Freitag, Juni 01, 2007

Afrique, mon amour

Im Vorfeld des G8-Gipfels prasselt es überall einfühlsame Freunde Afrikas:

"Auf so einen Platz stellt der Deutsche nicht mal eine Kuh"
erklärt uns Nigerias Nationaltrainer Berti Vogts im SPIEGEL-Interview.
Und er weiß auch, was Afrika fehlt: "Disziplin und Ordnung. [...] Für Afrika braucht man Zeit und Geduld. Nur die Europäer können Afrika helfen. Ohne sie geht der Kontinent zugrunde. Das ist hier überall wie beim afrikanischen Fußballverband: Es fehlt die Organisation. Ohne Organisation geht es nicht."

Die BILD-Zeitung aber wartet heute mit einer besonders widerlichen Ausgabe auf, bei der Bob "I dont like Mondays but I like to live my whole life on one song that worked" Geldof als Chefredakteur, der scheinbar keine Ahnung hat, mit was für einem bigott-zynischem "Blut-und-Sperma-Blatt" (Gerhard Henschel) er sich da einlässt. Aber zwischen vielen Telefonaten ("Hello Kofi") und Rucola-Salat kann einem das auch schon mal durchgehen.

"Frau Kanzlerin, weinen Sie für Afrika?", fragt Chefredakteur Geldof gleich auf Seite zwei Angela Merkel und erhält umgehend eine Antwort, die so staubtrocken preußisch wie merkeltypisch ist: "Ich glaube nicht, dass das ein Erfolg versprechender Weg wäre."

In der Online-Ausgabe der Bild gibt es zwar kein Oben-Ohne-Mädel aber doch immerhin
das ein- bzw. ausladende Dekoltée von Cossy Ojiakor, Star in „Nollywood“, Nigerias Antwort auf die US-Traumfabrik Hollywood und der Inbegriff des Weißseins, Claudia Schiffer erklärt uns, dass afrikanische Designs "aufregend" seien und dekretiert mit der lässigen Geste einer Frau, die nicht mehr im Wettbewerb steht gönnerhaft von ihrem Thron, dass es wunderbar zu sehen sei, wie afrikanische Models erfolgreich seien.

Wie Berti Vogts Perspektive das Andere nur durch die eigene Brille zu betrachten und in allem Anderen v.a. und ausschließlich die Reflexion des eigenen zu erkennen, denkt auch BILD-Kolumnist F.J. Wagner in seiner ganz eigenen Weise mit einer Mischung aus Hemingway vom LIDL Grabbeltisch, Stammtisch, Spielhalle, und jede Menge Irrsinn v.a. an sich und seine Lebenswirklichkeit, die aus Restaurants und Puffs zu bestehen scheint, wenn er an Afrika denkt: "Wenn ich an Afrika denke, dann denke ich auch an Brandenburg. Viele schöne Menschen Afrikas sind Nutten und Kellner geworden." So ist das Leben als Boheme Dandy, wenn man nie selber kocht und Frauen bezahlen muss, damit sie sich mit einem beschäftigen.

"Wie kann Deutschland Afrika helfen?" fragt BILD und vereint alle Experten: Nina Ruge und Jogi Löw, Papst Benedikt XVI. und Campino, Bill von Tokio Hotel und Bill Clinton, Bill Gates und Nelson Mandela, Claudia Schiffer und George Clooney, Jeannette Biedermann und Heino ("In Afrika leben Millionen Menschen, denen es nicht so gut geht wie uns."), Gerald Asamoah und Anne Will, Bono und Biolek, Commerzbank-Chef Klaus-Peter Müller und "Jahrhundert-Playmate" Gitta Saxx, Rallyestar Jutta Kleinschmidt und "Fußball-Liebling Rudi Völler" ("Entwicklungshilfe ist der große Überbegriff."), "Rodel-Legende Georg Hackl" und BMW-Chef Norbert Reithofer, Box-Promoter Wilfried Sauerland und Uli Stielike, Schlagerstar Frank Zander und Volksmusik-Stars Marianne & Michael, "Ski-Olympia-Sieger Markus Wasmeier" ("Man sollte nicht nur Geld runterschicken") und Schauspieler Bernd Herzsprung ("Wir können Afrika nur mit Spenden helfen: Geld, Geld, Geld wird benötigt."), Jörg Piolawa ("Entscheidend ist nicht nur die Menge Geld, die wir zur Verfügung stellen"), Kofi Annan und George W. Bush.

Sehr smarte Tipps geben diese Profis. Soll mal einer sagen, man lerne im Volksmusikbuisness nichts. Marianne und Michael als Herbergseltern der afrikanischen Entwicklungshilfe würden das Problem in einem 3/4 Jahr lösen:

"Afrika braucht Hilfe zur Selbsthilfe. Deshalb Entwicklungshilfe halbieren und pensionierte Lehrer, Ingenieure, Landwirte dorthin schicken. In zehn Jahren bilden dann junge Afrikaner wieder neue Afrikaner aus." Ach so!

Die beiden könnten sich mit dem Hackl Schorsch zusammentun, der sich auch auskennt:

"Wir müssen Krankenhäuser und Schulen bauen damit die Menschen Bildung erfahren. Nur so haben die Afrikaner eine Chance, aus dem Teufelskreis herauszukommen. Hilfe zur Selbsthilfe ist das!"

Helmut Zierl hat eine irre Idee, auf die man nicht käme, wenn man nicht in der 3. Klasse ist: "Afrika braucht Hilfe zur Selbsthilfe. Wie wäre es, wenn jeder Bundesbürger, besser noch jeder Europäer, nur einen Euro spenden würde? Das tut keinem weh, und es würde eine enorme Summe zusammenkommen."

Ja...Wahnsinn! Was da zusammenkäme. Sicher mehr als ... ich sach mal... 100.000 Euro bestimmt! Und wenn man schon dabei ist: Wenn jeder ein Butterbrot schmieren würde und das "da runter schicken"(Markus Wasmeier) würde ... det wär doch och schon wat, wa?

Erstaulicherweise lesen wir im SPIEGEL eine super Kritik dieser "journalistischen Sause zwischen Naivität und Zynismus."