Samstag, März 01, 2008
Aufmerksamkeitsstrom
Jedoch verrät diese Top 5 einiges über das Publikum.
Auf den Spitzenplätzen rangieren quer durch die Bank oftmals Sensationsmeldungen. Alle interessieren sich zuerst für Explosionen, Weltrekorde und Papstbesuche. Allein bei den anderen Themen (Ökologie, Politik, Wirtschaft, Sport, Autos, bizarre Piercings, ...) werden Nuancen im Publikumsprofil erkennbar.
So interessiert sich der/die gemeine taz-Leser/in für
1. Politk
2. Sex
3. Bio-Nahrung
4. Politik
5. Geld
und so sieht das dann aus:
Die Studienräte von der ZEIT interessieren sich erwartungsgemäß für die seriösen Themen. Unernstes oder schalkhaft-anrüchig Doppeldeutiges wird als Marginalentertainment in der Bildgalerie goutiert:
Beim Tagesspiegel bunzen v.a. Berlin-Themen in den Top 5:
Bei der Welt geht es stilvoll-boulevardesk-international zu. Mann interessiert sich für Technik, Politk unter People-Aspekt und auch für Unfälle:
Beim Fokus ist es die bekannte Mischung aus Politik und Wirtschaft:
Bei "Bild-Online mit mehr Buchstaben" interessiert sich das Publikum im Grunde nur für Klamauk-Themen:
Bei der Financial Times Deutschland sind es erwartungsgemäß Finanz- und Wirtschaftsthemen:
und was ist bei der Bild der "meistgelesene News-Artikel"?
Bild Dir Deine Meinung
Anyhoo. Die Bild ist Papier gewordener Jahrmarkt und lebt v.a. vom Prinzip "Zurschaustellung": Seien es die Taten, Leistungen, Ausrutscher berühmter Leute, aufsehenerregende Ereignisse, Unfälle und überhaupt alles, was den Volkskörper am Tresen zum Vibrieren bringt. Das erklärt das Nebeneinander von Seite-1-Mädchen, Text- und Bildarbeit, die immer den kürzesten Weg zur klebrigen Doppeldeutigkeit sucht, neben krokodilträniger Wertedeklamation und Papsthofierung die Ruf-mich-an-Anzeigen "notgeiler Omas", die "Abspritzgarantie" versprechen platziert, stammtischgerechtigkeitsrigoristische Vergewaltigerprozessberichterstattung neben anzüglicher Darstellung des Vorgangs, so dass das Publikum im Gestus der Empörung und Verurteilung nicht auf einen pornographischen Mehrwert verzichten muss.
Zum Zwecke der Erregung genügt Bild auch oft Spekulation ("HAT SIR PAUL SEINE FRAU MIT EINER STANGE BLUTIG GESCHLAGEN?"), die sich völlig von Recherche und Stichhaltigkeit entkoppelt hat. Einen neuerlichen Tiefststand erreichte die Bild, als sie während der Entführung der deutschen Archäologin Susanne Osthoff im Irak mit der spekulativen Titelzeile "Wird sie geköpft" aufmachte und dabei unverkennbar das noch nachhallende Entsetzen der Welt über die auf Video aufgezeichnete und im Internet verbreitete Enthauptung des Amerikaners Nicholas Berg publizistisch zu bewirtschaften versuchte. Der ZEIT-Herausgeber Michael Naumann sprach seinerzeit von "Schweinephantasien" und von einer "Extra-Ausgabe der Morallosigkeit dieses Zentralorgans des moralischen Analphabetismus".
Heute erfreut die Bild uns wieder mit einer weiteren solchen Sonderausgabe des moralischen Analphabetismus, eines den Raum des absonderlichen, abstoßenden, kriminellen, pornographischen bis zum gehntnichtmehr auslotenden Journalismus, der sich nicht darauf beschränken will über Geschehenes unter Rückgriff auf vorliegendes Bild- und Tonmaterial sowie Rechercheergebnisse zu berichten, sondern auch auf spekulative Inszenierungen zurückgreift, um aus einer Meldung einen publizistischen Mehrwert herauszuholen. So berichtet die Bild heute in ihrer Online-Ausgabe:
Nicht aufgefallen? Etwas näher also:
Es genügt der Bild nicht, dem Leser mit illustrativen, in Großbuchstaben gesetzten Beschreibungen einen wohlig-gruseligen Schauer den Rücken herunterlaufen zu lassen.
