Samstag, Januar 26, 2008

The Dark Knight

Empfehlung

"As Democrats look ahead to the primaries in the biggest states on Feb. 5, we strongly recommend that they select Hillary Clinton as their nominee for the 2008 presidential election." (IHT)

Freitag, Januar 25, 2008

Wochenende!


Lizz Wright - Hit the Ground

Schenie

"Ich glaube, dass Sie ein verrücktes Genie sind. So ein herumbrütender Mensch, der die Welt verrückt macht." F.J. Wagner

Brent Spar-Communication Nokia

Die schwierige Kommunikationssituation rund um Nokia ist für die Kommunikations- und Presseabteilung eigentlich ein "Traumfall" der Bewährung. Jetzt ist Krisenkommunikation angesagt, um zu vermeiden, dass die Marke Nokia einen nachhaltigen Image-Schaden nimmt und sich zentrifugale Kräfte aufbauen, wie sie sich auf Shell ausgewirkt hatten, als der Ölkonzern die Bohrplattform Brent Spar versenken wollte und sich in der Öffentlichkeit ein starker Protest mit Boykott aufbaute.

Nokia-Chef Olli-Pekka Kallasvuo hatte sich am Rande der Vorstellung der Jahresergebnisse bei den Angestellten des Bochumer Werkes entschuldigt. „Wir verstehen voll und ganz, dass dies Schmerz, Sorge und sogar Wut bedeutet“, sagte Kallasvuo. Auch für Nokia habe die Werksschließung in Bochum negative Folgen. Nokia müsse „viel Negativwerbung und böses Blut gegen die Firma“ in Kauf nehmen. (Die Welt) Das ist Krisen-PR: Entschuldigen und sich selbst zum Opfer machen.

In den Nachrichtensendungen rührten die Bilder von verzweifelten, weinenden Nokianern die Öffentlichkeit. Eine Frau sagte unter Tränen "Die haben seit Monaten gewusst, dass sie das Werk dicht machen und uns lassen sie über Weihnachten Überstunden und Sonderschichten machen ... die sollten sich schämen!"

Man kann die Wirkung, die solche Bilder auf die Öffentlichkeit und deren Urteil haben, gar nicht hoch genug bewerten.

In dem Film A Civil action (Zivilprozess) spielt John Travolta einen Strafprozessanwalt, der seine Prozesse nicht zuletzt deshalb gewinnt, weil er es schafft, bei den Geschworenen persönliche Betroffenheit (durch Identifikation mit den Opfern, die gegen Unternehmen klagen) herzustellen. Als er eine Gruppe von Familien vertritt, die gegen einen Konzern klagen, der das Grundwasser verseucht und damit eine Serie von Krebsfällen und infolgedessen Tode einiger Menschen in einer Region verursacht, verhindert ein Anwalt der Konzerne (Robert Duvall), dass die betroffenen Familien eine Aussage vor Gericht machen, weil er erkennt, dass sie mit ihrem Schicksal und ihrer persönlichen Geschichte die Jury zutiefst rühren würden.

Disconnetcting People

Erste Manöver zur Eindämmung der öffentlichen Empörung bei sind bei der Nokia-Kommunikation schon erkennbar. Nokia "entschuldigt" sich bei den Menschen in Bochum und kündigte baldige Gespräche mit der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen an, um "innovative Lösungen für die Region Bochum zu finden".

Hier denkt man sofort an den brillanten Film THANK YOU FOR NOT SMOKING über den Kommunikations-Strategen Nick Naylor, der für die Tabakindustrie arbeitet und "an die Front" geht: Als in einer Talkshow, in der ein lungenkrebskranker Jugendlicher - "Cancer Boy - gegen ihn in Stellung gebracht wird, schafft er es die feindselige Meinung des Publikums gegen ihn dadurch zu drehen, dass er erklärt, dass die Tabakindustrie kein Interesse daran habe, das der Junge stürbe. Wenn überhaupt wäre die Tabakindustie daran interessiert, den Jungen am Leben und am Rauchen zu halten. Nick Naylor erklärt, dass sich doch wohl alle einig wäre, dass das wertvollste und wichtigste Amerikas Jugend sei und das deshalb Bic Tobacco eine 50 Millionen Dollar Kampagne lanciere, die Jugendliche vom Rauchen abhalten solle.
Im Vergleich zu den vermutlichen wirtschaftlichen Schäden durch ein negatives Image nehmen sich diese Ausgaben a) gering aus und sind b) eine Investition.

