Unlängst machte der Protest der Kölner Kulturszene gegen den geplanten Abriss des Schauspielhauses Schlagzeilen. Der Neubau wird aus vielen verschiedenen Gründen, u.a. auch von der Intendantin des Schauspielhauses, kritisiert. Das kostspielige Vorhaben dürfte die bei Bauprojekten nicht gerade erfolgreichen Domstadt derartig in die finanzielle Klemme bringen, dass Kürzungen in anderen Bereichen unvermeidlich sein werden. So wird befürchtet, dass man am Ende ein modernes Haus hat aber nicht die Mittel, um es entsprechend zu bespielen.
Seit Monaten mobilisiert der "Kölner Komment" mit Diskussionsveranstaltungen und Plakaten im Lokalmagazin Stadtrevue für das Thema, das bislang mehr oder weniger im toten Winkel der Bevölkerung und der eher den neuesten Produkten von Apple ihre Aufmerksameit schenkenden Kulturszene, den gemächlichen Gang der administrativ-politischen Umsetzung ging. Entsprechend irritiert bis genervt reagiert die Politik auf das Sand im Getriebe. Nach all der Zeit, die über das Projekt verhandelt und diskutiert wurde nun auf einmal das stadtpolitische Interesse entdecken? Das soll nicht sein.
Indes formiert sich wachsende Gegenwehr, die mehr will, als dekorative Protestfolklore: So sammelt die Initiative Köln kann auch anders Unterschriften für ein Bürgerbegehren, mit dem der beschlossene Neubau der bankrotten Stadt noch aufgehalten, bzw. wenigstens neu verhandelt werden soll.
Ihr seid Künstler - und wir nicht!
Da der Kölner anfürsisch nicht so sehr dem Typus mündiger Bürger, sondern eher dem Modell schunkelnder Jeck entspricht (und sich z.B. - so ein Gag der laufenden Stunksitzung - nur deshalb zum großen Protest gegen Pro Köln hat mobilisieren lassen, weil bei der Demo die Höhner spielten.), ist es nur folgerichtig, dass der Protest im Karneval präsent ist. So wurde in der vergangenen Woche ein Wagen der Initiative "Ihr seid Künstler - und wir nicht" vorgestellt, der im Rosenmontagszug mitfahren wird. Der Wagen zeigt das Opernhaus, beklebt mit Figuren aus dem Kölner Stadt- und Kulturleben, das Schauspielhaus als kleines rotierendes Objekt vorneweg.
Gezogen von zig Künstlern und Aktivisten fuhr der Wagen vom Kunsterverein zum Schauspielhaus. An der Spitze der Initiator und gebürtige Österreicher Merlin Bauer ("Liebe Deine Stadt"), der mit dieser neuerlichen leidenschaftlich sich für die Stadt engagierenden Aktion mal wieder zeigt, dass die Immis nicht selten die besseren Eingeborenen sind. Neben ihm zogen unter anderem Festkomitee-Präsident Markus Ritterbach, Christoph Kuckelkorn, Bestatter-Tycoon und Chef des Rosenmontagszugs, sowie Achim Kaschny, Präsident der Karnevalsgesellschaft "Schnüsse Tring" - die den Protestwagen im Rosenmontagszug übernehmen - am sprichwörtlichen einem Strang.
Überhaupt die Unterstützer. Man hat dieser Tage den Eindruck, dass das Begehren vor lauter Solidaritätsadressen - der lokale Zeitungspatriarch Neven DuMont ist ebenso dabei, wie der FC Köln - und Sympathiebekundungen nach den Gegnern wühlen muss.
Aber die werden sich sicher finden lassen. Denn wer so geschmäht wird, wie in dem eigens verfertigten deftigen Protestlied, wird nicht mit Gegenwehr geizen. Der stadiontaugliche Song ironisiert das von den Protestierenden der Politik unterstellte verdrehte Kunstverständnis in der Domstadt: "KVB? Dat is Kunst! Messehallen? Joo, dat is auch Kunst! Richter? Richter? Ach DER! Neee, dat is keine Kunst - der Mann ist doch Glaser!".
Vor dem Schauspielhaus erklärte Stefan Kraus, Direktor des Kunstmuseums Kolumba: "Wir wollen der Stadt helfen, Geld zu sparen." Köln sei eine "mittelgroße Stadt, die pleite ist, aber ihren Reichtum nicht erkenne". Der Neubau des Schauspielhauses sei ein weiteres Beispiel einer "Maßlosigkeit, die uns neben dem Abriss der Kunsthalle eine U-Bahn beschert, bei der das unausgewogene Verhältnis von Kosten und Nutzen, von Wollen und Können besonders deutlich wird".
Bis Mitte März werden noch an verschiedenen Punkten der Stadt Unterschriften für das Bürgerbegehren gesammelt. Über den Stichtag der Unterschriftensammlung hinaus wird interessant zu beobachten sein, inwiefern dieser konkrete Anlass zur einmischung in die Stadtpolitik und das vehemente Einfordern von mehr Transparenz die Initialzündung für eine kontinuierlich aktivere Öffentlichkeit sein wird.
Anlass gibt es genug. Trienekens, Messehallen, Stadtarchiv/KVB - die Liste der als Kölner Folklore verniedlichten Schlampereien, Schiebereien und Plünderungen öffentlicher Kassen lässt sich beliebig verlängern. Bislang wurde und wird allerdings nur am Thekentresen und in privaten Runden gezetert und geschimpft und der Protest gegen den Filz rechten Claqeuren überlassen. Bleibt also abzuwarten, ob sich hier eine nachhaltige Bürgerbewegung formiert, die in die bestehenden Parteien hinein agiert oder eine neue Gruppierung bildet - oder ob am Aschermittwoch schon wieder alles vorbei ist.