Freitag, März 23, 2007

Mainstream Meinung

Soeben LUCKY NUMBER SLEVIN gesehen und bestens unterhalten gewesen. Trotz all der Killerei. Pourquoi? Parce-que Lucy Liu! Can she be any more cute?

E-Mail-Love-Story

Selten einen so schönen, kurzen Text gelesen, der nur aus eigener Erfahrung stammen kann.
Das Prinzip Betreffzeile im Magazin der Süddeutschen Zeitung.

Donnerstag, März 22, 2007

Trailershow

Die etwas andere Trailer-Show

The Astro Zombies (1968)
The man from Planet X (1953)
The Horror of Beach Party (1964)
Frankenstein meets Spacemonster (1965)
Queen of Blood (1966)
Robot Monster (1953)
It came from outer Space (1953)
The Creature from the Black Lagoon (1954)
Dawn of the Mummy (1981)

Looser

"Wer die Grünen verstehen will, muss wissen, dass Deutschland nach 1945 bei der Hervorbringung von Verliererverhaltensweisen Außerordentliches geleistet hat." Peter Sloterdijk

Happy hunting

As berichtet before, deux ans après "The Beekeeper", Tori Amos revient avec un très attendu nouvel et neuvième album studio, nommé "The American Doll Posse". Het album verschijnt 1 mei. Dabei bleibt Tori die Queen Bee of lieblich-verstiegene Nyhmphen.
In ihrer audio message über ihr neues Album The American Doll Posse spricht sie über ihre Songs, die sie, comme toujours, ihre "girls" nennt, mit denen sie auf Tour gehen wolle, die derzeit schwer mit Einkaufen für die Tour beschäftigt seien und ihre Blogs im Internet führten. Also, wer die Blogs oder MySpace Profile der Damen Santa, Clyde, Isabel, Tori & Pip findet - Mazeltov!

Mittwoch, März 21, 2007

Peter Sloterdijk kann das besser

Die Geschichte der Menschheit lässt sich auch als eine Geschichte der mit Hilfmitteln überbrückten Distanzen beschreiben. Immer ging es den Menschen darum, die Möglichkeit, sich selbst an anderen Orten (und zu anderen Zeiten) zu anwesend zu machen und umgekehrt, sich abwesende Menschen zu vergegenwärtigen, zu steigern.

Die Langsamkeit der Kommunikationswege reizte die innovativen Kräfte immer neue, die Übermittlungsraten steigernde Techniken zu entwickeln. Am Anfang steht die Entwicklung der Schrift als Dokumentations- und Speicherungsform mentaler Prozesse, als außersubjektive Repräsentanz und Verbürgung der eigenen Vorhandenheit auch in Abwesenheit. Als nächstes kommt die Entwicklung der Trägermedien (Papier, Buch, Zeitung, etc.) und Systeme zum Transport der Kommunikationen: Vom zu Fuß laufenden Boten über die Postkutsche, die Brieftaube zur Telegraphie, der Eisenbahn (die den schnelleren, weitreichenderen fahrplanmäßigen Transport von Post ermöglichte) und - als sich parallel entwickelndes Nachrichtensystem - zum Telefon - stets ging es darum, die Intervalle der Informationsübermittlung zu verringern, die Verfügbarkeit anderer zu steigern (womit man freilich auch die Zugriffsmöglichkeit durch andere ermöglichte und mit entwickelte).

Die Zielvorstellung ist die permanent abrufbare, unmittelbare Verfügbarmachung einer abwesenden Person, bzw. die Einflussnahme an einem anderem Ort, als dem, an dem man sich befindet. Umgekehrt impliziert dies die Vorstellung, selber in Permanenz verfügbar und ein Durchlaufpunkt von Kommunikation zu sein, den Anschluss an die immer kontinuierlicher strömenden Kommunikationsströme zu suchen.

Eine Vorstellung und ein Wunsch, der seine vorläufige erste Erfüllung in den Flatrates hat, der dauerhaften Verfügbarkeit des Internets. Vorbei der Vorgang, seinen Modem einzustöpseln, den Wählvorgang zu starten, auf die Verbindungsherstellung zu warten und freudig gespannt dem Einwahlgeräusch zu lauschen.