In diesem Sinne wäre Nokia gut beraten initiativ tätig zu werden und z.B. ein "Nokia-Qualifizierungsprogramm" zur Umschulung für die Beschäftigten in Bochum aufzulegen oder ein Projekt, eine Initiative zu starten oder unterstützen.
Ein Problem ist ja, dass die Jobs für gering qualifizierte Arbeitskräfte wegfallen, die die Handys per Hand zusammensetzen und in Kartons packen - was in Rumänien billiger gemacht werden kann, da dort geringere Löhne möglich sind. Hingegen Jobs in Forschung und Entwicklung in Deutschland erhalten bleiben. Qualifizierung und Weiterbildung sind daher die Maßnahmen, die für die Beschäftigten eine Perspektive bilden. Nokia könnte sich hier in einer Initiative mit Bildungsanbietern wie den Volkshochschulen,

Nun hat Nokia sich selbst in eine besonders unangenehme Kommunikationssituation manövriert - gestern teilte der Konzern auf seiner Bilanzpressekonferenz mit, dass das Unternehmen im Jahr 2007 die Netto-Gewinne um satte 67% auf 7,2 Millarden Euro steigern konnte.

"7,2 Milliarden Reinerlös - damit könnten die über 100 Jahre unsere Lohnkosten zahlen", rief die Nokia-Betriebsratsvorsitzende Gisela Achenbach bei einer alternativen Bilanzpressekonferenz.

Traumfall für Kommunikation und PR

Diese Situation ein "Traumfall" für die "gegnerische Kommunikation von Gewerkschaften, linken Parteien, Attac u.a. Wenn die Kommunikation und PR auf der Seite clever und schnell geführt wird und adäquate Formen entwickelt, kann das ohnehin im Ruhrgebiet vorhandene hohe Mobilisierungspotential und die ohnehin schon vorhandene Empörung und Erregung in kinetische Energie umgesetzt werden.

Was für Formen könnten dies sein:

Unterschriftenaktion
Internetseite www.sonichtnokia.de
Massmailing
Solidaritätsbändchen à la "Deine Stimme gegen Armut", eine Schleife, wie der Red Ribbon oder ein Button, ein BILD-Aufkleber "SO NICHT!"
Solidaritätskonzert mit Grönemeyer
Fernsehspots wie die Telekom-Kette zu Fußball-WM-Zeiten, oder mit Prominenten und normalen Bochumern ("Du bist Deutschland" - Du bist Bochum, Du bist Nokia)
Boykottaufrufe "NO-kia"
und vieles mehr ...

Wie erfolgreich professionell geplante und umgesetzte öffentliche, politisch-strategische Kommunikation ist, kann man nicht nur an dem Team um den britischen Premierminister Tony Blair der ersten Regierungszeit ablesen, sondern auch , satirisch überspitzt an dem Film Wag the Dog.

Der Film von Barry Levinson (Drehbuch u.a. David Mahmet) zeigt, wie politische Kommunikation unter den professionellen Händen eines Spin Doctors (Robert de Niro) und eines Hollywood-Producers (Dustin Hoffman) als dramatische Inszenierung funktioniert:

Um die öffentliche Aufmerksamkeit des Landes und der Medien von einem Vorfall abzulenken, bei dem der US-Präsident in irgendeinem sexuellen Kontext mit einer Pfadfinderin steht, legt der von der Stabschefin (Anne Heche) hinzugezogene Spin Doctor ein Gegenfeuer und erzeugt einen neuen Themen-Hotspot: Eine fiktive Krise und dann einen fiktiven Krieg mit Albanien. Das Land wird ausgesucht, weil niemand weiß, wo es liegt, aber alle irgendwie wissen, dass es dieses Land gibt.

In einer Pressekonferenz streiten die Sprecher unmotiviert ab, dass die angeblichen Truppenbewegungen irgendetwas mi den "B-2 Bombern" zu tun hätten. Die Presse fragt, was für B-2 Bomber, die Sprecher betonen noch einmal, dass sie zu den angeblichen B-2 Bombern nichts zu sagen haben - und schon reden alle nur noch über B-2 Bomber und die angebliche Krise.

Der Hollywood Produzent erzeugt fiktives News-Fernsehmaterial von dem Krieg in Albanien und in Folge dessen, alles, was zu einem Krieg gehört: Einen verlorengegangenen Soldaten namens Shoe, der zum positiven Identifikationsbild und Kriegshelden wird (Woody Harrelson), einen Song (Willie Nelson) "Old shoe" und in Bäume und über Leitungen geworfene Schuhpaare als Solidaritätszeichen.

