Die Süddeutsche Zeitung überrascht heute im Medienteil mit einem unkritischen Interview der ultrarechtskonservativen Kolumnistin Ann Coulter (siehe hier und hier), in dem sie unkommentiert ihr Gift verspritzen kann: "Heute ist Liberalismus eher Plutokratie. Es sind einfach reiche Leute, die sich über Sachen Gedanken machen, für die sich normale Leute nicht interessieren. So etwas wie Schwulenehe."
Coulters Bücher mit Titeln wie "Wie man mit Liberalen spricht (wenn man es denn unbedingt muss)" oder "Wenn Demokraten Hirn hätten, wären sie Republikaner" liegen auf den Bestsellerlisten immer vorne. Die Gallionsfigur der konservativen Rechten schockiert immer wieder mit ihren hasserfüllten, verunglimpfenden, hetzerischen Äußerungen.
In einem Interview mit dem New York Observer erklärte Coulter zu dem US-amerikanischen Attentäter Timothy McVeigh, der 1995 einen in Oklahoma City einen Bombenanschlag auf ein regierungsgebäude verübte und dabei 168 Menschen tötete und über 500 verletzte: "Ich bedaure nur, dass Timothy nicht zum Gebäude der New York Times gegangen ist." ("My only regret with Timothy McVeigh is he did not go to the New York Times Building."). "Liberalismus und Terrorismus - unterschiedliche Stadien derselben Krankheit." In ihrer Kolumne drei Tage nach dem Anschlag auf die World Trade Center am 11. September schrieb Coulter "Wir wissen, wer diese mörderischen Irren sind. Es sind diejenigen, die jetzt tanzen und jubeln. Wir sollten in ihre Länder einmarschieren, ihre Führer umbringen und sie zum Christentum bekehren." (We know who the homicidal maniacs are.They are the ones cheering and dancing right now. We should invade their countries, kill their leaders and convert them to Christianity.")
Anhänger wie Gegner lesen ihre Bücher, hören ihre Lesungen und Vorträge. Es gibt sogar eine eigene Spielzeugpuppe, die auf Knopfdruck Ann-Coulter-Zitate von sich gibt. Auch in Fernsehshows ist sie ein immer gern gesehener Gast. Mit ihren polarisierenden Ansichten, die sie nicht selten pointiert formuliert, den garantierten Ausfällen und Beledigungen (SZ: Gibt es eigentlich für Sie einen Unterschied zwischen Liberalen und Kommunisten? Ann Coulter: Liberalismus und Kommunismus? Ich denke die Liberalen haben bessere Zähne und hübschere Kleider. ) , treibt sie die Einschaltquoten nach oben.
So wie man sich Nina Hagen oder Helmut Berger immer wieder einlädt, in angstvoller Erwartung einer bekannten Freakshow, die einen peinlich berührt, abstößt - aber v.a. nicht kalt lässt, enttäuscht Ann Coulter ihre Gastgeber nie.
So mag es vielleicht diese voyeuristische Lust gewesen sein, aufgrund derer die SZ das Gespräch heute in ihrem Medienteil abdruckt, oder die Aussicht darauf, dass man das Interesse und die Neugier, mit dem Menschen sich Inhalte zumuten, die sie aus den verschiedensten Gründen ablehnen oder nicht vertragen wie z.B. Horrorfilme oder warum man "peinliche Momente" zu gleichen Teilen meidet, wie auch von diesen magisch angezogen wird, weil der "Kitzel", der Thrill und die Wallung, die diese verursachen als lustvoll erlebt werden, publizistisch abernten kann.
Das Interview ist im Rahmen der Recherchen für ein Doku-Dramas über den US-Senator Joeseph McCarthy entstanden. McCarthy hatte in den 60er Jahren als Vorsitzender des "Ausschusses für antiamerikanische Umtriebe" Hatz auf (vermeintliche) Kommunisten gemacht. In den letzten Jahren gibt es verstärkte Versuche der politischen Rechten in den USA, McCarthy zu rehabilitieren. Eine, die dies verstärkt betreibt, ist Ann Coulter. Dass sie in der Süddeutschen eine Plattform gestellt bekommt, ihre unerträglichen Ansichten zu verbreiten, ist bedauerlich.