Nicholas Negroponte hat eine Vision. Als er in Kambodscha eine Schule gründete, eine Satellitenschüssel, Generatoren aufstellte und den Kindern Laptops gab, stellte er fest, das Menschen, die nie zuvor einen Computer gesehen hatten, nicht einmal Elektrizität kannten, innerhalb kürzester Zeit die Rechner benutzen lernten, einander Dinge erklärten und zeigten. Die Kinder nahmen die Computer mit nach Hause und brachten ihren Eltern bei, was sie gelernt hatten. Die Schülerzahlen stiegen rapide an, sobald bekannt geworden war, dass man dort m den Laptops arbeiten könne. Negroponte dachte sich, wie es wäre, wenn jedes Kind sein eigenes Laptop hätte, dass es wie ein Schulbuch oder eigene Stifte behalten und verwenden könne.
Gerade in Entwicklungsländern, in denen es kein ausgebautes Bildungssystem gibt, zu wenig Lehrer, nicht ausreichendes Lernmaterial, könnten Laptops eine Möglichkeit sein, das unerschöpfte Bildungsreservoir zu mobilisieren.
Jedoch wurde schnell klar, dass die gängigen Computer für Regierungen zu teuer und den Bedingungen in Entwicklungsländern nicht angepasst waren. Also formulierte der ehemalige Gründer und Direktor des Media Lab am renommierten MIT eine Visision: Die Entwicklung eines Laptops, dass robust genug ist, unter den besonderen Bedingungen der Entwicklungsländer zu bestehen, dicht gegen Wasser, Sand und Schmutz, besonders stoßfest, ein Display, dass man auch im Freien und in der Sonne verwenden kann und das v.a. billig genug ist, dass Entwicklungsländer sie massenhaft kaufen können, so dass jedes Kind sein eigenes Laptop bekommt.
Diese Vorstellung stand bei der Namensgebung des Vorhabens denn auch Pate: One Laptop per Child, OLPC, heißt das Vorhaben, dass als eine offene, weltumspannende Community ohne öffentliche Gelder arbeitet und keine komerziellen Absichten verfolgt.
Negroponte gelang es, den größten Laptophersteller der Welt, Quanta zu gewinnen. Dieser würde mt der Massenproduktion beginnen sobald bezahlte Vorbestellungen in Millionenhöhe vorlägen. Also musste Negroponte Klinken putzen und Regierungen für sein Projekt gewinnen.
Anfangs wurde Negroponte kritisiert oder belächelt. Intel-Chef Craig Barrett lästerte über das 100-Dollar-Gadget. Hintegrund dürfte nicht zuletzt die Tatsache gewesen sein, dass das 100-Dollar-Laptop oder kurz "XO" nicht mit Intel-Chips arbeitet.
Irgendwann dürfte aber auch Barrett aufgefallen sein, dass er dabei war, einen potentiellen, riesigen Markt an die Open Source Bewegung zu verlieren. Millionen Jugendliche in den Entwicklungsländern drohten mit dem XO, Linux und anderen Open Source Produkten aufzuwachsen. Potentielle Wartungsverträge und Lizenzen mit ganzen Kontinenten würden nicht zu Stande kommen. Also entwickelte Intel das Konzept für einen proprietären Zwilling des XO: Den Classmate.
Der Chipgigant setzte seine gewaltige Infrastruktur und Mittel in Bewegung, um verlorenen Boden wieder gut zu machen. Es wurden Regierungen lockende Angebote gemacht, um bereits gegebene Absichtserklärungen für das XO zu unterlaufen. Negroponte warf Intel vor, ausschließlich Gewinninteressen zu verfolgen und das OLPC Projekt durch negative PR zu schädigen. Die Aktivitäten von Intel (in der Zwischenzeit hat auch Asus mit dem Eee PC ein eigenes Modell auf den Markt gebracht) blieb nicht ohne Auswirkungen. Es gelang Negroponte nicht, einen verbindlichen Deal auf die Beine zu stellen, der Zeitplan des Projekts musste permanent verändert, der Preis des XO nach oben korrigiert werden.
"Ich habe zu einem gewissen Grad den Unterschied zwischen dem Handschlag eines Regierungs-Chefs und dem Unterschreiben eines Schecks unterschätzt.", erklärte Negroponte der New York Times
Um den Projekt neuen Schub zu geben, startete OLPC zuletzt die "give 1 get 1" Kampagne, bei der für eine kurze Zeitspanne das XO in Nordamerika auch im normalen Handel für 200 Dollar gekauft werden kann. Von den Einnahmen sollen Laptops für Entwicklungsländer finanziert werden.
Nur einer kann gewinnen, bzw. zwei gehen rein - einer kommt raus.
Der Classmate von Intel (links) gegen das XO von OLPC (rechts)
Der Classmate von Intel (links) gegen das XO von OLPC (rechts)
Die Auseinandersetzungen von Intel und OLPC nahmen eine unerwartete Wende, als Intel der OLPC Initiative beitrat. Damit gab Intel aber nicht seine Classmate-Pläne auf und wenn man nun liest, dass Intel genau einen Tag, nachdem OLPC den ersten verbindlichen Deal mit Urugay bekannt gegeben hat, verkündet, seinen Classmate ausgerechnet an Nigeria und Libyen zu verkaufen, die bislang immer als heiße Kandidaten für das XO genannt wurden, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier der Bock zum Gärtner gemacht wurde.
Ein Bock, der gleich in mehrere Gärten das Kommando führt. Denn ausgerechnet Barrett ist auch Chairman der "UN-Initiative Global Alliance for Information and Communication Technologies and Development" (GAID)" und empfiehlt bei der "Connect Africa" - oh Wunder" - dass Afrika auf die Funktechnologie Wimax setzen möge, die zufällig auch zum Kerngeschäft von Intel gehört.
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