Die Entstehung eines solchen Kommunikations- und Symbolsystems muss Nokia verhindern. Und umgekehrt, muss die Entwicklung und Umsetzung eines solchen kommunikativ erzeugten und angeheizten Erregungszentrums, um mal einen Sloterdijkismus zu verwenden, das Ziel der Gegenkommunikation von Gewerkschaften, Linken Bündnissen und Kirchen sein:

Bilder von tausenden von Menschen, die sich in Bochum solidarisieren, Politiker mit roten Schals und Mützen "Ich bin Bochum", Vertreter der Kirchen, Schauspieler, Fußballer - Hand in Hand mit Demonstranten, Schweigeminuten vor Fußballspielen, Anti-Nokia und Bochum-Solidaritäts-Transparente in den Stadien, usw.

Wie die Rheinische Post berichtet empfiehlt das Management von Nokia den Bochumer Mitarbeitern, nach Rumänien zu ziehen, um dort ihre Arbeit weiter zu führen.

Zum Thema auch "Billiges Geschwätz eines Handy-Riesen"

Donnerstag, Januar 24, 2008

USA 1 : Deutschland 0

Die Tools des Web 2.0 finden immer mehr Verbreitung selbst in traditionell kommunizierenden Organisationen und Einrichtungen, Parteien, Zeitungen, Medienhäusern. Überall wird gebloggt, geFlickRt und geYouTubet, bis der Arzt kommt.

Wenn man aber die Angebote der Präsidentschaftswahlkampfkandidatenkandidaten mit dem, was in Dütschland über den Äther geht vergleicht, sieht man, dass hier hinsichtlich Umsetzung und Performance noch Entwicklungspotential besteht.

Ein fantastisches viertes Quartal

Nokia hat seine Gewinne massiv gesteigert.

Der Nettogewinn stieg im vergangenen Jahr um 67 Prozent auf 7,2 Milliarden Euro.

"Nach so einem beeindruckenden Quartal ist es ein gutes Gefühl, hier Fragen zu beantworten", erklärte Kallasuvo auf der Bilanzpressekonferenz. Nokias "fantastisches viertes Quartal" habe dazu beigetragen, dass "2007 insgesamt zu einem Jahr mit starkem Wachstum und erhöhter Rentabilität für uns wurde [...]"

Vor dem Hintergrund der Schließung des Nokia-Werks in Bochum kommt man nicht umhin, an Brad Pitts Monologe in 12 Monkeys zu denken, in denen er erläutert, dass die Menschen als Produzenten überflüssig werden und lediglich als Konsumenten gebraucht würden.

"Ich will mich dafür entschuldigen, dass wir dazu kommen mussten, eine so schmerzliche Entscheidung zu treffen. Sie basiert aber auf soliden Argumenten", betonte Kallasvuo Er kündigte baldige Gespräche mit der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen ankündigte, um "innovative Lösungen für die Region Bochum zu finden". Nokia wolle zeigen, dass das Unternehmen ein "verantwortungsbewusster Teil der Gesellschaft" sei."

(Heise)

Sendung mit der Maus

Frage: Wie geht eigentlich Internet?
Antwort: SO!

Sprachschule für die Journaille

"Man kannte ihn nur noch flüchtig (Europa-Haftbefehl)."

BILD über Michael Graeter

Mittwoch, Januar 23, 2008

Mitarbeiter des Tages

Steven Colbert

An american Family

In der Vanity Fair von April 2007 findet sich eine Titelgeschichte über THE SOPRANOS, die gefeierte, von vielen Kritikern und Fans für die beste Serie aller Zeiten gelobte und geliebte Serie von HBO über den Mafia-Boss Tony Soprano aus New Jersey, und sein anstrengendes Leben zwischen seinen beiden Familien, zwischen Schutzgelderpressung, den Sorgen um den pubertierendem Sohn, den Zwängen der Mafia-Logik, die ihn auch dazu zwingt älteste Freunde umzubringen und seine Hilflosigkeit gegenüber dem Druck, den seine allmächtige Mutter auf ihn ausübt. Die Serie wurde, wie so viele andere vor ihr, in Deutschland durch den Sendetermin und die Synchronisation versenkt. Die ersten drei Staffeln wurden anfänglich Samstagabend dann Sonntagnachts im ZDF ausgestrahlt, bis sichergstellt war, das auch der Letzte, der nur ein entferntes Interesse hätte entwickeln können, abgeschreckt war. So bleibt die Serie ein ungehobener Schatz auf DVD.


