Sonntag, Januar 13, 2008

Sex und Hitler gehen immer

Der neue Spiegel-Titel steht fest und - Potzblitzkrieg! - es ist zur Abwechslung mal der Hitler Adolf auf dem Titel! Man hat den Eindruck, der österreichische Aqualrellist sei häufiger Titelmieze als Heidiklum und Seal oder Helmut Kohl. Kein Wunder, dass manch oberflächlich informierter Mensch aus dem Ausland beim Studium der SPIEGEL-Titel den Eindruck bekommen könnte, in Deutschland würden noch immer die Braunhemden regieren, weswegen Harald Schmidt in der ersten Ausgabe seiner Sendung bei der ARD auch unsere englischen Freunde darauf hinwies, dass - auch wenn man bei Betrachtung der SPIEGEL-Titel einen gegenteiligen Eindruck bekommen könne - die Deutschen keine Nazis mehr seien.

Sex und Hitler gehen immer

Was würde der Spiegel nur ohne Hitler und WKII machen? Scheinbar stehen die Deutschen, bzw. die Herrenreiter in der Spiegel-Redaktion auf "das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte", wenn es nur von Christian Brückner vorgelesen wird oder vom Spiegel bebildert wird. These: Die Deutschen - und der Rest der Welt - steht so auf Hitler, WKII und NSDAP, weil es die volle Entfaltung und Umsetzung eines Prinzips ist, das alle Aspekte des Lebens komplett durchwirkte und in unterschiedlichsten Erscheinungsformen durchdekliniert wurde. So wie die Industrie von der analen Sammelwut lebt, mit der alle Franchise-, Merchandise- und Satellitenprodukte zu einem Film, Popstar oder Spielzeug von den Fans gekauft werden, scheint es, als würde mit der Faszination nach der permanenten Darstellung eines immer neuen Details, einer immer weiteren Variation des Nazismus in Kleidung, Literatur, Presse, Verwaltung, Justiz, usw. Quote gemacht.

Jedenfalls scheint es in der Spiegel-Redaktion nur zwei Optionen für den Titel zu geben: Hitler oder "irgendein Thema, das man mit 'ner nackten Ilse illustrieren kann", oder, wie Fritz Göttler es in der Süddeutschen auf den Punkt brachte: Sex und Hitler gehen immer.

Das Projekt "Spiegelstudien" hat die oft gelobten (warum eigentlich?) und in der Vergangenheit sogar museal ausgestellten Spiegel-Cover thematisch geordnet und verschafft auf diese Weise einen Überblick über zwei Dutzend Spiegel-Cover mit Adolf Hitler allein aus den Jahren 1994 bis 2004.


Die Omnipräsenz des Nazismus in den Medien verschanzt sich dabei zumeist hinter der Behauptung der Aufarbeitung und Aufklärung, die jedoch nur vorgeschobene Erklärung sind, das vorhandene Material permanent neu zu strukturieren und in immer neuen Dokus zu Hitlers Architekt, Hitlers Generälen, Hitlers Journalisten, Hitlers Frauen usw. zu verknoppen.

Das Frankfurter Satire-Magazin Titanic, von der Art und Weise der spekulativen Geschichtsintepretation im Stile des was-wäre-wenn ("Counterfactual History") animiert, in einer Ausgabe imaginiert, wie ein Programmtag aussähe, wenn Guido Knopp ("gilt unter Historikern längst so viel wie Jürgen Fliege unter Bibelforschern") nicht nur Redaktionsleiter, sondern Programmdirektor des ZDF wäre. Sie hier...

"Den Deutschen im „Dritten Reich“ sind vor allem zwei Unterlassungen vorgeworfen worden: ihr Schweigen und ihr Wegsehen. Wie zur Kompensation dieses Umstandes schweigt das Knopp-TV nie, seine Passion ist das Betexten und das Hingucken. Verheerend ist, dass es den Knopp-Filmen die tumbe Bildlegenden-Sprache nie verschlägt, dass sie nie aus ihrem Magazin-Rhythmus fallen. Die Technik des Allesverbindens und Allesüberblendens führt zu einer Simulation von Zusammenhang, zu einem Geschichtsbewusstsein des Hörensagens, zur Zerstäubung aller Kausalität. Den Deutschen im „Dritten Reich“ wurde vorgeworfen, sie hätten aus Selbstschutz eine Lebensform des Halbwissens kultiviert. Aber verhält sich nicht geradezu komplementär zum Verdrängten und halb Gewussten der Nazizeit das raunend „Halbgeschehene“ der Knopp-Filme? Die Rekonstruktion ungesehener Vorgänge nach dem Schema von XY – Ungelöst?" (Die Zeit)

Es gibt Internetseiten, auf denen in weißer Schrift auf weißen Grund zu Hauf Schlüsselbegriffe und Reizwörter (Sex! Gratis!) aufgelistet sind, um die Google-Roboter zu überlisten und Surfer auf die eigene Seite zu führen. Bei dem Gala-Konkurrenzblatt aus Hamburg mit den noch zu wenigen Bildern gibt es scheinbar ein ähnliches Prinzip und das heißt: Hitler, Hitler, Hitler, Hitler, Hitler, Hitler, Hitler, Hitler, Hitler, Hitler, Hitler, Hitler, Hitler, Hitler, Hitler, Hitler, Hitler, Hitler, Hitler, Hitler, Hitler, Hitler, Hitler, Hitler, ...

Rache für den geklauten Bart in der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung
Ein Volk in der Zeitmaschine in der Online-Ausgabe der Zeit
HitlerSpiegel bei reticon