Freitag, Februar 12, 2016
Donnerstag, Februar 11, 2016
Dienstag, Februar 09, 2016
The Case for Reparations: Was schulden die USA ihren afro-amerikanischen Bürgern?
In seinem umfangreichen Artikel THE CASE FOR REPARATIONS beschreibt der afro-amerikanische Journalist Ta-Nehisi Coates, wie Afro-Amerikaner in den USA durch Gesetze systematisch sozialer Aufstieg verhindert wurde.
Am Beispiel Chicagos und den Auswirkungen der Förderrichtlinien der Federal Housing Administration FHA, die Kredite für Immobilienkauf versichert zeigt Coates, wie Afro-Amerikaner systematisch daran gehindert wurden, Immobilien zu erwerben; wie verhindert wurde, dass sie in Stadtteile ziehen, die über gute Infrastruktur und gute Entwicklungsperspektiven verfügen; wie sie gezwungen wurden, in weniger gut entwickelten Vierteln Immobilien zu kaufen - die damit einen geringen Wert hatten und diesen auch noch langfristig verloren - und dies über ausbeuterische Wucher-Verträge.
Anstatt, dass die staatliche FHA systematisch Kredite von Menschen versichert, die Schwierigkeiten haben, über den normalen Markt an Kredite zu kommen, nämlich Afro-Amerikaner, entwickelte die FHA für ihre Versicherungsvergabe ein System, dass im Ergebnis ausschließlich Weiße unterstützte.
Die FHA entwickelte ein Bewertungssystem, um Bezirke und Stadtviertel bezüglich ihres Entwicklungspotentials zu bewerten. Auf den solchermaßen entwickelten Karten gab es Bezirke, mit "A" bewertet wurden: nachgefragte, attraktive Viertel, in denen "nicht ein einziger Ausländer oder Farbiger" wohnt, wie es hieß.
Wer in diesen Bezirken ein Haus kaufen oder bauen wollte, hatte gute Aussichten darauf, eine Versicherung der FHA für einen Kredit zu bekommen und dadurch leichter an einen Kredit zu gelangen. Stadtviertel, in denen Farbige lebten wurden mit "D" bewertet. Farbige wurden als "Kontamination" betrachtet.
Entsprechend wurden Farbige angefeindet, wenn sie es dennoch schaffeten oder versuchten, in "weiße Viertel" zu ziehen - weil damit automatisch der Wert der anderen Immobilien gefährdet war: So wurden Daisy and Bill Myers mit Ku-Klux-Klan artigen Protesten mit brennenden Kreuzen "begrüßt" als sie in das Weiße Viertel Levittown, Pennsylvania zogen. Ein Nachbar sagte, dass Bill Myers was “vermutlich ein netter Typ" sei. "Aber jedesmal, wenn ich ihn ansehe, sehe ich mein Haus 2.000 Dollar an Wert verlieren."
The Story of the Contract Buyers League from The Atlantic on Vimeo.
Auf dem Stadtplan der FHA wurden Zonen, in denen Farbige wohnten, rot markiert. Diese Politik des "Redlining" bildete die Grundlage für Unternehmen, die Kredite vergaben.
Staatliche Kreditvergabe wie Nürnberger Rassegesetze
Damit war es praktisch für Afro-Amerikaner nicht nur unmöglich, staatliche Unterstützung für Kredite für den Immobilienkauf zu bekommen: sie waren vom "normalen" Kredit und Immobilienmarkt insgesamt ausgeschlossen - durch offizielle staatliche Regelungen.
Die Regierung hätte verlangen können, dass Immobilienentwickler und Kreditvergeber, die staatliche Förderung in Anspruch nehmen wollen, sich an Vorgaben der Anti-Diskriminerung halten, erklärte 1955 Charles Abrams, Experte für Stadtentwicklung, der mithalf, die New York City Housing Authority aufzubauen. “Stattdessen folgte die FHA einer rassistischen Politik, die genauso aus den Nürnberger Rassegesetzen hätte abgeleitet werden können.”