Es gab anfangs falsche Berichte, in denen die SOPRANOS als "Comedy" um einen Mafia-Boss, der wegen PRoblemen mit seiner Mutter zu einer Psychiaterin geht, dargestellt wurde. Das führte dazu, dass viele nicht einschalteten, weil sie ANALYZE THIS schon gesehen hatten. Oder diejenigen, die gerade deswegen einschalteten und Italo-Parodien und Obster-Klamauk erwarteten, schalteten wieder aus, weil die Serie alles ist, außer Comedy. Es gibt Humor, es wird gelacht - aber eben so, wie im Leben eben auch gelacht wird und es komische Momente gibt. Die SOPRANOS ist klarstes Drama, ein epochales Familiendrama, das sich den Luxus der Stille leistet.

"Television is really an outgrowth of radio. And radio is just all yak-yak-yak-yak. And that's what television is: yak-yak-yak-yak. It's a prisoner of dialogue, film of people talking. Flashy words.", sagt SOPRANOS-Erfinder David Chase und so wird bei den SOPRANOS unendlich viel ohne Worte gesagt: Darin wie die Menschen sich physisch zueinander verhalten, wie sie essen, sich gemeinsam an den Tisch setzen, was sie zusammen und miteinander tun (oder eben nicht), sagt mehr aus als Worte.

Die Episode Down Neck der ersten Staffel, in der der pubertierende Sohn AJ Hausarrest bekommen hat, endet mit einer sehr langen Szene, in der nicht gesprochen wird. Wir sehen Tony und seinem Sohn zu, wie sie zusammen in der Küche stehen und sich ein Eis mit Sahne anrichten. AJ ist wütend und fühlt sich von seinem starken Vater gemaßregelt und zurückgewiesen. Anstatt Tony eine pathetische Rede darüber in den Mund zu legen, dass er AJ trotz allem liebe, sehen wir, wie er für sich und AJ ein überdimensioniertes Eis bereitmacht, ihm Sahne in den Mund sprüht und beide lachen, während die Kamera sich langsamzurückzieht und die erleuchtete Küchenzeile sich von der dunklen Wohnung abhebt wie eine erleuchtete Bühne. Einerseits kein Wunder, dass so etwas gewöhnungsbedürftig ist. Andererseits ein Wunder, dass diese Serie so erfolgreich wurde, dass manche sie die einflussreichste Produktion aller Zeiten nannten, und zwar nicht nur für das Fernsehen, sondern für dramatisches Erzählen im Film überhaupt.

This is not funny!

Der Erfinder der Serie, David Chase, berichtet, dass er im Filmgeschäft eine Reputation gehabt habe, zu düster zu sein.

"That's the term people out there like—I don't know what it means. It probably means 'too complicated.' Or it could mean 'too dark.'" Chase laughs. Says Lawrence Konner, an old friend who wrote three episodes of The Sopranos during the great third and fourth seasons, "David's reputation inside the TV industry was 'Good writer, good manager, but what's going on in his brain we don't want to be part of.'" Chase reciprocated. "I felt I was out of step with everything," he says. "I remember seeing Pretty Woman on an airplane. Everybody was laughing their heads off. 'Ho-ho-ho!' It wasn't funny to me, it wasn't dramatic—it wasn't anything. I thought, Why don't I just open the door and jump out?" (VF)

Zudem gibt es ein Interview mit David Chase

Dienstag, Januar 22, 2008

Oscar Nominierungen 2008

In Hollywood sind die Nominierungen für die Oscar Verleihung am 24. Februar bekannt gegeben worden.

Im Vergleich zu früheren Verleihungen sind es erstaunlich wenig Popcornfilme, die das Rennen untereinander ausmachen werden. Große Favoriten sind der Politthriller Michael Clayton mit George Clooney und No Country for old men von den Coen-Brüdern.

Überragender Favorit ist der von der Presse raunend schon als neuer Citizen Kane gefeierte neue Film There will be Blood von Regie-Wunderkind Paul Thomas Anderson (Boogie Nights, Magnolia, Punch Drunk Love), in dem der zurückhaltende Daniel Day Lewis die Hauptrolle übernommen hat und eine neuerliche Variation seines Bill the Butcher aus "Gangs of New York" gibt.

NO-kia

"Bedenkt man, wie Greenpeace mit vielfach überhöhten, falschen Zahlen doch Shell an der Versenkung der "Brent Spar" hinderte, politisch gar ein Verbot des Plattformversenkens durchsetzte - heißt die Perspektive: Verbrauchergewerkschaft.
Ich finde Boykottaufrufe von IG Metall bis Struck und Merkel aussichtsreich, und eine professionelle NO-kia-Kampagne sollte Managern klarmachen, dass Herkunft und Verantwortung vom Verbraucher als Teil der Produktqualität mitbezahlt werden. So wie es bei ökologischen Produktaspekten bereits gelingt."

