Die Bild-Zeitung pflegt einen eigenen Stil. Von zu Wenigen wegen Verleumdung und der steten Bereitschaft, die Menschenwürde der Auflagensteigerung zu opfern, gehasst von zu Vielen wegen der zur besonderen Kunstfertigkeit hochgejazzten Schlagzeilerei ("Wir sind Papst") raunend anerkannt und insbesondere von Politikern und anderen an "die Öffentlichkeit" drängenden Personen als unvermeidlicher Lautsprecher hingenommen und in einem Schmarotzer/Wirtstier Verhältnis benutzt, bei dem die Rollen häufig wechseln und man kaum erkennen kann, ob Bohlen, Otti Fischer, Merkel oder Dieckmann gerade oben sitzen und wer wen reitet.
Anyhoo. Die Bild ist Papier gewordener Jahrmarkt und lebt v.a. vom Prinzip "Zurschaustellung": Seien es die Taten, Leistungen, Ausrutscher berühmter Leute, aufsehenerregende Ereignisse, Unfälle und überhaupt alles, was den Volkskörper am Tresen zum Vibrieren bringt. Das erklärt das Nebeneinander von Seite-1-Mädchen, Text- und Bildarbeit, die immer den kürzesten Weg zur klebrigen Doppeldeutigkeit sucht, neben krokodilträniger Wertedeklamation und Papsthofierung die Ruf-mich-an-Anzeigen "notgeiler Omas", die "Abspritzgarantie" versprechen platziert, stammtischgerechtigkeitsrigoristische Vergewaltigerprozessberichterstattung neben anzüglicher Darstellung des Vorgangs, so dass das Publikum im Gestus der Empörung und Verurteilung nicht auf einen pornographischen Mehrwert verzichten muss.
Zum Zwecke der Erregung genügt Bild auch oft Spekulation ("HAT SIR PAUL SEINE FRAU MIT EINER STANGE BLUTIG GESCHLAGEN?"), die sich völlig von Recherche und Stichhaltigkeit entkoppelt hat. Einen neuerlichen Tiefststand erreichte die Bild, als sie während der Entführung der deutschen Archäologin Susanne Osthoff im Irak mit der spekulativen Titelzeile "Wird sie geköpft" aufmachte und dabei unverkennbar das noch nachhallende Entsetzen der Welt über die auf Video aufgezeichnete und im Internet verbreitete Enthauptung des Amerikaners Nicholas Berg publizistisch zu bewirtschaften versuchte. Der ZEIT-Herausgeber Michael Naumann sprach seinerzeit von "Schweinephantasien" und von einer "Extra-Ausgabe der Morallosigkeit dieses Zentralorgans des moralischen Analphabetismus".
Heute erfreut die Bild uns wieder mit einer weiteren solchen Sonderausgabe des moralischen Analphabetismus, eines den Raum des absonderlichen, abstoßenden, kriminellen, pornographischen bis zum gehntnichtmehr auslotenden Journalismus, der sich nicht darauf beschränken will über Geschehenes unter Rückgriff auf vorliegendes Bild- und Tonmaterial sowie Rechercheergebnisse zu berichten, sondern auch auf spekulative Inszenierungen zurückgreift, um aus einer Meldung einen publizistischen Mehrwert herauszuholen. So berichtet die Bild heute in ihrer Online-Ausgabe:
Nicht aufgefallen? Etwas näher also:
Es genügt der Bild nicht, dem Leser mit illustrativen, in Großbuchstaben gesetzten Beschreibungen einen wohlig-gruseligen Schauer den Rücken herunterlaufen zu lassen.
Für diejenigen, denen das Lesen nicht reicht, hat BILD-Zeichner Thomas Kuhlenbeck dankenswerterweise eine Illustration erzeugt.
Kuhlenbeck greift häufiger für die Bild zum Pinsel, und seine Galerie umfasst einige Exemplare des "So muss es ausgesehen haben"-Genres, z.B. die bekannten Frühwerke:
"Mädchen (2) von Gepäckband verschluckt" oder "Junge (16 Monate) liegt drei Tage neben toter Oma"
Noch Fragen? Falls ja, bitte hier nachschlagen: