Sonntag, Februar 25, 2007

Bataille bumst Berlin

In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung heute ein Artikel über Ariadne von Schirach, die im Herbst 2005 einen Artikel im "Spiegel" veröffentlichte, der Top-News zum Thema Sex (Erkenntnis-Kategorie: oversexed and underfucked, irgendwie sind die Typen zu metrosexuell und defensiv, her mit den süßen smarten Boys, die intelligent aber auch ganz Mann sind...) bereit hielt und kolumnen-smarte Formulierungen mit lebensstilsoziologischen Analysleinchen, die Neon-LeserInnen weder hinsichtlich ihres Inhalts noch ihrer Formulierung allzu seh überfordern bereithielt und damit ihre mainstreamability und also bankability signalisiert.

Ein Artikel, der laut FAS "für Furore sorgte, Literaturagenten neugierig machte und ihr so den Vertrag für ein Debüt verschaffte."

Man kann es den Literaturagenten nicht verübeln. Sie haben einfach nur die Production Values addiert, die von Schirach bietet: Sie ist nicht nur Enkelin eines Spitzen-Nazis, recht attraktiv geraten und studiert (Philosophie! So denken ... und so...), sondern auch noch über (hihi) Sex schreibt (uiuiui!).

Es handelt sich dabei um eine jener Publikationen, die es den Karaseks, Matuseks und anderen alten Seken (sorry...) ermöglicht, so nah an junge Mädchen heranzukommen, ohne sich direkt in eine Pornothek begeben zu müssen. von Schirach kombiniert kolumnenhaften Berlin-Stil, Proseminar-Namedropping mit pointiert gewollten Vulgarismen. Das gefällt und geht in Zeiten, in denen selbst Geiz geil sein soll, tatsächlich noch als "provokant" durch, was zeigt, in wie prüden Zeiten wir nach wie vor leben.

"Durch Erotik können wir Teil an etwas nehmen, das Bataillie als Kontinuität des Seins beschreibt, etwas das nicht religiös aber göttlich ist. Ficken als Gebet." Uhh...das F-Wort!
ROCK! AND! ROLL!

"Bei vielen Menschen ist es bereits eine Unverschämtheit, wenn sie Ich sagen."
T.W. Adornos. Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben

Schlimm wird es, wenn seine Pubertät mit anderen Mitteln fortsetzendes junges Gemüse von Verlagen die Bühne geboten bekommt, subjektive Erlebnisse für Repräsentationen soziologischer Kategorien zu halten und in Interviews ungebremst der Selbststilisierung nachgehen kann: "Sie verehrt Simone de Beauvoir, Walter Benjamin, Foucault, Houellebecq. Aber sie verschlingt auch Krimis und Fantasy." oder an anderer Stelle "Ich war ein sehr eigenwilliges, anarchistisches Kind und bin mit 14 aus dem Internat geflogen wegen Blasphemie und Drogen." Man erinnert sich an Zoe Jennys Erläuterungen schon in der Grundschule so weit gewesen zu sein, dass ihr "das System" zu eng wurde. Jaja...die Grundschule...das stahlharte Gehäuse.

Letztlich bleibt es enttäuschend, wenn Jugendliche ihre Tagebucherkenntnisse zwischen Buchdeckel pressen. Nach teilweise vielversprechenden Ausreißern und dem antriggern vermeitlicher Tabuzonen wird einem dann doch nur Konventionelles angeboten. Porno hier, sexy Night-Life da - am Ende ist es die Liebe, die uns alle rettet, "weil sie eine der letzten Verheißungen ist."

Tonnerwetter.