Solchermaßen vom normalen Immobilienmarkt ausgeschlossen, in marginalisierte Stadtbezirke eingepfercht, wurden Afro-Amerikaner, die dennoch ein Haus kaufen wollten, das Opfer krimineller Kreditanbieter. Diese verkauften Häuser zu einem vielfachen des eigentlichen Wertes und zu Bedingungen, die an mafiöse Schutzgelderpressungen erinnern: Die Kreditnehmer mussten überzogene Raten bezahlen. Verpassten sie eine Rate, verloren sie das Haus und alle bislang gezahlten Einlagen. Die Praxis, Häuser "on contract" zu kaufen, kombinierte die Pflichten des Hauseigentümers ohne die damit verbundenen Rechte zu gewähren. So konnten die Kreditgeber ein und dasselbe Haus gleich mehrfach "verkaufen", wenn sie eine Familie, die ihre Raten nicht gezahlt hatte, aus dem Haus geworfen und dieses dann einer anderen Familie verkauft hatten.
Zweite Ausbeutung der Sklaven
Das Ganze geschah vor dem Hintergrund einer großen Binnenflucht in den USA der frühen 40er bis 60er Jahre, in denen gut sechs Millionen Afro-Amerikaner aus den Südstaaten in den Norden flohen. Sie kamen nicht aus freien Stücken, als Glückssucher, sondern als Flüchtlinge: Sie flohen aus dem Süden aus Angst vor Lynch-Justiz, aus einem System, von dem sie keine Gerechtigkeit zu erwarten hatten, keinen Zugang zu Bildung, keine Hoffnung auf Besserung ihrer Lage oder der ihrer Kinder und Enkel.
So vergingen sich die USA ein zweites Mal an den ehemaligen Sklaven: Durch ein System strukturellen Rassismus wurden sie zu Flüchtlingen, die dann wiederum unterstützt durch die rassistische Förderpolitik der Immobilienkredite das große Reservoir auszubeutendender Opfer für weiße Kredithaie bildeten.
Der preisgekrönte Journalist Ta-Nehisi Coates hat diese, schon vielfach dokumentierte Tatsache in seiner faszinierenden Reportage kompakt zusammengefasst, die derzeit in den USA breit diskutiert wird - weil sie mit der Beschreibung der früheren Ungerechtigkeit die Forderung nach Reparation und Wiedergutmachung und im Weiteren nach offizieller Anerkennung des geschehenen Unrechts verbindet.
Am Beispiel Chicagos und den Auswirkungen der Förderrichtlinien der Federal Housing Administration FHA, die Kredite für Immobilienkauf versichert zeigt Coates, wie Afro-Amerikaner systematisch daran gehindert wurden, Immobilien zu erwerben; wie verhindert wurde, dass sie in Stadtteile ziehen, die über gute Infrastruktur und gute Entwicklungsperspektiven verfügen; wie sie gezwungen wurden, in weniger gut entwickelten Vierteln Immobilien zu kaufen - die damit einen geringen Wert hatten und diesen auch noch langfristig verloren - und dies über ausbeuterische Wucher-Verträge.
Anstatt, dass die staatliche FHA systematisch Kredite von Menschen versichert, die Schwierigkeiten haben, über den normalen Markt an Kredite zu kommen, nämlich Afro-Amerikaner, entwickelte die FHA für ihre Versicherungsvergabe ein System, dass im Ergebnis ausschließlich Weiße unterstützte.
Die FHA entwickelte ein Bewertungssystem, um Bezirke und Stadtviertel bezüglich ihres Entwicklungspotentials zu bewerten. Auf den solchermaßen entwickelten Karten gab es Bezirke, mit "A" bewertet wurden: nachgefragte, attraktive Viertel, in denen "nicht ein einziger Ausländer oder Farbiger" wohnt, wie es hieß.
Wer in diesen Bezirken ein Haus kaufen oder bauen wollte, hatte gute Aussichten darauf, eine Versicherung der FHA für einen Kredit zu bekommen und dadurch leichter an einen Kredit zu gelangen. Stadtviertel, in denen Farbige lebten wurden mit "D" bewertet. Farbige wurden als "Kontamination" betrachtet.
