Samstag, Oktober 20, 2007

What the world needs now

Freitag, Oktober 19, 2007

Gut und schön: Filmkunst 27

Es gibt viele Gründe, die dafür sprechen, in diese oder jene Stadt zu ziehen. Mancher zieht der hohen Kioskdichte wegen nach Dortmund oder weil die Kioske dort die unwiderstehlich autentisch deskriptive Bezeichnung "Trinkhalle" tragen. Ein Grund nach Berlin zu ziehen ist mit Sicherheit, dass es dort Videotheken gibt, die auch Sonntags und bis tief in die Nacht geöffnet haben.


Mancher zieht nach Münster, weil er Wilsberg sehen und den Satz von der schwierigen Lage am Wohnungsmarkt leben möchte und sich nicht bis London traut.

Einer der vielen Gründe, es in Köln gut auszuhalten ist nicht nur das erfrischende Naturell der Einheimischen ("Pass op, do Aaaschloch!"), sondern auch das breite Angebot an Kneipen, Restaurants, Musik und der vielen zu entdeckenden Ecken. So findet man im belgischen Viertel, das, was man von Berlin immer geholmt und gefriebet wird, in klein und angenehm vor: Gut gekleidete, attraktive 30somethings, hinter Schaufenstern, die an großen Apple-Bildschirmen einer mehr oder weniger kreativen Selbstausbeutung nachgehen und ihre Converse-Sneaker, Armani-schwarzrahm-Brille und Cordsackos mittags und abends in durch das Viertel mäandernde gut ausgebauter Freizeit- und Entspannungsinfrastruktur für nicht-mehr-Kinder-und-noch-nicht-so-ganz-Erwachsene lenken.

Das Studio von Ehrensenf findet sich ebenso, wie sehr geschmackvolle Feinkostläden und Weinfachgeschäfte, in denen man schlichte, im Zeitlupentempo zubereitete, von überfordertem Personal nicht innerhalb von 3 Parsec servierte, überteuerte, exotische Speisen wie Nudeln mit Tomatensuppe ("Ab wieviel Bildung muss man eigentlich Pasta sagen, statt Nudeln?") zu sich nehmen kann.

Auf der Aachener Straße laden der überbewertete Salon Schmitz, die schön eingerichtete, riesige Bar Tabac, in der der FC Bayern München seine Meisterschaften gleichzeitig mit den Auf- und Abstiegsfeiern des FC Köln abhalten könnte und es lecker Flammkuchen gibt oder das Bauturmtheater, in dem für alle, die mal nicht ins Kino gehen wollen aber sich auch nicht mit Kultur überanstrengen wollen, seit gefühlten 2o3472347096645679213 Jahren "Kunst" von Yasmina Reza läuft.

Wenn man auf der Aachener Straße in das Schaufenster der Nr. 27 schaut, meint man, zunächst, in ein Museum, eine Galerie oder einen Apple-Showroom zu blicken. Dabei stimmt von allem etwas.

Hier findet sich Filmkunst 27, eine Videothek für den guten cineastischen Geschmack, die dadurch besticht, dass Form und Inhalt Hand in Hand gehen. "Warum muss etwas, das gut ist, schlecht aussehen oder sich unattraktiv präsentieren?", mag sich Hannah Sondermann gefragt haben, als sie ihren Laden einrichtete. Dieser bietet ein hervorragendes Sortiment in ästhetisch-geschmackvollem Ambiente. Das CI bildet sich auf der Internetseite ebenso wie der Visitenkarte ab und man erkennt: Hier waltet ein alle Kommunikations- und Distributionskanäle durchformender Stil als ästhetische Haltung und Programmlinie.