Das typische düüüüüüüüdüüüüüüüdüdüdü doing-doing doing krschtschlkrschtschlkrschschschsch... war die Overtüre zu dem der digitale Vorhang zur Welt aufgezogen wurde. Dabei hatte der Vorgang zumeist noch etwas Besonderes nicht nur aufgrund des etwas umständlichen Aktes, sondern auch, weil es durchaus als zu bezahlendes Extra auf der Telefonrechnung wahrgenommen wurde. War das Surfverhalten anfangs dadurch gekennzeichnet, kurz "mal eben" ins Netz zu gehen, um Mails abzurufen oder eine Information den nächsten Urlaub oder die Öffnungszeiten des Einwohnermeldeamts betreffend zu finden, ist die Situation heute so, dass mit den Flatrates, die nicht selten als Paket für das Telefon und das Internet gekauft werden, das Einschalten des Rechners zumeist mit dem Online-Sein identisch ist. Den Rechner anschalten bedeutet, online sein und in nicht wenigen Studenten-WGs stehen Server, die rund um die Uhr ihren Dienst versehen und Filme saugen, Files zur Verfügung stellen, etc.

Damit hat der Mensch sich strukturell in Permanenz an die Welt angeschlossen und kann zu jedem Zeitpunkt mit jedem, ebenfalls an dieses Dauernetz angeschlossenen Person, Kontakt aufnehmen. Ein omnikommunikative Struktur, die sich immer dichter über die Welt legt, bis alle und alles total verfügbar ist.

Wie zentral dieser Wunsch und dieses Streben für den Menschen ist, wird u.a. auch daran ablesbar, dass die Verfügbarmachung von Internetanschlüssen und den entsprechenden Apparaturen neben der Versorgung mit Trinkwasser oder dem Zugang zu Bildung Teil der strategien der UN-Millenniumsentwicklungsziele ist.

War also die Entwicklung bis zum Ende des 20. Jahrhunderts dadurch gekennzeichnet, für Zugänge, Verfügbarkeit und Anschlüsse zu sorgen, ist im 21. Jahrhundert, da dies umgesetzt worden ist, die entscheidende Kompetenz über die der Mensch verfügen muss, Entkoppelung, Ausschließung, Reduktion.

Wenn strukturell ALLE Informationen dieser Welt verfügbar sind, ist die entscheidende Fähigkeit, die der Mensch braucht, um handlungsfähig zu bleiben, die Kompetenz, auswählen zu können, zu reduzieren und die Informationsbeschaffung auch abzubrechen, um sich nicht in einer endlosen Recherche zu verlieren und nicht in einer informatorisch-kontemplativen Handlungsabstinenz zu erstarren. Nicht zuletzt, um den Anforderungen der real physischen Existenz Rechnung zu tragen und nicht vor dem Bildschirm zu verwahrlosen, muss hin und wieder der PC ausgeschaltet werden, um im Primal Life einkaufen zu gehen. Sondern auch, um die in physischer Präsenz sich ereignenden sozialen Beziehungen zu aktualisieren. Wen will man anrufen, wenn man einen Umzug abwickeln will? Den Chatroom-Kumpel vom anderen Ende der Welt?

Als ein Beitrag zu einer solchen Entschleunigung 2.0 empfiehlt sich die Adresse www.alleinr.de
"Hier müssen Sie nichts tun. Sie melden sich nicht an, Sie laden nichts hoch, Sie kommentieren nicht, Sie knüpfen keine Kontakte. Niemand beobachtet, was Sie tun." Eine schwarze, stille Oase inmitten des chronischen Kommuniaktionsimperativs.

Und jetzt nochmal das Ganze, wie es bei Peter Sloterdijk klingen würde:

Meine sehr verehrte Damen und Herren, ich habe heute die Ehre zur Freischaltung des letzten fehlenden Internetzugangs in Deutschland eine kleine Geschichte der Kommunikationstechnologie aus philosophischer Sicht nachzeichnen. Schon allein aus Inkompetenz bitte ich Sie mir nachzusehen, dass ich weniger eine technologische Erzählung auf der Fährte von Patenten, Erfindungen und Entwicklungen wähle, als vielmehr einen evolutionspsychologischen Zugang, der, wie ich meine, viel eher geeignet ist, uns dem Geist der kommunikativen Expansion näher zu bringen.

