Samstag, Juni 07, 2008

Obszön

" Warum darf der Playboy erst ab 18 gelesen werden, wenn die FAZ mit Wiedekings Gehalt jederzeit Kindern in die Hände fallen kann?"

Friedrich Küppersbusch

Erregungsgemeinschaft

Schon an anderer Stelle widmeten wir uns den sich im unterschiedlichen Leseverhalten und Aufmerkstrom abbildenden Profilunterschieden der Leserschaften unterschiedlicher Tageszeitungen und ihrer Online-Ausgaben. Heute die erweiterte These: Es ist nicht zwingend so, dass die Leserinnen und Leser der jeweiligen Publikationen entsprechend, sich für Wirtschaft, Kultur oder Politik interessieren und allein die Bild-Online-Gucker sich für die neuesten Nachrichten aus dem Schritt irgendwelcher C-Prominenter interessieren.

Online interessieren sich alle Nutzer v.a. für Kursioses und Skurriles. Gesucht ist der schnelle Konsum, die kurzfristige Erregung. Die wenigsten Menschen lesen eine 12-Seiten-Analyse über Barack Obamas Wahlkampfstrategie online. Da klickt man sich lieber durch die 34764928479. Bildergalerie ("Soooo schön ist Jennifer Aniston", "Die Kennedys - Glanz und Elend einer Familie", "Die vielen Gesichter von Madonna").

Manche der das Kernangebot der Printausgabe ausmachenden Artikel werden auch online gestellt. Zumeist muss dafür bezahlt werden, was aber - so darf vermutet werden - kaum Abonenntenzahlen bringt, denn: Online gelten andere Regeln - und es herrscht ein anderer Ton.
Der ist zumeist flapsiger, wie auch die Themenauswahl einem anderen Gesetz zu folgen scheint.

Am nachhaltigsten hat YouTube seine Spuren in der Online-Medienwelt hinterlassen. Nur noch wenige Tageszeitungen und Magazine leisten sich den Luxus, keine Videos anzubieten. Online konsumieren die Nutzer am Liebsten Videos. Wer sich in der Mittagspause informieren will, schaut sich schnell den Nachrichten im Video-Überblick an. Mit entsprechenden Konsequenzen:
"Last year, by one estimate, the video site YouTube, owned by Google, consumed as much bandwidth as the entire Internet did in 2000." (IHT)

Die Online-Ausgabe der Süddeutschen beschäftigt sich in ganzen Artikeln, die in Form und Inhalt im Grunde schon Blog-Charakter haben, mit "dem Internetvideo der Woche". Der Duktus und Sprachstil des publizistisch-öffentlichen Raumes weicht dem marktschreierischen Erzählstil der Studentenparty "Alter, neulich hat mir ein Kumpel ein Video geschickt, dass war irgendwie voll krass...musst Du mal bei YouTube gucken ... gibst Du 2 girls 1 cup ein...HAMMER!"

So kommen die in die Mailserver von Verwaltungen und Firmen belastenden Sekretärinnenrundmails herumgereichten lustigen Videos, Bildchen und Powerpointpräsentation ("Der wahre Unterschied zwischen Mann und Frau") zu publizistischen Ehren.

Noch ein Schritt weiter wird dann um ein verfügbares YouTube, das den Schau(er)wert des Skurrilen, Ekligen oder Erschröcklichen ("Mann mit Elefantentumor im Gesicht wird operiert", "Gröter Mann der Welt heiratet kleinste Frau der Welt", "Frau verlässt 1 Jahr lang nicht das Klo") bedient, ein Artikel gestrickt um die Legitimation für das Zeigen zu generieren, obschon die Dürftigkeit des um das ausgestellte Bildmaterial deutlich signalisiert, dass das Zeigen und Ausstellen, das Abzielen auf die emotionale Erregung des Betrachters hier allein der Existenzgrund ist.

Es zeigt sich, dass bei aller Abgeklärtheit, die nicht zuletzt durch die Allverfügbarkeit von Informationen entsteht, ein kindliches Interesse für das Abwegige bleibt und sich in entsprechendem Interesse für Gesellschaftsberichten, Klatschgeschichten sowie Polizei- und Gerichtsreportagen niederschlägt.

So auch bei einem Bericht über einen Mann, der in den USA von einem Auto überfahren und von Passanten und vorbeifahrenden Autofahrern liegengelassen wurde. Den Artikeln u.a. in Spiegel, Süddeutsche, Welt sind Fotos und v.a. das bei YouTube verfügbare Video einer Überwachungskamera beigestellt.