Friedrich Küppersbusch in der taz

Der Schoß ist fruchtbar noch ...

Heute lesen wir in der Zeitung, dass Wolfgang Joop einen Parkwächter wegen Körperverletzung und Volksverhetzung angezeigt und das dieser wiederum den Modedesigner wegen Beleidung angezeigt habe.

Was uns wieder zu Jens Jessen, ZEIT-Feuilletonchef und seiner Kritik am deutschen Spießer bringt. In seinem Videoblog hatte er die Frage gestellt, ob der Rentner, der Jugendliche in einer U-Bahn aufgefordert hatte das Rauchen einzustellen, und von diesen im Folgenden zusammengeschlagen und schwer verletzt worden war, nicht den Endpunkt in einer endlosen Reihe von "Gängelungen, blöden Ermahnungen" und "Anquatschungen" sei. Infolgedessen war eine reißerische Debatte losgebrochen, über die breit berichtet wurde.

Der Vorfall im Schlosspark von Sans Souci nun gibt Anlass, Jessens Hinweis auf das Spießertum nochmal deutlicher in Blick zu nehmen. Schon 2005 hatte Jessen, worauf die SZ dankenswerter Weise hinweist, "darüber geschrieben, dass den Deutschen nicht zu trauen sei, weil Spuren des nationalsozialistischen Gedankenguts nach wie vor in den Köpfen der Spießer zu finden seien und sich von der Politik in den privaten Terror zurückgezogen habe" (SZ):

"Es steckt im gereizten Kern der Gesellschaft. Es steckt in den Aufpassern, den Liebhabern des Verbietens und Strafens, ... im Nachbarn, der die Kehrwoche kontrolliert, im Passanten, der den Falschfahrer anzeigt, ohne behindert worden zu sein, in der Mutter, die anderen Müttern am Spielplatz Vorhaltungen macht. Es steckt im guten Bürger, der seine eifernde Intoleranz auf Befragen wahrscheinlich als zivilgesellschaftliches Engagement ausgeben würde. [...]
Es ist nämlich nicht so, dass die 1945 heimatlos gewordene Sehnsucht nach der Volksgemeinschaft vor der Unmöglichkeit ihrer neuerlichen Umsetzung resigniert hätte. Sie hat sich vielmehr aus der Politik in den privaten Terror zurückgezogen. Sie inspiziert die Treppenhäuser, sie kontrolliert die Kleidung des Büronachbarn, sie missbilligt abweichendes Konsumverhalten und straft jeden Ehrgeiz, der sein Haupt aus der Menge hebt." (Die Zeit)

Siehe zum Thema auch den gut geschriebenen Artikel von Mariam Lau im SZ-Magazin zur moderneren Variante des New Spießertums.

Under influence

Die Süddeutsche Zeitung weist unter der Überschrift "Studienfach: Schnaps" auf ihrer Titelseite heute auf ein Problem hin, dass bekannt und unbekannt zugleich ist: Der Suff unter deutschen Studierenden:

"Das zumindest legt eine Studie des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim und der Universität Münster nahe, bei der 1130 Studenten der Universität Mannheim untersucht wurden. Jeder dritte Studierende bekennt sich in der aktuellen Umfrage zu regelmäßigen Saufgelagen. Männer greifen deutlich häufiger zur Flasche als Frauen. 44 Prozent der männlichen und 19 Prozent der weiblichen Studenten gaben an, regelmäßig viel Alkohol zu trinken und ihre Arbeit darüber zu vernachlässigen. [...] Jeder Fünfte von ihnen leidet nach der Studie an mindestens einer psychischen Störung, wobei Frauen fast doppelt so häufig darüber berichten wie Männer." (SZ)

Als Gründe werden wachsender Stress und Leistungsdruck durch die Umstellung auf die stärker verschulten Bachelor-Studiengänge angegeben. Schon im Juli vergangenen Jahres wies das Deutsche Studentenhilfswerk auf eine zunehmende Rate psychischer Erkrankung bei Studierenden hin.

Dabei geht es in den Beratungsangeboten zumeist um depressive Verstimmungen, Leistungsdruck oder Prüfungsangst. Nur zwei Prozent der Hilfesuchenden sprechen ein Alkoholproblem an.

