton John als John Zorn.

Nun eröffnen sich verschiedene Modelle. Humoristisch-pfiffige Textanfänge bieten die Gelegenheit, Sachinformationen zur Person (z.B. Beruf) mit dem Hinweis zu transportieren, dass man durchaus mal fünfe gerade sein lässt: „Golferin sucht neues Handicap“, „Journalistin recherchiert nach dem Mann zum Gern- und Kinderhaben“, „Pianistin sucht die richtige Note“ usw. Einfallsreichtum rules! „pretty woman sucht ihren Richard Gere…“, „Zahnarzt bohrt nach Liebesglück“.

Ein anderes Mittel der Anzeigenrhetorik ist die gestellte Verzweiflung. Diese soll im Leser der Leserin eine Reaktion, eine Solidarisierung, einen Antwortimpuls auslösen: „Gibt es denn keine netten Männer mehr?“ Der Leser, donnert die Zeitung auf den Küchentisch: „Unerhört! Die Dame kennt meine Telefonnummer nicht. Ich will ihr diese und noch mehr stante Pede scribieren!“, „Will sich keine Frau mehr verwöhnen lassen?“ „Aber nein! Ich will mich verwöhnen lassen! ICH! ICH!“ ruft es aus tausenden Haushalten.

Wichtig ist: Nicht steif und sachlich, sondern locker und ungezwungen. „Hallo Du!“ Wie … ich? fragt sich der Leser und ZACK! hat man ihn gepackt. Oder scherzhafte Paradoxien, die den Adressaten über die Kante des Band 4 der SZ-Bibliothek anzwinkert: „Beamtin mit Humor und Tiefgang sucht…“ hihi…humorvolle Beamtin mit Tiefgang ..ich glaub es geht los … aber wenn eine die Quadratur des Reises behauptet, ist sie vielleicht GERADE lustig…ich schreib mal besser hin…Oder lyrisch „Du und Ich, gemeinsam, lachen, leben, lieben, Sonne, tausendSCHÖN, traumwahrsacht gehen in den Tag bis die Schmetterlinge der Sehnsucht den Horizont der Sehnsucht erreichen..."

Know the signs!

Alle Anzeigensprache dient dazu, die Durchschnittlichkeit zu überdecken, evtl. Schwächen zu kaschieren. „lebenslustige Vollblutfrau“ heißt „fette Trinkerin“, „romantischer Pfeifenraucher“ heißt „Sammler usbekischer Tierpornos“, usw. Es braucht schon einige Lektürezeit, die Chiffren zu deuten, die Siganle zu verstehen. Wenn das, was einem aus dem Spiegel anschaut, haarscharf am Ideal einer Heidi Klum vorbeisegelt, kann man andere Stärken forciert darstellen (Weltmeister im Schnupftabakschnupfen, leidenschaftliche Lexikonleserin, usw.) oder offensiv-ironisch werden „Münchnerin, Moppeltyp, 39 J., NR, völlig unattraktive, garstige, faule, dicke Bavarian-Native-Speaker sucht Mann mit viel Humor und Verstand.“ (Süddeutsche Zeitung, com 17./18. März, Chiffre 1827301)

Wichtig auch, dass man auf derselben Wellenlänge funkt: „Amüsieren Sie sich auch über Loriot? Dann könnten wir uns gut verstehen“ (Chiffre 1827089)

Bei manchen Formulierungen wird man allerdings nachdenklich: „Bitte nur ernst gemeinte Zuschriften“ heißt es da häufig. Deutet dies an, dass es Menschen gibt, deren Freizeitbeschäftigung nicht das S-Bahn-Surfen oder das Erstellen von Handy-Pornos ist, sondern das Ulk-Partnerschaftsanzeigenbeantworten? Dies ist ein grausames Hobby, dass die Not der Mitmenschen zum Zwecke der eigenen Humormaximierung bewirtschaftet und muss ein Ende haben!

Wenn man Texte liest im Stile von „Niveauvolle Frau sucht gutsituierten Mann“ freut man sich auf den Tag, an dem man endlich die Anzeige „Niveaulose Schlampe sucht unambitionierten Kiffer“ liest, was jedoch nicht zu erwarten steht, weil solche Begegnungen meist am Rande von Studentenpartys arrangiert werden.