Herkömmliche Videotheken arbeiten sich heute oftmals noch am ästehtischen Ballast der 80er Jahre mit handgemalten Covern, "Die Supernasen", "Terence Hill & Bud Spencer", "Michael Dudikoff"-Serien und Ramschporno ab. Mit dem Charme cineastischer Verrichtungsboxen konzentrieren sie sich darauf, den Weg zum aktuellen Blockbuster oder Videospiel so kurz und irritationsfrei wie möglich zu gestalten, damit sich das mentale Prekariat mit Medien versorgen kann, die das geräusch- und schmerzlose Versickern des eigenen Dasein im Bermuda-Dreieck von Mediamarkt, Fitness-Studio und Sonnenbank erleichtern.
In Räumlichkeiten, die in ihrem Dekor mit einer Überfrachtung an Spiegeln und Pappaufstellern der großen Stars, sowie den Glamour behauptenden Namen (Video Palace, Empire, Movie Colosseum) doch v.a. das erfolglose Bemühen um und also die Abwesenheit von Grandezza dokumentieren, sucht man europäisches Kino oftmals vergebens, während Furz- und Kotzwitzfilme sich in ausreichender Menge finden.

Um so angenehmer für das Auge und Gemüt "Filmkunst 27". Dessen umfangreiches Filmangebot kommt in klar aufgeräumter Aufbereitung daher, überfordert beim Sichten nicht und präsentiert sich in musealer Klarheit, ohne dabei - bei aller Reduktion - die aseptische sinnenfeindliche Atmosphäre eines Operationsraums zu vermitteln. Die Kaffeebar bietet die Gelegenheit sich länger niederzulassen, mit dem freundlichen Personal über Filme zu plaudern und die Zeit verstreichen zu lassen.

Die Filmpalette bietet nahezu jede Sparte, vom aserbaidschanischen Frauenproblemfilm mit Untertiteln in Farsi, über die unvermeidlichen und doch oft vergebens gesuchten Klassiker bis zu Dokumentarfilmen wie Working Man's Death oder Unser täglich Brot, die man in der EMPIRE Videothek vergeblich zwischen "Tripple X" und "Saw III" sucht.

Bei aller Differenziertheit kommt Filmkunst 27 dabei ohne die verkniffene oberstudienratige Besserwisserattüde eines Connaisseur de Cinema daher, der außer Eric Romer, Bernhard Wicki, Fassbinder und Antonioni nichts gelten lässt. So finden sich in den Regalen auch "guilty pleasures" wie "Fluch der Karibik", "Starsky and Hutch", "Weding Crashers" oder "Sex and the City". Jedoch dominiert der Qualitätsfilm eindeutig das Programm.

Für einen Jahresbeitrag von 10 Euro kann man eine Kundenkarte erwerben, mit der die Ausleihe eines Films für 2 Tage nur 2,50 kostet.

Filmkunst 27, Aachener Straße 27, 50674 Köln
www.filmkunst27.de

Wochenende!



On dit que le destin se moque bien de nous
Qu'il ne nous donne rien et qu'il nous promet tout

Carla Bruni - Quelqu'un m'a dit

Kanzlerin

Hiermit wagen wir eine Prognose: Mit der Fotoserie "Sagen Sie jetzt nichts" im Magazin der Süddeutschen Zeitung hat Ursula von der Leyen mehr für ihr Image und ihr Potential als Kanzlerkandidatin der CDU getan, als mit allen Initiativen, Gesetzesentwürfen und Homestorys über ihr Leben mit 10-20 Kindern.

Ihre mimischen Reaktionen auf die Frage, ob der Vorwurf von Bischof Mixa, sie würde Frauen zur Gebärmaschinen degradieren, sie gekränkt hätten und ob sie Nicholas Sarkozy sexy finde (Siehe Bild rechts) oder worauf sie bei einem Mann zuerst achte (Siehe Bild unten), werden ihre Zustimmungswerte durch die Decke jagen. Wirkte Ursula von der Leyen mit ihrem nach hinten gekämmten, von einem Haarreifen zusammengehaltenen Haar, dem Strickjäckchen wie eine streberhafte Querflötistin aus einem Schweizer Internat, kommt sie in der Fotostrecke als fröhliche, lebenslustig-sinnliche Frau herüber.