Dies mag damit zusammenhängen, dass die Trinkerei zu einem, allgemein gebilligten Habitus und einer positiv konnotierten Sozialpraxis gehört. In der Twilight Zone zwischen Schule und Beruf erleben die jungen Erwachsenen eine Statuspassage, in der sie nicht mehr gegängelte Kinder und noch nicht voll verantwortliche Erwachsene sind.

Den eigenen Tages-, Wochen- und Semesterablauf zu organisieren und zu steuern, ist für viele eine neue, teils überfordernde, teils befreiende Erfahrung. Morgens die Entscheidung treffen zu können, nicht zum Seminar zu gehen, die Vorlesung ausfallen zu lassen und zum Frühstück gegen 13 Uhr sich das Video vom Vorabend im Kreis von WG-Freunden nochmal reinzuziehen, ist eine neue Erfahrung.

Sich in einem Umfeld zu bewegen, in dem alle diese Erfahrung machen und man nicht - wie Berufstätige - auf das Wochenende hinleben, sondern wo auch ein Dienstag oder Donnerstag in einer Party, Kneipentour, einer durchdiskutierte Nacht in einer Küche oder einer Knutscherei auf dem Hochbett enden kann, führt zu einer Parallelwelt bestehend aus WG, Clubs, Plattenläden, Cafés, Einkaufstrouen, Kinobesuchen, in der die Frage nach Angemessenheit aus dem Blick geraten können.

Oje Klischee

Dabei scheint es Unterschiede bei den Studierendengruppen zu geben. Unter Studierenden geisteswissenschaftlich ausgerichteter Fächer findet sich das Trinken als Teil eines Verhaltens, das auf ein einseitiges Ausleben der kulturkonsumtiven Seite des Lebens zum Zwecke der Selbstdarstellung, der Ausgestaltung des eigenen Profils (als Film-Buff, Musikexperte, Tiefenpsychologin mit Bachblütenexpertise usw.) ausgerichtet ist. Das Trinken ist hier ein Saint-Germain-des-Pres-Gestus.

Dies passt ins Bild der qua Studium hinterfragenden, zweifelnden, zu Tief- und Trübsinn neigenden verwirrten Seelen, deren Suchbewegung sich in einem, nichtlinearen Lebenslauf abbildet.

Nun kommt die Kampftrinkerei bemerkenswerterweise aber auch und besonders bei Studierenden vor, die gemeinhin als zielgerichtet, erfolgsorientiert, leistungsfixiert, in ihrem Stil und Habitus (bis hin zu politischen Einstellungen) als angepasst bis konservativ angenommen werden:

"Die Probanden waren im Schnitt knapp 23 Jahre alt, befanden sich im fünften Semester und studierten am häufigsten Betriebswirtschaftslehre (16 Prozent) oder Jura (15 Prozent)." (SZ)

Der Alkoholkonsum widerspricht dem entschlossenen Streben nach Erfolg, Einstieg in das Beförderungssystem und an selbstgesetzten Zielen nicht. So entschlossen gesoffen und gefeiert wird, so entschlossen wird auch gebüffelt.

Zum Thema auch: "Deprimierendes Studium" bei reticon

"Bierselige Wissenschaft" in der Online-Ausgabe der Welt

Gesundheitssurvey für Studierende NRW: Weniger Zigaretten, mehr Alkohol bei Bildungsklick

Montag, Januar 21, 2008

Dysplasia

Auf der Internetseite der Scientology-Kirche Berlin kann man sich schön informieren. Erhellend ist die Bildergalerie:

Bildunterschrift 1:
Unser neues Scientology-Informationszentrum. Hier können Sie in aller Ruhe unsere Hightech-Displays betrachten, die neben Text- und Bildteilen auch audiovisuelle Informationsbeiträge beinhalten. Lernen Sie das Leben L. Ron Hubbards kennen und seine Entdeckungen, die zu Scientology führten, und informieren Sie sich über Lehre und Praxis der Religion.

Bildunterschrift 2:
Displays mit hochauflösenden Plasmaschirmen zeigen die Grundlagen der Scientology in Wort und Bild.


Bildunterschrift 3:
Ein Teil der Displays des Scientology-Informationszentrums zeigt die verschiedenen Sozialprogramme der Kirche.

Bildunterschrift 4:
Zum Buchladen-Informationssystem gehören ein audiovisuelles Display und ein Sensorbildschirm. Im Menü des Sensorbildschirms sind die verschiedenen Arten der erhältlichen Bücher und Vorträge angegeben. Auf Knopfdruck erscheinen eine Zusammenfassung und eine Beschreibung des gewählten Buchs oder Vortrags. Zudem kann man sich durch Druck auf den „Play“-Knopf einen kleinen Auszug aus der jeweiligen Vortragsreihe anhören, der auf dem großen Bildschirm visuell eindrucksvoll untermalt ist.