Hat man sich mit dem spärlichen Platz einmal arrangiert und in gestaffeltem Auswahlverfahren geeignete Begriffe ausgewählt, gilt es nun, diese zu platzieren. Und auch hier ist Sorgfalt die beste Ratgeberin. Die Reihenfolge, in der die vom Anderen gewünschten oder von sich behaupteten positiven Eigenschaften aufgereiht werden, ist aufschlussreich und gibt Einblick in die Präferenzen.

Treue, häusliche Frau..“ heißt „bieder“ und jedes Jahr Urlaub in der immerselben Ferienwohnung auf Borkum. Da kann dann im hinteren Textteil noch so viel die Rede von der Leidenschaft für Bungee-Jumping mit morschen, von nicht vertrauenswürdig dreinschauenden Vertretern des fahrenden Gewerbes aus unaussprechlichen Regionen angebrachten Seilen, denen bei der letzten TÜV-Prüfung das Sigel „Die auf gar keinen Fall!“ verliehen wurde, sein. Das Urteil ist längst gefallen.

„Gepflegte Krankenschwester sucht…“ Man fragt sich – ist es nicht hauptsächlich an der Schwester andere zu pflegen? Oder hat sie vom Pflegen die Nase voll, so dass sie sich nun pflegen lassen will? Oder ist dies ein berufsinterner Jargon, mit dem im Schwesternzimmer davon die Rede ist, dass man nach einer Schicht so richtig gepflegt sei und sich nun gepflegt ein, zwei Bier reinlaufen lassen wolle..? Schön auch die Abstriche, die man zu machen bereit ist: „gerne adelig, gläubig“, „Katholiken auch ok..“

Traumfrau (adelig, aus vermögender Großindustr. Fam.) mit Model-Figur sucht...

Wenn Partnerschaftsanzeigen die Heimvideos unter den Anzeigen sind, sind die Annoncen „exclusiver Vermittlungsinstitute“, die für sich in Anspruch nehmen, Jet Set und internationales Unternehmertum zum Kundenstamm zu zählen, die Hollywood-Blockbuster. Hier wird ebenso die „Junge Alleinerbin (Mill.-Verm.) aus alter Guts-/ Unternehmerfamilie“ vermittelt, wie der Top-Unternehmer mit Welterfolg und aristo-Background.

Junge (27 J.) zauberhafte natürliche Schönheit mit langem seidigem dunklem Haar und attraktiver Modelfigur… die alle Blicke auf sich zieht! In intakter (verm.) Akademikerfamilie glücklich mit ausgeprägtem Selbstwertgefühl herangewachsen, nach Eliteausbildung und Studium – heute selbstbewusst, ausgeglichen und fröhlich mit ihren langen schlanken Beinen im Leben stehend. Facettenreich und begeisterungsfähig treibt sie gern Sport, liebt die Natur und Tiere, Schlemmer- und Kulturreisen, ist stets top-aktuell informiert und eine gewitzte Gesprächspartnerin. Sie freut sich auf alle Impulse, die von IHM kommen

Die Kundschaft dankt es, z.B. mit einem Gedicht

"An die Glücksfee und Gefolge:

Die Ärztin und der Manager – beide a. D.
und beide fit von Kopf bis Zeh

doch abhanden kam in dem Lebens Getriebe
der liebe Mensch für Nähe und Liebe.

Und weil Tag und Nacht nicht ausgebucht
wurde überall gesucht

doch letztendlich wurde nicht gezappelt
man traf sich mit Frau Appelt.

Und weil die Menschen alle sind verschieden
wurd viel Auswahl uns beschieden

doch wie im alten Märchen
plötzlich waren wir ein Pärchen.

Gott Kairos hat gewählt die richtige Zeit
für viele Stunden mit vertrauter Heiterkeit
jetzt wird aufgebaut die Zweisamkeit."

Lektüre-Spaß unter
www.christa-appelt.de
www.cpk-for-you.de
www.royalexclusiv.eu

Webseiten, die zeigen, dass auch in 100 Jahren noch genug zu tun ist für Designer und Webagenturen...