Entsprechend wurden Farbige angefeindet, wenn sie es dennoch schaffeten oder versuchten, in "weiße Viertel" zu ziehen - weil damit automatisch der Wert der anderen Immobilien gefährdet war: So wurden Daisy and Bill Myers mit Ku-Klux-Klan artigen Protesten mit brennenden Kreuzen "begrüßt" als sie in das Weiße Viertel Levittown, Pennsylvania zogen. Ein Nachbar sagte, dass Bill Myers was “vermutlich ein netter Typ" sei. "Aber jedesmal, wenn ich ihn ansehe, sehe ich mein Haus 2.000 Dollar an Wert verlieren."
The Story of the Contract Buyers League from The Atlantic on Vimeo.
Auf dem Stadtplan der FHA wurden Zonen, in denen Farbige wohnten, rot markiert. Diese Politik des "Redlining" bildete die Grundlage für Unternehmen, die Kredite vergaben.
Staatliche Kreditvergabe wie Nürnberger Rassegesetze
Damit war es praktisch für Afro-Amerikaner nicht nur unmöglich, staatliche Unterstützung für Kredite für den Immobilienkauf zu bekommen: sie waren vom "normalen" Kredit und Immobilienmarkt insgesamt ausgeschlossen - durch offizielle staatliche Regelungen.
Die Regierung hätte verlangen können, dass Immobilienentwickler und Kreditvergeber, die staatliche Förderung in Anspruch nehmen wollen, sich an Vorgaben der Anti-Diskriminerung halten, erklärte 1955 Charles Abrams, Experte für Stadtentwicklung, der mithalf, die New York City Housing Authority aufzubauen. “Stattdessen folgte die FHA einer rassistischen Politik, die genauso aus den Nürnberger Rassegesetzen hätte abgeleitet werden können.”
Solchermaßen vom normalen Immobilienmarkt ausgeschlossen, in marginalisierte Stadtbezirke eingepfercht, wurden Afro-Amerikaner, die dennoch ein Haus kaufen wollten, das Opfer krimineller Kreditanbieter. Diese verkauften Häuser zu einem vielfachen des eigentlichen Wertes und zu Bedingungen, die an mafiöse Schutzgelderpressungen erinnern: Die Kreditnehmer mussten überzogene Raten bezahlen. Verpassten sie eine Rate, verloren sie das Haus und alle bislang gezahlten Einlagen. Die Praxis, Häuser "on contract" zu kaufen, kombinierte die Pflichten des Hauseigentümers ohne die damit verbundenen Rechte zu gewähren. So konnten die Kreditgeber ein und dasselbe Haus gleich mehrfach "verkaufen", wenn sie eine Familie, die ihre Raten nicht gezahlt hatte, aus dem Haus geworfen und dieses dann einer anderen Familie verkauft hatten.
Zweite Ausbeutung der Sklaven
Das Ganze geschah vor dem Hintergrund einer großen Binnenflucht in den USA der frühen 40er bis 60er Jahre, in denen gut sechs Millionen Afro-Amerikaner aus den Südstaaten in den Norden flohen. Sie kamen nicht aus freien Stücken, als Glückssucher, sondern als Flüchtlinge: Sie flohen aus dem Süden aus Angst vor Lynch-Justiz, aus einem System, von dem sie keine Gerechtigkeit zu erwarten hatten, keinen Zugang zu Bildung, keine Hoffnung auf Besserung ihrer Lage oder der ihrer Kinder und Enkel.
So vergingen sich die USA ein zweites Mal an den ehemaligen Sklaven: Durch ein System strukturellen Rassismus wurden sie zu Flüchtlingen, die dann wiederum unterstützt durch die rassistische Förderpolitik der Immobilienkredite das große Reservoir auszubeutendender Opfer für weiße Kredithaie bildeten.
Der preisgekrönte Journalist Ta-Nehisi Coates hat diese, schon vielfach dokumentierte Tatsache in seiner faszinierenden Reportage kompakt zusammengefasst, die derzeit in den USA breit diskutiert wird - weil sie mit der Beschreibung der früheren Ungerechtigkeit die Forderung nach Reparation und Wiedergutmachung und im Weiteren nach offizieller Anerkennung des geschehenen Unrechts verbindet.
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