Samstag, Dezember 09, 2006

"Thank you for listening to weird music"

Tiger HiFi und cirKus begeistern im Kölner Stadtgarten

Freitag, 8. Dezember fand im Kölner Stadtgarten der O2 Music Flash statt. Das dahinter stehende PR-Konzept sieht scheinbar eine Steigerung des Coolness-Faktors der Marke (Weniger die heilige Dreifaltigkeit des Biedermeier und Mainstream Franz Beckenbauer, Veronika Ferres und Anke Engelke) und die Kreierung einer "Community": O2 nutzen heißt nicht Konsument sein, sondern zu einer Gruppe gehören. Und das geht so: O2 organisiert Konzerte und informiert ganz kurz vor knapp O2-Kunden, die sich zuvor online (Digitale Bohème! Kundenbindung! Flankierendes Angebot! Portfolio!) dafür registriert haben (bzw lässt organisieren), per SMS. Das Konzert ist umsonst aber eben immer nur kurz angekündigt. Ei, was für eine Aura eines fliegenden geheimen, auf Flüsterpropaganda basierenden Underground-Zusammekunft das atmet! Das ganze soll dadurch
Dann kommt der O2-Community-Cyber-Citizen (SZ-feuilleton-Fuzzis, aufgepasst! Ich habe Copyright auf diesen Begriff!) zum Veranstaltungsort, pardon, der Location und zeigt sein Handy vor, auf dessen Display nun der lustige Barcode sich befindet und den Eintritt ermöglicht: Das Handy als Eintrittskarte zu einem sozialen Ereignis, pardon Event. Die O2-Kundengruppe als priveligierte Erlebnisgemeinschaft, das Handy als Eintrittskarte. Mehr als nur ein Kommunikationsinstrument. Man kann die Konstruktionslinien der PR unter dem Sozialen förmlich sehen. Anyhoo.

Trotz des industriell konfektoinierten Formats von der Stange, bei dem das zu befördernde Produkt (Mobilfunkanbieter) krampfhaft als notwendiges Instrument eingebaut wird (Der Türsteher erläuterte um 21:30) , entstand im Kölner Stadtgarten die famose Atmosphäre eines Musikvideos. Schön anzuschauende Menschen tanzten zum Reggae/Dub von Tiger Hifi aus Berlin, die mit ihren Interpretationen von Madonnas "Mr DJ", Michael Jacksons "Smooth", Genesis "Mama" oder Missy Elliots "Sock it to me" sehr schön Stimmung machten (Tolle Band, Noises von Kraans, ein enorm präsentes und stimmstarkes Front-Duo gekrönt von einer tadellosen begleitenden Videoinstallation - Tiger HiFi will man nochmal sehen!), Martin Jondo (Reggae), den Rap-Bemühungen ("Let me hear you sayyyy hoooohooooooo...!") im zur Tanzraum umfunktionierten Restaurantbereich des Stadtgarten oder zu herrlich lautem DrumNBass im Club.

Ein Besucher raunte konspirativ, dass es verwunderlich sei, dass zu einer unangekündigten Veranstaltung, die keinen Eintritt kostet ein so herrlich anzuschauendes Publikum zusammenkommt und das mindestens ein Drittel doch gecastet sein müsse (Ein Mensch, der den Sido-Ähnlichkeitswettbewerb gewonnen hätte zog mit seiner Posse, die den Aggro-Berlin-Posse-Ähnlichkeitswettbewerb die Runden). Kann aber auch daran liegen, dass das Plattenlabel Grooveattack das ganze organisiert hat und O2 am Ende seinen Aufkleber drauf und sein Geld darüber gekippt hat.

Moby auf LSD

Wiedemauchsei: Nach Tiger HiFi strapazierten cirKus (Massive Attack Produzent Burt Ford und Neneh Cherry) aufs Herrlichste mit bizarren Songs, die Trommelfelle. Das war ein besonderes Vergnügen. cirKus, so ist auf einer französischen Webseite zu lesen, signe des thèmes prenants, des partitions complexes et éthérées de symphonie soul intemporelle. À l’écoute de Laylow, on est presque submergé par la violence de l’émotion transmise au travers de paroles qui font mouche et qui sont parfois soutenues, voire enveloppées par les orchestrations musicales de Karmil. Klar soweit?
cirKus-Direktor (höhö, SZ, here I come!) Burt Ford (Der verloren gegangene und verleugnete Bruder von Götz Alsmann, wie ein Konzertbesucher völlig richtig bemerkte) erfreute auf Neneh Cherrys orangenem Koffer sitzend das Publikum durch abwechslungsreiche Anmoderationen ("this song is for Tony Bush, G.W. Blair, Dick Cheney and all these f***ing c**ts..") und seinen Arbeitsdress von der freiwilligen Feuerwehr. Die jugendliche Vokalistin Lola Moon funktionierte famos als Role-Model des Trash-Chic vor dem zu Dekorationszwecken vor ihr aufgebauten Keyboard.
Burt Ford bedankte sich artig für die Aufmerksamkeit des Publikums, die dieses den - den meisten Zuhörern unbekannten - Stücken widmete.

Ob, wie unser französischer Freund mit seiner Beschreibung, dass in den stücken cirKusens "die Gewalt der Gefühle durch die Worte übermittelt" werden auch Songs wie "Asshole" ("..you got a fast car but you've got a small dick...") im Sinn hatte - who knows. Differenzierung ist Bort Fordens Sache nicht, aber ab gefühlten 10000000000 Dezibel ist das auch wurscht.