Bewaffnetes Amerika

Der Artikel über den Waffenfanatismus der Amerikaner von Andrian Kreye ist durchwachsen, die Fotostrecke aber, entnommen aus dem Bildband "Bewaffnetes Amerika" von Kyle Cassidy hingegen hervorragend!

Kalt und Böse

"Das Dschungel-Camp ist für mich wie eine Oben-ohne-Bar. Kalt und böse." F.J. Wagner

Autsch

In der Süddeutschen Zeitung findet sich heute auf Seite 15 die Rezension zweier Bücher über Hillary Clinton: "Hillary Clinton. Die Macht einer Frau" von Carl Bernstein und "Hillary Clinton - I am in to win" von Christiane Oppermann. Dabei widmet sich der Artikel komplett dem fast 1000 Seiten schweren Opus des Watergate-Journalisten Bernstein und geht nur im letzten Abschnitt auf Oppermanns Buch ein:

"Wer alles kürzer haben will, kann getrost zur Biographie der deutschen Journalistin Christiane Oppermann greifen. Dort kann man nachlesen, was man ohnehin schon weiß, oder irgendwie schon mal gelesen hat. Nur ist es übersichtlich zusammengefasst, wenn auch manchmal ziemlich banal geschrieben. Wie scheiterte zum Beispiel eine Sufragette mit der ersten Kandidatur einer Frau fürs höchste Amt der USA? Kläglich! Natürlich. Wie ist das "Ticket", die Nominierung für die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten? Begehrt. Natürlich. Aber sonst richtet Oppermanns Opus keinen weiteren Schaden an."

Autsch!

Siehe zum Thema schriftsprachlicher Plattitüden, von Max Goldt "phrasisch" genannt, den hervorragenden Artikel "Toyota Prosa"von Matthias Altenburg, über den Autor Robert Schneider:

"Noch hat die Geschichte nicht begonnen, schon "lauerte" der Friede ein erstes Mal, schon sind die Berge "vergangen", und die kleine Heldin Antonia hat sich in einer Landschaft "vorgefunden". Was bleibt dem Mädchen da noch anderes übrig, als zu singen, mit "einer Fülle, die immer leuchtender wurde, ohne laut zu sein". Man wünschte sich sehr, es würde in diesem Buch ein einziges Mal einfach nur gegangen, doch hier wird stattdessen "gestapft", "gestiefelt", "gestelzt" "geschritten" und einmal sogar "gefüßelt". Hier dürfen die Leute nicht einfach fühlen oder glauben, hier "dünkt" ihnen dauernd, hier müssen sie sich ständig "wähnen". Selbst eine Impression darf nicht bloß Eindruck machen, sondern es muss in sie "gestolpert" werden, und das, kurz nachdem "eine wahre Fundgrube an Tönen und Geräuschen" "entdeckt" wurde. Hätte nur gefehlt, dass sie gefunden worden wäre, die Fundgrube. Es gibt eine "dioptriengeschwängerte Brille" und "quartergroße" Schneeflocken (quadergroß?), jemand ist "innerlich gerührt" (wie auch sonst?), bevor er seinen "Gedankenblitz nicht voll erstrahlen" (oder erblitzen?) lassen kann." (Die Zeit)

Sonntag, Januar 20, 2008

Straff! STRAFF! Mit da Schnitzel and the Saurkraut!

Was sagt man zu Tom Cruise und zu seinem krypto-Faschismus? Er bekam zuletzt von Scientology die "Freedom Medal of Valor" verliehen, einen lustigen Karnevalsorden am blauen Hosenband im Wert von mindestens 2,50 Eur und redet sich in seiner Ansprache in einen schwülstigen Rausch, dass man in Nürnberg den Lichterdom anknipsen will.


