Sonntag, Dezember 04, 2016
Hier lacht das Volk: Das Gröhlen des Mario Barth
In der ZEIT schreibt David Hugendick eine sehr klug analysierende Diagnose des "Phänomens Mario Barth" und warum dessen Humor eine solche Massen-Resonanz erzeugt. Wer das liest, kann auch die Innenarchitektur von PEGIDA verstehen (Wobei noch die Beschreibung zu leisten wäre, die zeigt, dass die in ignorante Schlichtheit verpackte reaktionäre Abwertung alles Anderen, Fremden, Unverständlichen milieuübergreifend anzutreffen ist - und nicht nur bei den formal "bildungsfernen Schichten".)
"Barth ist einer, der fröhlich aufgekratzt Bericht erstattet aus den Wohnzimmern und Küchen dieses Landes, wo vermutlich Cappuccinotassentapete den Wänden hängt und auf dem Glasregal eine Flasche Baileys steht. "Männer wollen ja immer alles anfassen", kichert Barth, und "jede Frau steht auf Fifty Shades of Grey, weiß er auch, und im Publikum stößt der Mann die Frau an und sagt: Ach, siehste, wie bei uns, oder Schatz?
Die komische Identifikation, die Barth offenbar seinen Fans anbietet, besitzt etwas Heimeliges: Man erfährt nur Dinge über sich, die man schon zu wissen glaubt. Kennstekennstekenntse?, fragt Barth, und kriegt sich selbst kaum ein vor lauter Vorfreude auf das, was er gleich erzählen wird. Und sein seliges Publikum antwortet begierig: kennichkennichkennich, und damit ist der Pakt geschlossen. (...)
Im Grunde ist es ja ganz einfach: Mannsein nach Barth heißt, dass es besser nicht mehr wird. Der Mann ist ein selbstgenügsames Würstchen, und will, erschöpft von Arbeit und Leben, eigentlich nur noch Fleisch überm Grill wenden, blöde T-Shirts mit blöden Aufdrucken tragen, allenthalben mal in den Urlaub, und sich ansonsten keine Fragen mehr stellen. Die größte Störung des Männchens, das so gerne Männchen sein will, ist das Frauchen, das nicht Frauchen sein will. Die Frau ist bei Barth von "genetisch" bedingter Neugier und verlangt vom Mann, endlich "erwachsen" zu werden, was ja im Zweifel die Forderung nach Selbstreflexion enthielte, für die aber in diesem Comedy-Programm kein Platz ist.
Ohnehin hat der Humor von Mario Barth nichts Melancholisches, keinen Anflug von radikalem Zweifel. Der Mann aber ist wie ein ewiges und damit unschuldiges Kind, das es ja nicht besser weiß und gerade deshalb unentwegt recht hat. Anders als die Frau, "The Brain", die – das erwähnt Barth auf der Bühne immer wieder – ja sogar "studiert" habe, während der dumme Mann, als den Barth sich selbst stilisiert, dennoch am Ende als Träger einer Art höheren Vernunft dasteht, der dem vor Glück trampelnden Publikum letzthin, hihihi, wartewartewarte, berichtet, was die Frau schon wieder unangemessen Intelligentes angestellt hat. Der Dumme ist der Schlaue, die Schlaue die Dumme. Das Schlichte triumphiert über das Komplizierte. Der Mann darf weiterhin glücklich doof bleiben. Das männliche Sosein, das Mario Barth in seiner Show lehrt, ist ein Paradies der Idiotie, wo man alles, was man nicht mehr verstehen will, für verrückt erklären kann."
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