Immer wieder wird in der Öffentlichkeit über die Macht des Internet-Suchmaschinenbetreibers Google berichtet und diskutiert. Seit dem Start vor zehn Jahren ist Google zum Marktmonopolisten geworden. Das Wort "googlen" ist mittlerweile das Synonym für die Suche nach Informationen im Internet. Folglich wächst dem Unternehmen, dass den Algorythmus, auf dem basierend die Suchergebnisse erstellt und gelistet werden, hütet wie die Cola-Rezeptur, eine dominante Stellung zu: Wer bei Google nicht auf den ersten beiden Seiten erscheint, existiert praktisch nicht.
Insbesondere Datenschützer und kritische Netz-Organisationen bemängeln Googles Informationspolitik zum Umgang mit Nutzeranfragen und Kundendaten. Es wird befürchtet, dass das Unternehmen Suchanfragen und die im Rahmen der vielen Google-Anwendungen wie wie z.B. dem Blog-System Bogger, Google-Health, Google-Text und Tabellen, Google-Maps etc.) anfallenden Informationen speichert und für sinistre Zwecke bündelt, miteinander kombiniert und auswertet.
Schon jetzt macht Google mit dem Wissen über seine Nutzer Geld und bietet den Werbekunden an, ihre Botschaften passgenau an die richtigen Abnehmer und Zielgruppen zuzustellen. So durchforstet das Google-Mailprogramm "Googlemail" automatisiert die verschickten Texte und blendet beim Empfänger Werbung ein, die an Schlüsselbegriffen in den Mailtexten angepasst sind. Berichtet man in einer Mail über den schönen Urlaub in Griechenland wird folglich Werbung von Hotels in Griechenland, Billigflügen nach Athen oder Sprachkurs-CDs Griechisch eingeblendet.
Nun hat Google die anfallenden Datenmassen zu einer weiteren, scheinbar v.a. hilfreichen Anwendung gebündelt: Google Flutrends bildet Suchanfragen zu Grippe-Symptomen geographisch ab. Durch diese Lokalisierung sollen mögliche Grippe-Epedemien frühzeitig erkennbar werden.
Die dahinter stehende Annahme liegt auf der Hand: Wenn Menschen krank werden, erste Erkältungssymptome zeigen, googlen sie die Symptome. Wenn Suchanfragen zu entsprechenden Schlüsselbegriffen wie "Schnupfen", "Kopfschmerzen", "Grippe" etc. in einer Region signifikant zunehmen, darf vermutet werden, dass hier eine Grippewelle im Ausbruch begriffen ist.
Eine sinnvolle Anwendung. Dennoch: Google Flutrends ist nur ein neuerliches Beispiel dafür, wie aus Daten durch Kombination Informationen werden. Dieses Potential hat durchaus kritische Komponenten.
Im Rahmen der Debatte um die Patientenkarte, eine Chip-Karte für Krankenversicherte, ging und geht es um die Frage, was hier gespeichert werden soll. Es gibt Forderungen, Diagnosen, Krankheitsverläufe oder auch Bluttyp, Erbkrankheiten usw. auf dem Chip zu speichern. Dadurch würde vermieden, dass Daten mehrfach erhoben würden, eine zielgenauere Behandlung würde ermöglicht etc. Aber ebenso wäre denkbar, dass z.B. private Krankenversicherungen diese Informationen nutzen, um ihre möglichen Kosten zu reduzieren, in dem sie per se Menschen mit der Veranlagung zu bestimmten Krankheiten ausschließen. Von hier aus, lassen sich viele Einzelinformationen vorstellen, die in anderen Verwendungskontexten ihre Harmlosigkeit verlieren und deutlich machen, was Privatsphäre wert ist: Man stelle sich vor, man arbeitet für einen kirchlichen Träger, aber dieser kann in Erfahrung bringen, für welche Bücher, Filme oder sonstige Themen man sich interessiert.
In dem Film Se7en (Sieben) ermittelt der von Morgan Freeman gespielte Detective eine kleine Gruppe in Frage kommender Verdächtiger, indem er eine Reihe von Buchtiteln zusammenstellt, die zum ideologischen Hintergrund einer Mordserie passen und vom FBI, das diese Daten erhebt und speichert, überprüfen lässt, wer zuletzt diese Titel in öffentlichen Bibliotheken ausgeliehen hat.
Es zeigt sich: Je mehr Daten auflaufen und je valider die abgeleiteten Muster und Typologien werden, desto problematischer wird der Aspekt des Umgangs mit ihnen. Allein der Anwender kann hier durch einen kontrollierten und kritischen Umgang mit Daten und Informationen entscheiden, wie wichtig ihm seine Privatsphäre ist.
(NT/heise/SZ/reticon - Bild: giselaroyo, SXC)
Zum Thema auch: Stasi 2.0 und Desinformation