Für diejenigen, denen das Lesen nicht reicht, hat BILD-Zeichner Thomas Kuhlenbeck dankenswerterweise eine Illustration erzeugt.
Kuhlenbeck greift häufiger für die Bild zum Pinsel, und seine Galerie umfasst einige Exemplare des "So muss es ausgesehen haben"-Genres, z.B. die bekannten Frühwerke:
"Mädchen (2) von Gepäckband verschluckt" oder "Junge (16 Monate) liegt drei Tage neben toter Oma"
Noch Fragen? Falls ja, bitte hier nachschlagen:
Deeper
Bettina "Bettie" Ballhaus
Freitag, Februar 29, 2008
Spielpfanne, Spielmosaik, Spielunterlassung, Spielblitz
Ballhaus: Bei mir stehen Fernsehteams vor der Tür und es wird über mich berichtet. Aber meine Fans werden dadurch nicht mehr. Im Gegenteil, die Fans, die ich habe, regen sich auf, weil ich nicht mehr beim DSF bin. Die bringen das Lied mit meiner Kündigung dort in Verbindung. Aber das hat nichts miteinander zu tun, auch wenn es eine Boulevardzeitung geschrieben hat. Ich konnte mich schon lange mit dem Format und meiner Arbeit dort nicht mehr indentifizieren. Das klingt vielleicht arrogant, aber ich finde mich selber für die "Ruf mich an!"-Nummer ein bisschen zu groß.
SPIEGEL ONLINE: Und womit identifizieren Sie sich jetzt?
Ballhaus: Ich mache Kunst.
SPIEGEL ONLINE: In welcher Richtung?
Ballhaus: In der Richtung, dass mein Körper aus Kunststoff nachgeformt wird. Mal stehe ich, mal liege, mal sitze ich. Da wird ein Abdruck gemacht, ich verharre in meiner Pose, bis das Material ausgehärtet ist. Der Torso wird dann dekoriert, entweder mit Samt oder Chiffon und dann eingerahmt.
SPIEGEL ONLINE: Sie scherzen.
Ballhaus: Nein, das ist schon wahre Kunst, was ich da mache.
[...]
SPIEGEL ONLINE: Wieviel verkaufen Sie denn von Ihren Kunst-Kunststoff-Körpern?
Ballhaus: Die Plastiken liegt natürlich in einer Preiskategorie, die sich Otto-Normalverbraucher nicht leisten kann. Das ist etwas für Sammler und solche, die ihre Wohnungen mit gewisser Klasse und Stil ausstatten wollen.
Humanitas
Donnerstag, Februar 28, 2008
Ach so!
Jamie Foxx: Nein, natürlich nicht. Mit der einzigen Ausnahme: wenn es sich um Notwehr handelt. Oder wenn meine Familie bedroht wird. Meine Tochter habe ich zum Beispiel zum Schießunterricht geschickt.
VF: Aber Ihre Tochter ist gerade mal zwölf Jahre alt.
J.F. Nein, sie ist schon 13.
(Vanity Fair Deutschland)
The Kingdom
Gleich vorweg: Dies ist ein Action/Polizei-Film, keine politischer-post-9/11-Film à la SYRIANA. Der Spiegel hat durchaus recht: "Doch so komplex dieser Charakter auch angelegt ist – die humanistische Botschaft von "Operation: Kingdom" schrumpft auf zwei dubiose Leitsätze. Erstens: Nicht alle Araber sind Verbrecher. Zweitens: Die meisten aber irgendwie doch. Wie hier alte Männer und Kinder als potentielle Bombenträger in Szene gesetzt werden, ohne ihre Motivation ergründen zu wollen, ist schon unzulässig suggestiv."