Von der Leyen wirkt nicht wie sie bislang bieder und spröde, sondern lustig, bzw. fröhlich, herrlich normal. Man hat den Eindruck: Die kocht bestimmt nett in der Küche, drumherum ist Trubel, Kinder kommen nach Hause, knallen den Schulranzen in die Ecke, schleppen Dreck und Freunde mit in die Wohnung. Alles plaudert, es ist laut, Telefone und Handys klingeln, irgendwo dröhnt eine Stereoanlage. Sie hat alles im Blick ohne ständig alles regulieren oder im Ton keifend werden zu müssen. Sie ist nicht angestrengt oder übellaunig.

Von der Leyen hat mit diesem Foto-Interview das Kunstück fertig gebracht, das Bild von ihr endgültig in eine andere Richtung zu korrigieren. Nachdem sie ihre Frisur änderte, ist dies eindeutig der Schwenk zu einer natürlich-fröhlich-attraktiven und patenten Frau. Dabei gelingt ihr das Kunststück auch als sinnliche Frau zu erscheinen, ohne dass sie wie Ute Vogt im Radio "beichtet", hin und wieder einen Organsmus vorzutäuschen, oder sich wie Ulla Schmidt bei Günther Jauch nach der Qualität ihres Sexlebens befragen lässt.

Im Unterschied zu Dr. Silvana Koch-Mehrin, die sich nicht entscheiden kann, ob sie die Mama-Karte, den Jugend-Bonus oder den Sex-Blondinenfaktor ausspielen soll und sicherheitshalber alle Bereiche abdeckt und sich Demi-Moore-esk mit dem nackten schwangerschaftsprallen Bauch ablichten lässt oder ein gedankensparsames Buch , das einen modernen Feminismus zu beschreiben behauptet aber über die Aneinanderreihung von gehobenem Stammtisch/Kaffeekränzchen-Allgemeinplätzen nicht hinauskommt, veröffentlicht, schafft von der Leyen es mit der Fotostrecke, aus dem Bieder-Image auszubrechen, ohne sich unauthentisch als sexy Frau aus der FA-Reklame zu behaupten.

Sie ist immer noch Mutter von erstaunlich vielen Kindern, hat immer noch die etwas mädcheninternatsaufseherinnenhaften schavanige Tonlage - aber justiert dieses Image in Richtung "lustig", froh, aufgeräumt, zupackend und immerlockerbleiben.

Tonnerwetter.

Namensberatung

Ist es eigentlich verpflichtend, dass man Kultusministerin wird, wenn man Ute Erdsiek-Rave oder Annegret Kramp-Karrenbauer heißt? Oder sind das Künsterlinnennamen, die frau von PR-Beratern am Anfang einer Politkarriere verpasst bekommt?

Wenn man in der Politik reüssieren will, brauchts's scheinbar einen komplizierteren Namen. Einen, der sich entweder schwierig aussprechen oder schreiben lässt.

Bulmaaaaaahn. DAS ist ein Name. Andrea Ypsilanti. DA horcht man auf. Einen Kanzler "Schmidt" wäre heute nicht mehr zu vermitteln. Schröder? Zufall! Koch? Geh weida!

Wer in der Bildungspolitik vorankommen will, sollte weiblich sein und einen Doppelnamen haben. Wolf oder Schavan sind da eigentlich ungünstig. Da fragt die Boulevard-Presse nur nach: Kein Doppelname? Nicht verheiratet? Den ganzen Tag nur Arbeit? Immer allein unterwegs?

Wichtig für den Bildungsbereich ist, dass der Name klingt, als sei er der Augsburger Puppenkiste entlehnt. Frau Zangenbier, Herr Schirmeisen. DAS sind Namen für Lehrer.

Knobloch-Saalckenberg, Perzl-Schomrichhausen. Hickmann-Feudenlaub.
DAS sind Namen für Bildungsminister.