Man beachte, wie er besonders drahtig, fest, entschlossen dem Chef zuklatscht und beherzt, drahtig seine Hand schüttelt:

Die Ansprache, die erhält

ist nicht nur 1.) ein Verschnitt aller seiner Ansprachen, die er in Rührung erzeugenden Rollen gehalten hat (was an Ronald Reagan erinnert, der in seiner Präsidentschaft alle Nase lang ganze Textpassagen aus Filmrollen rezitierte, was wieder einmal zeigt, dass professionelle Schreiber immer noch die besten Texte formulieren), und

evoziert 2.) v.a. ein faschistoides orgiastisches Gruppenzugehörigkeitsgefühl, in dem sich die ganzen desorientierten Hollywood-Schlaffis ("Buhuuuuu ich kann mir keinen Drehbuchdialog merken...") als Teil von etwas fühlen können ("Are we gonna clean this up?" YEAAAAAAAAAAAH!")- und macht die Bedeutung Tom Cruises für Scientology als Multiplikator deutlich ("I met the LEADERS of Leaders .. OK? I met them ALL!.."). In Abwandlung von Wiglaf Drostes Beschreibung für das Phänomen "Love Parade" möchte man sagen: "Verstand heißt die Hürde, die nehmen muss wer das viel gepriesene 'positive Denken' hinbekommen will. Bei Tom Cruise und den seinen war das Hindernis niedrig und wurde einfach überrannt."

und 3.) die Kriterien erfüllt, die Roland Reichenbach für "Kitsch" aufgestellt hat als da u.a. wäre, dass es im Kitsch immer darum geht, dass man sich selbst in seinem gerührt-sein, ergriffen-sein erlebt (und eben nicht das Objekt) und anstrebt, sich in diese Art Stimmung zu versetzen, in der man sein Fühlen fühlt:

"Kitsch ist der auf den Darsteller oder den Empfänger selbst gerichtete Genuss. (...) immer meint Kitsch das Genießen um des Genusses willen und nicht um der Sache willen. Während das Letztere der typischen Transzendenz des ästhetischen Genusses entspricht, bleibt Ersteres ganz im Schoße der Immanenz, welche typischerweise als Sentimentalität oder Gefühlslust begriffen wird." (Pädagogischer Kitsch. Antrittsvorlesung an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, 31.1.2003)

Schön auch, wie Cruise LRH (L. Ron Hubbard), der auf einem Portrait links von der Bühne abgebildet ist, zackig entschlossen salutiert!

Neben Tom Cruise steht David Miscavige, der oberste Führer der Scientologen, von Tom Cruise als großer Führer gepriesen. Was für hypnotische Augen, was für ein bestimmtes Auftreten! Tonnerwetter!

Und hier gibt es noch ein verrücktes Interview mit Tom Cruise, bei dem man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass Scientology ruise vielleicht geholfen haben mag, sein Leben in die Spur zu bekommen, jedoch schweren Schaden am Sprachapparat hinterlassen hat: "I mean like pfeeeee you know..."

Presseschau:

"Und auf einmal sieht man klar. Mit aller Macht versucht Scientology, das Werbevideo von Tom Cruise, in dem er über die Organisation spricht, zu verbannen. Weil es seine Persönlichkeit authentisch zeigt?" fragt der Tagesspiegel.

"Von einem Verfahren namens Käi-Es-Dablju ist die Rede. Hört sich nach Kentucky Fried Chicken an, steht aber für "Keep Scientology Working" spaßt der Stern.

"Cruise will die Welt säubern" bei der Zeit

Tobias Kniebe erklärt in der Süddeutschen Zeitung, warum seiner Ansicht nach Scientologie von den Unruhen, um die nicht autorisierte Cruise-Biographie und die aufgetauchten Videos profitieren werde. Kniebe erinnert die Scientology Veranstaltung so "fanatisch und beunruhigend" sie sei, eher an eine interne Motivationsveranstaltung von Microsoft ("Sollen wir die Idioten von Google fertigmachten?" "Yeah!")

Scientology und David Miscavige beim Verfassungsschutz Baden Württemberg

Scientology beim Bundesamt für Verfassungsschutz

und nochmal der Hinweis auf Schirrmachers in kruden Worten gesetzte Lobeshymne "Wir in ihren Augen" auf Singers/Cruises Stauffenberg-Film "Valkyrie" und die launige Replik der Taz.

Fuckten, Fuckten, Fuckten

Der immer knallhart recherierte Spiegel geht auch kommende Woche in Absehung von Quote und Maintream an die Themen, an die sich sonst niemand rantraut. Hitler, Sex, Gewalt, ... oder Sex (oder Hitler). Nicht ganz GALA, nicht der Stern surft die Hamburger Werbepostille im Layout zwischen dem Sexappeal von Readers Digest und dem Gong derilierend um den informatorischen Nullwert. Es ist wohl kaum zu hellseherisch, wer Bilder und Referenzen zu Willy Brandt, JFK, (Hitler?), sogar das Kohl, mit Sicherheit nicht das Merkel (Was läuft da mit Koch?)
erwartet ...