Ich möchte meine im Folgenden darzulegende Diagnose, dass der Mensch spricht, weil er Angst hat, dass der Wunsch nach Kommunikation v.a. seine Ursache in einer existenziellen Angst vor dem Nichts seine Wurzeln hat und das Kommunikation in ihrem Wesen kombatant und die über Kommunikation sich organisierende Gemeinschaft im Kern militante Organisationen also Armeen sind, damit beginnen, dass ich die gesamte Geschichte als ein konvulsivisch sich immer neu formulierenden Wunsch nach prothetischer Omnipräsenz interpretiere.
Dem nicht-hier-sein wird durch allerlei Erfindungen (Eisenbahn, Telefon und allgemeiner: Sprache und Schrift also der außersubjektiven Verfügbarmachung innerpsychischer Vorgänge) und immer neue technischer Gadgets zu Leibe gerückt.


Die Ursache für diesen zwanghaften Trieb, den eigenen Wirkungsradius durch Prothesen zu erweitern, zu steigern und zu vervielfachen, liegt in der mangelhaften Grundausstattung, mit der der Mensch in die Natur entlassen ist. Allein seine Lernfähigkeit, seine Erfindungsgabe hilft ihm, sich gegen die feindliche Natur zu behaupten. Evolutinoär ist die Angst darin begründet, dass der prähistorische Mensch allein, ohne den Schutz der Herde, schnell zum Opfer wird. Daher will der Mensch immer wissen, dass da noch jemand ist und wenn er im dunklen Wald anfängt zu pfeifen, um nicht so allein zu sein. (Das moderne Äquivalent ist der Singlemensch, der wenn er nach Hause kommt, sofort den Fernseher oder das Radio anmacht, um die Stille der leeren Wohnung akustisch zuzukleistern.)

Schon am Anfang der Bekämpfung dieser existenziellen Angst steht die Erfindung, steht die Entwicklung von Gerätschaften und Apparaturen und damit die Genese eines die Dinge hinsichtlich ihres, jenseits ihres soseins liegenden Verwendungspotentials in Hinblick auf bestimmte Ziele (So wird ein Baumstamm zu einer Leiter, um Höhen zu überwinden, Blätter werden zu einem Dach, um regen abzuhalten usw.) umdeutenden Blicks.

So ist der Mensch v.a. der Homo Inventionis, der Erfinder, der Ingenieur und es ist gattungsgeschichtlich ganz entscheidend, dass die ersten Erfindungen Waffen sind. Die ersten Apparaturen zur Bekämpfung der Angst, Opfer zu werden, sind Waffen. So ist menschliche Verstandesleistung von Anfang an, an Kampf, Aggression und Angst gebunden. Ein Gedanke, der ihnen sicher bekannt erscheint und von Horkheimer und Adorno auf die Formel der Dialektik der Aufklärung gebracht worden ist: Die Entfesselung der Verstandeskräfte und aller aus ihnen folgenden Entwicklungen ist im Kern mit Gewalt und Militanz verbunden und bleibt gefährdet , in Barbarei umzuschlagen.

Das soziale Korrelat zu der Bekämpfung der Angst, unterzugehen, ist die Gemeinschaft, die organisierte Gemeinschaft mit anderen. Das Medium, über das diese sich formiert, ist die Kommunikation. Daher ist Kommunikation eng mit der evolutionären kombattanten Militanz des Menschen verbunden. Das ist ganz fundomentooool. Über Kommunikation formiert, aktualisiert und organisiert sich Gemeinschaft, die in ihrem Ursprung evolutionspsychologisch eine Wehrgemeinschaft und damit der Armee verwandt ist.

sprechen = schießen

Die Menschen schließen sich zur Herde als kombattante Notgemeinschaft zusammen, weil sie nur gemeinsam überleben können und sie entwickeln schnell die Prinzipien der Arbeitsteilung, um die Wehrhaftigkeit der Gruppe zu steigern: Die Stärksten werden Krieger und Jäger, während andere reproduktive oder die Basis sichernde Aufgaben übernehmen. So sind Arbeitsteilung und Militanz, Wirtschaften und Kriegführen ebenso eng verwandt, wie Kommunikation und Attacke, Sprechen und Schießen.

Wenn wir heute davon reden, dass jemand wie ein Maschinengewehr spreche, Worte wie Pfeile abschieße, jemand noch eben eine Mail abfeuere, finden wir diesen Zusammenhang abgebildet. Oder denken Sie an die Wirtschaftsbranche, die sich mit Kommunikation und dem vermitteln von Botschaften beschäfigt: PR und Werbung sprechen von Kampagnen, Werbefeldzügen, Kommunikationsoffensiven. Wenn ein Politiker sich kritischen Fragen stellen muss, heißt es nicht selten, dass er unter Beschuss stehe und bald fordern Stimmen, man möge ihn aus der Schusslinie nehmen.