Freitag, Dezember 08, 2006

"This isn't funny..." Der Sturz eines Helden

Oh Boy...that's bad... Michael Richards, Schauspieler, der sich mit der Darstellung des Cosmo Kramer in der legendären Comedy-Serie SEINFELD in den Olymp spielte hat sich ins unentschuldbare Abseits gebracht.

Bei einem Auftritt in einem Comedy-Club nervten ihn Zwischenrufer derart, dass ihm eine Sicherung durchging und er die Störer minutenlang mit rassistischen Beschimpfungen belegte. „Halts Maul“, brüllte Richards in Richtung eines Schwarzen, der ihm zu laut war, „Vor 50 Jahren hätten wir Dich an den Füßen aufgehängt und Dir eine Mistgabel in den Arsch gesteckt. Werft den Kerl raus. Er ist ein Nigger! Nigger! Nigger!“ Das geschockte Publikum verließ währenddessen den Saal.

Das Ganze war von einem Zuschauer mit einer Digitalkamera gefilmt worden und stand wenige Stunden später im Internet:
http://www.youtube.com/watch?v=9sEUIZsmTOE

Nun versucht sich Richards in Buße, hat einen "Anger Management"-Therapeuten und einen PR-Berater engagiert. Sein alter Kollege und Freund Jerry Seinfeld vermittelte eine Entschuldigung von Richards in der Letterman-Show:
http://www.youtube.com/watch?v=e5SkRdrAbzQ&mode=related&search=

Le Zitat de Jour

"Wann, wieso, weshalb - das weiß man selber nicht, ich bin ja auch nur 'n Mensch." Helge Schneider

Komm, spiel mit uns!

Der Tipp zu Weihnachten gegen Langeweile unter'm Tannenbaum und auf langen Autofahrten zu den Großeltern: Fingerpüppchen! Unter www.fingerpueppchen.de kann man sich anschauen, welche Ausführungen von den fleißigen Bolivianerinnen zuletzt gehäkelt wurden:
Superhelden (Spiderman, Oma, Opa, Beamter!), wilde Tiere oder "heimische Tiere"...für jeden ist was dabei!

Mittwoch, Dezember 06, 2006

Le Zitat de Jour

"Ich bin so oberflächlich, mich interessiert nur die Oberfläche" Karla Lagerfeld

Dienstag, Dezember 05, 2006

New Blogs on the Kids

Bei jetzt.de finden sich neun eins-a-geschrobte "Thesen zur Blogosphäre". Darunter:

"#4 Blogs werden vor allem von Journalisten gelesen
Was heute auf BoingBoing gepostet wird, findet man zwei Tage später auf den Vermischten-Seiten der deutschen Presse. Der Themen-Kanal ist begradigt, gut ausgebaut und sieht ungefähr so aus: Blog -> Internet-Leitmedium -> Tageszeitung -> Tagesthemen. Weil Journalisten gerne die Blogs der Early Adopters absurfen und dort irgendwo auch den Puls der Zeit bumpern hören, haben die Blogs beträchtlichen Einfluss als Agenda-Setter. Mitunter kommt es dabei zu absurden Beziehungsketten, die sich am Ende in nichts auflösen."
Diese und alle neun Thesen online lesen.

[update 6-12-2006: bei Spreeblick findet sich eine schön geschriebene Replik. Wie schmeckt Dir DAS sz-online?]

Sonntag, Dezember 03, 2006

Bürgertum und Bohème

Niklas Maak beschreibt am Beispiel der zu Tode gehypten "Neuen Leipziger Schule" in der FAZ sehr schön, wie sich das Verhältnis von Bürgertum und Künsterbohème umgekehrt hat und es scheint sich der Spruch von Sloterdijk zu bewahrheiten, dass wirklich revolutionär immer nur das Kapital sei. Die Dekandenz kann sich Eskapaden erlauben. Der aus einfachen Verhälntissen einer großen Idee gegen alle (wirtschaftlichen) Widerstände folgende Künstler ist verschwunden gegen ein, an die Fabrikationsfähigkeit des Genies und durch das Studieren Erlernbare Außerordentliche glaubt. So werden Filmemacher, Maler, Bildhauer und Autoren auch zu Berufen, wie alle anderen auch. Durchzogen von den Logiken von Förderprogrammen, Wettbewerben, von Sparkassenvorständen gestifteten Preisen liquidieren sie sich selbst und reihen sich ein in die lauwarme Stipendiatenexistenz:

"Man arbeite hier ruhig und disziplinert, komme täglich morgens, male bis zum Abend und fahre dann heim. (...) Wie in Berlin sei es nict. Keine Lokale, in denen das diskutiert wird, was Kinst sein könnte. (...) Die Verhältnisse haben sich umgekehrt: Während die bürgerlichen Kunstsammler in MIami das nachspielen, was sie für "das Leben der Kunstszene" halten, nämlich Nächte durchsaufen, diskutieren, tantzen, pflegen die von ihnen verehrten Künstler den durch und durch disziplinierten und geordneten Büroalltag des klassischen Bürgers."

Siehe auch Die stille Revolte in der Online-Ausgabe der Zeit