Montag, Januar 14, 2008

Zapping

Beim Sport 10 Minuten auf Pro7 die vermutlich als Sitcom gemeinte Zumutung "Volles Haus" gesehen, die wieder einmal den Beweis antritt, dass a) Deutsche kein Fernsehen b) nicht lustig c) kein lustiges Fernsehen können und d) noch der letzte Scheiß sich versendet. Wenn man die 10 Minuten durchgestanden hat, muss man sich klarmachen, dass irgendjemand Geld dafür bekommen hat, solche, durch künstliches Gelächter als Scherz gekennzeichnete Dialoge aufzuschreiben und andere wiederum Geld dafür bekommen, diese schlechten Sätze so schlecht wie möglich aufzusagen.

Dialogbeispiel 1:

Tuckiger älterer Typ "Ich schreibe ein Musical!"
hübsches Dummchen:
- Aus dem Off: Gelächter -
TäT "Zwischen den Zeilen geht es auch um Liebe, ja"
hD:
- Aus dem Off: Gelächter -

Dialogbeispiel 2

TäT "... das Stück, was ich damals schrieb, war ein schönes Kleinod..."
hD < ...NEIN ... das war RIESENod!>
- Aus dem Off: Gelächter -

Wie schreibt Wiglaf Droste in solchen Fällen immer? Das haben Menschen aufgeschrieben, andere Menschen haben es aufgesagt und wurden dabei von anderen Menschen gefilmt (die ihr Handwerk ganz ordentlich verstehen, was die Kluft, die zwischen der Professionalität der hier stattfindenden Filmerei und der "Textaufsagerei" umso deutlicher machte) und Pro7 hat das am 13. Januar gesendet.

Auf pro7.de lesen wir: "„Volles Haus“ erzählt von drei Generationen, die zusammen in einem Haus in Köln wohnen. Ihre unterschiedlichen Sichtweisen auf das Leben führen ständig zu Konflikten. Aber wenn es darauf ankommt, können sie zusammenhalten." Keine weiteren Fragen - Ihr Zeuge. HBO übernehmen sie!

Gestern 5 Minuten bei "Anne Will" reingezappt (zwischen "Die Bourne Identität", der im Gegensatz zu den beiden Folgefilmen hervorragend ist und einen der härtesten Film-Zweikämpfe ever und - nach den Verfolgungsjagden in Ronin selbstverständlich, und man komme hier bitte nicht mit French Connection - eine der adrenalinstärksten Autofahrten durch Paris im Angebot hat) und es nicht länger ausgehalten, der Namenspatronin beim überfordert sein zuzuschauen.

Es ist so offensichtlich, dass die Herren Polittalkshowroutiniers (in diesem Fall Westerwelle und ein sehr gut aufgelegter Olaf Scholz, der in einem Unbeeindrucktsichzeigen-Wettbewerb vordere Plätze belegen würde) ihr bei weitem überlegen waren.

In dem kurzen Ausschnitt der von ihrer eigenen Firma produzierten Sendung, der uns entgegenstrahlte, nahm Olaf Scholz Westerwelle in ein lustiges Kreuzverhör. Munter ging es hin und her und als man sich gerade fragte, ob die Moderatorin wohl mal eben auf Toilette gegangen sei, sah man sie am Bildrand ihre Karten sortieren. (Sendung kann HIER online gesehen werden) Kann es sein, dass Anne Will im Fernsehen gut Beiträge anmoderieren oder selbst gestalten kann, aber nicht unbedingt Gespräche in diesem Format leiten kann? (Zum Thema auch: "Das war doch einmal eine richtige Farce, am Sonntagabend bei Anne Will im Ersten. Und wir dürfen sagen, wir sind dabei gewesen." Fernsehkritik in der FAZ)

Dann immer wieder bei Phoenix in den Dokumentarfilm "Gysi und ich" reingeschaltet. "Der Filmemacher Maik Bialk ist von Gregor Gysi seit langem fasziniert. Er ist für ihn Stimme und Gesicht der Linken und nicht zuletzt auch ein "Held". Aber gibt es heute überhaupt noch "Helden", insbesondere unter Politikern? Der Filmemacher beobachtet Gysis politische Aktivitäten, seinen Umgang mit politischen Fragen und den Menschen, mit denen er in Berührung kommt. Er sucht nach dem "Helden" in dem von ihm bewunderten Politiker. Der Film verzichtet bewusst auf Interviews mit dem wortgewandten Politiker, mit Parteifreunden und politischen Gegnern. Er entscheidet sich konsequent für den subjektiven Blick, ohne die kritische Distanz zu Gysi zu verlieren." lesen wir bei Phoenix.

Wir erleben - gerafft - den alltäglichen Marathon durch Bierzelte, Ortsvereine und Altenheime (eine rührend, tragikomische Szene, wenn Gysi etwas deplaziert in einem Altenheim bei einer ewig alten Frau am Tisch sitzt und Smalltalk versucht, der endgültig bizarr wird, wenn die Pflegerin die locker gemeinten Sätze der betagten Dame ins Ohr brüllen muss. "ALS SIE NOCH JUNG WA-REN GAB'S DIE WEI-MA-RER RE-PU-BLIK NOCH!" ) die endlosen Fahrten im Auto, bei denen Gysi, versucht, trotz des dauerdudelnden Radios des treuen Fahrers, Akten durchzuarbeiten.
Ein schöner Moment, wenn man Gysi am Ende eines langen Tages im Studio der Polittalkshow "Berlin Mitte" neben Michael Glos, qua Parteienzugehörigkeit so etwas wie ein "Erzfeind", wenngleich beide dem Sozialismus entsprungen sind, sitzen sieht und die beiden locker und entspannt miteinander scherzen und plaudern, weil sie als Spitzenpolitiker zu dem Kreis derer gehören, die einschätzen können, was es heißt, diesen Job zu machen und mehr miteinander gemein haben, als beisppielsweise mit den Ortsvereinsnasen aus der Provinz.