Dabei eigenet sich die das absonderliche Material zur Schau stellenden Medien den Ton der moralischen Entrüstung oder des gestellten Entsetzens an, um sich - un den Betrachter -auf der richtigen Seite zu wissen und unterschlägt dabei den pornographischen Akt der allein auf publizistische Ausbeutung des Elends des gezeigten abzielt. : "SEHEN SIE HIER, wie ein Mann überfahren wird UND KEIN PASSANT HILFT!" (Schweine!)

Die Bild-Zeitung praktiziert dies täglich, wenn sie z.B. Opfer von sexueller Gewalt in Bild oder Sprache ausstellt und detailliert beschreibt, welche Art der Gewalt geschehen ist und damit die auf Schauer oder Erregung abzielenden Bedürfnisse der Leserschaft Aber es ist eben nicht nur die Bild.

Wenn es um Klickzahlen geht, scheint die Barriere niedriger zu liegen.

Freitag, Juni 06, 2008

Wochenende!



Digable Planets - Rebirth of Slick (Cool like dat)

Formel

Mann + Wischmop x Photoshop

Schwanzl

Das Internet ist immer noch nicht zu Ende designt.

Mittwoch, Juni 04, 2008

Premiumjournalismus

Neulich in der Morgenkonferenz bei Spiegel-Online:

CvD: "Ey Leute, Sommerloch. Und kommt mir nicht mit Obama... das Ding ist SOWAS von durch.."
Redakteur/Praktikant: "Waddema, ich hab hier 'nen Auto, das VOLLE KANNE in 'ne Gruppe Radfahrer fährt..."

CvD: "JOOO GOIL STELL MA ONLINE!"

Trauerlose Maschine

"Ein ICE weint nicht. Er fährt. Er fährt gedankenlos an den Kirschbäumen vorbei."

FJW

Professorales Nervensägentum

An anderer Stelle wurde schon angemerkt, dass der Kister Kurt schreibt, als sei er in seinem ganzen Leben auf keinen Interviewpartner mehr angewiesen. Dieser Haltung verdanken wir einige der luzidesten und komischsten Texte rund um das "Raumschiff Berlin" und den journalistisch-politischen Komplex.

Auch bei seinem Beitrag zum SPD "Zukunftskonvent" sagt Kister, was zu sagen ist:

"Es ist auch nebensächlich, dass man von jüngeren wie älteren, durchaus auch von prominenten SPD-Veteranen der vorigen Schwan-Kampagne allerlei Geschichten erzählt bekommt über den nicht unterbrechbaren Redefluss der Kandidatin sowie ihre allgemeine Neigung zum professoralen Nervensägentum. Letzteres ist ohnehin einer Art Qualifikationskriterium fürs Schloss Bellevue, was gerade die Herren von Weizsäcker und Herzog vermutlich schärfstens dementieren würden."

(SZ)

Dienstag, Juni 03, 2008

Res politica

Wieder einmal läuft eine Kabinettsitzung aus dem Ruder, als Bundesumweltminister Gabriel Familienministerin von der Leyen den letzten Schluck Kaffee vor der Nase wegtrinkt.

Der Juni

Die Zeit geht mit der Zeit: Sie fliegt.
Kaum schrieb man sechs Gedichte,
ist schon ein halbes Jahr herum
und fühlt sich als Geschichte.

Die Kirschen werden reif und rot,
die süßen wie die sauern.
Auf zartes Laub fällt Staub, fällt Staub,
so sehr wir es bedauern.

Aus Gras wird Heu. Aus Obst Kompott.
Aus Herrlichkeit wird Nahrung.
Aus manchem, was das Herz erfuhr,
wird, bestenfalls, Erfahrung.

Es wird und war. Es war und wird.
Aus Kälbern werden Rinder
Und weil's zur Jahreszeit gehört,
aus Küssen kleine Kinder.

Die Vögel füttern ihre Brut
und singen nur noch selten.
So ist's bestellt in unsrer Welt,
der besten aller Welten.

Spät tritt der Abend in den Park,
mit Sternen auf der Weste.
Glühwürmchen ziehn mit Lampions
zu einem Gartenfeste.

Dort wird getrunken und gelacht.
In vorgerückter Stunde
tanzt dann der Abend mit der Nacht
die kurze Ehrenrunde.

Am letzten Tische streiten sich
ein Heide und ein Frommer,
ob's Wunder oder keine gibt.
Und nächstens wird es Sommer.

Erich Kästner