Und auch DIE WELT hat Recht: "Regisseur Berg beginnt sichtlich bemüht um Differenzierung; man versteht die Argumente der Militärs, die sich einmischen wollen, um die Mörder ihrer Kameraden zur Strecke zu bringen, und auch die Argumente der Diplomaten, die einwenden, gerade die ständige Einmischung fördere die anti-westliche Stimmung im Nahen Osten. Diesen Standpunkt ausgeglichenen Abwägens verlässt Berg jedoch schnell. Nahezu alles, was Jamie Foxx und seine Mitermittler erleben, stützt die These, dass die Saudis dringend amerikanischer Nachhilfe bedürfen. Beständig konstruiert „Operation: Kingdom“ den Gegensatz: Die Profis ermitteln zielorientiert, die Amateure werden durch ihre Religion behindert; die FBI-Leute durchsuchen das Dreckwasser am Fuße eines Bombenkraters mit bloßen Händen nach winzigen Indizien, die Saudi-Kollegen stehen am Kraterrand gaffend herum; die Amerikaner sind hochmotiviert, ein Prinz scheint an der Aufklärung desinteressiert."
Aber als Actionfilm, ist THE KINGDOM herausragend.
Die Action ist derartig realistisch fotografiert und wird von einem Sound unterstützt, dass es einen aus dem Sessel bläst. Das realistische Sounddesign erinnert an die epochale Schießerei am Ende von HEAT - kein Wunder, ist Michael Mann hier doch auch Produzent, und überhaupt erinnert der Stil in seiner dokumentarischen Bildsprache (es wurde immer gleichzeitig mit 3 Kameras gedreht) an den Anfang von Michael Manns INSIDER.
Anders als die entkoffeinierte Vorabendserien-Action geht es hier mit direkter Brutalität zur Sache, die eben nicht John Woo-eskes Ballett ist, sondern in ihrer harten Physikalität an Bourne Identity erinnert.
Im Interview erzählt Jennifer Garner: "Wir hatten eine tolle Kampfszene, die sich von allem unterscheidet, was ich bisher gemacht hatte. Denn sie war nicht so choreographiert, wie ich mir das von anderen Filmen gewohnt war. Der Regisseur sagte einfach: «Macht einfach mal und versucht den anderen zu töten.». Das ist sehr ungewöhnlich, denn normalerweise sind Kampfszenen mehr wie ein Tanz. Hier haben sich zwei Leute einfach attackiert und um ihr Leben gekämpft. Das hat das ganze viel rauer und realistischer gemacht."
Herausragend ist auch die Animation zu Beginn des Films, die die Entwicklung Saudi Arabiens zum Öl-Staat und das Verhältnis der USA in 1 Minute erzählt.
Top-IMDB-Erkenntnis des Films: Der Regisseur Peter Berg ist auch Schauspieler und hat u.a. in COP LAND den Ehemann der zuckersüßen Annabella Sciorra gespielt.
www.thekingdommovie.com
Mittwoch, Februar 27, 2008
Montag, Februar 25, 2008
Sonntag, Februar 24, 2008
American Idol
Viele Jugendliche halten das Internet für eine virtuelle Reproduktion des überschaubaren Netzwerks ihrer Peer Group und übersehen scheinbar oftmals, dass Links, Postings, hochgeladene Bilder, eingerichtete Profile keine Privatsachen sind, bei denen man deren Verwendung kontrollieren kann.
Aber es muss nicht immer gleich um Mobbing via MySpace und schülerVZ oder die Gefahren der Pädophilie im Chatroom gehen. Es gibt auch amüsant-peinliche Satellitenphänomene. So ist das Internet-Video-Genre "junge Mädchen übernachten bei Freundin und filmen sich dabei, wie sie im Hobbykeller/Kinderzimmer/Bügelzimmer zu ihren Lieblingssongs aus einem Ghettoblaster ergänzt durch Umweltgeräusche wie Fingerschnippen, dem Sockenrutschen auf Teppich, tanzen" eine genuine Innovation, die die Welt YouTube zu verdanken hat.
Amanda bringt es in dieser Kategorie locker auf einen Spitzenplatz. "JackieDiamond24", wie ihre YouTube-Identität heißt, ist vielseitig begabt. Sie schreibt ("The Colony Beloved"), sie singt und tanzt in der heimischen Wäschekammer. Dabei sind Neuinterpretationen bekannter Klassiker und eigenes Material.
"I know, many wonder why i'm not in a studio, but as i mentioned before i aint looking to being a singer/dancer."
Man kann Amanda nur wünschen, dass sie aus diesem pubertären Traum nie erwacht - denn diese Videos werden sie ihr Leben lang verfolgen.