Montag, Januar 07, 2008

Wider die Brache

"Menschen wollen Fertigkeiten erwerben, um etwas, einen Prozess, ein Handwerk, zum Gelingen zu bringen." Richard Sennett

Der Gründer und Eigentümer der Drogeriemarktkette "DM" Götz Werner, der mit seinen Vorschlägen zur Einführung eines bedingslosen Grundeinkommens durch die Lande zieht, weist den Einwand, dass, wenn alle einfach so Geld bekämen und nicht mehr für ihr Einkommen arbeiten müssten, niemand mehr arbeiten würde, mit dem Hinweis zurück, dass dies eine Fehleinschätzung sei.

Zum Menschsein gehöre der Wunsch, der faustische Trieb, das Bedürfnis, produktiv, tätig, in der Welt wirksam zu sein. Es sei nicht die Natur des Menschen, untätig "auf der faulen Haut" zu liegen und wenn es diese Erscheinungen gebe, das Menschen nur im Viereck von Sonnenbank, Videothek, Mediamarkt und Fitness-Studio zirkulierten, dann handle es sich hierbei um eine Fehlentwicklung und man könne die anomischen Verwüstungen in den Seelen dieser Menschen und Milieus ja auch beobachten.

Der Mensch will - so Werners Annahme - produktiv, tätig und aktiv sein. Er will etwas "machen" und das "gut". Aktive auf die "Welt", als das, was Humboldt Nicht-Ich nennt, gerichtete Tätigkeit ist die Möglichkeit, in der der Mensch die Grenzen seines, ihn von der Umwelt abtrennenden Selbstseins überschreitet und sich in einer, das Material der Welt bearbeitenden, mit dem Material der Welt umgehenden Handlung mit ebendieser vereinigt, ohne das es dabei zu einer Verschmelzung kommt: Die Trennung bleibt erhalten. Aber in dem Prozess des weltbezogenen Handelns, in dem dabei entstehenden Produkt erwächst eine Repräsentanz einer symbolisch bleibenden Vereinigung, ein Zeichen dafür, dass man "da" ist.
Aus dieser Bedeutung des schaffenden Tuns als Bestätigung für das Vorhandensein des handelnden Menschen erwächst die sinnstiftende, Kräfte verfielfachende Bedeutung der Arbeit - und umgekehrt erklären sich daraus die seelenbeschädigenden der Untätigkeit.

Götz Werner wird immer die Frage gestellt, ob er nicht ein zu positiv romantisches Menschenbild habe, wenn er davon ausgehe, dass jeder Mensch produktiv sein wolle. Diesem Einwand begegnet Werner mit einem Zitat von Freiherr von Stein: „Zutrauen veredelt den
Menschen, ewige Bevormundung hemmt sein Reifen.“

Wer dem Menschen unterstellt, dass er faul sei, dass er durch Untätigkeit, durch nicht-mitmachen der Gemeinschaft seinen Anteil zu unterschlagen versucht, dabei aber Vorteile aus der Gemeinschaft (Sozialleistungen) entnehmen wolle und auf solchem Argwohn die gesellschaftspolitische Ordnung (mit Zwangsmaßnahmen und Kontrollen) aufbaue, generiert genau das Klima, das Menschen dazu motiviert in ein geradezu lauerndes Verhältnis zur Arbeit, zum Arbeitgeber zu gehen, und ein entfremdetes Verhältnis zu seiner Tätigkeit zu entwickeln, die er/sie als Lebenszeit konsumierend erlebt, als Raub des Arbeitgebers. Entsprechend werden Gegenmaßahmen entwickelt, wie sie von Corinne Maier in "Die Entdeckung der Faulheit" beschrieben werden.