So wie der Mensch sich also aus Angst vor dem Untergang zur Herde, Gruppe, Gemeinschaft, Staat zusammenschließt, die Gemeinschaft im Kern also eine kombattante Organisationsform und das Medium zur Organisation derselben Kommunikation in Gestalt von Sprache und Schrift ist, so sind die entwickelten Apparaturen zur Übermittlung von Kommunikation in ihrem Wesen Waffen nicht unähnlich. Denken die daran, dass die Entwicklung des Internet eine im Wesen militärische Innovation ist.

Aber das Bedürfnis nach Kommunikation liegt nicht allein darin begründet, sich mit anderen Menschen gegen äußere Bedrohung zusammenzuschließen, abzustimmen und zu verständigen. Die Angst des Menschen vor der Stille, dem Alleinsein ist die Angst vor dem Nichts, vor dem eigenen Verschwinden, der Möglichkeit, nicht (da) zu sein.

Diese Angst ist so zentral, dass der entfesselte technoreligiöse Veitstanz um das prothetische Kalb der Leerstellenvernichtungsmaschinerie (denn es geht darum jeden und alles immer und überall verfügbar zu machen, das nicht Vorhandensein anderer oder von einem selbst aufzuheben) als Kehrwert dieses Horror Vacui erkennbar wird. Das Streben nach einer auf Dauer gestellten Kommunikation hat das seine Ursache in der propriozeptiven Bedürftigkeit des Menschen. Der Mensch ist nicht in der Lage, sich an- und für-sich zu empfinden und zu erleben und bedarf daher immer der sinnlichen Erfahrung einer Begegnung, eines Kontakts, einer Berührung, um darin sich buchstäblich zu be-greifen.

Sicher kann der Mensch sich selbst berühren und dadurch einen Kontakt simulieren. Aber eine solche Simulation des Wirklichseins und Vorhandenseins bleibt doch immer hohl. Der Wunsch nach einer in Permanenz überführten Kommunikation ist der Wunsch nach einer permanenten Protkollierung und Beglaubigung des eigenen Vorhandenseins.

Wenn ich permanent existiere, ich permanent Gedanken und Gefühle habe, will ich dies auch mitteilen können, wie könnte ich mein Vorhandensein für mich glaubhaft machen, die neuropsychologischen Prozesse, die wir denken, erinnern oder vorstellen nennen, die mich einen ganzen Tag lang beschäftigt haben, wenn ich mich dabei niemand beobachten kann, wenn diese nicht dokumentiert werden?

Insofern sind wir mit dem Internet und der damit verbundenen technischen Infrastruktur bei der Verwirklichung einer potentiellen totalen Kommunikation angekommen. Die Berichte über die Masse an Zeit, die Menschen in Gestalt ihrer virtuellen Stellvertreter der Avatare in virtuellen Welten von den Sims, über Warcraft bis zum gehypten Second Life verbringen, zeigen uns, wie sehr die Virtualisierung der sozialen Verhältnisse einem Bedüfnis zu entsprechen scheint. Man kann scherzhaft sagen, dass das Second Life sich das Primal Life untergeordnet hat. Die pflegerischen Grundanforderungen der leiblichen Hülle werden nicht mehr bedient, um ein Fortkommen im Primal Life, sondern um einen maximierten Aufenthalt im Second Life zu organisieren und ermöglichen. Dies ist umso interessanter und vielversprechender, als das wir im virtuellen Raum den unverrückbaren Ausgangseigenschaften und unbeeinflussbaren Faktoren nicht so sehr runterworfen sind und also im Second Life erfolgreich sein können obwohl wir dick, unsportlich oder nicht hip sind. Während im Primal Life Erfolg entgegen der mediopolitischen Propaganda eben nicht (nur) von den eigenen Anstrengungen abhängt, bzw. eigene Leistung allein nicht notwendig Erfolg verspricht, ist die virtuelle Welt mit ihren kontrollierten Bedingungen objektiver und also gerechter.

Die totale Kommunikation über die virtuellen Wege der techno-protetischen Begegnungen im Chat, in der E-Mail oder in Foren usw. wird zumeist kulturkonservativ als hinter anderen, "höherwertigeren" Begegnungen unmittelbarer Natur zurückstehend abgewertet.
Dabei wird man bei genauerer Betrachtung zugestehen müssen, dass gerade in einer Zeit, in der wir nachhaltig gelernt haben, dass die auf Dauer gestellte direkte Kommunikation mit dem Namen "Ehe" oder "Familie" ganz häufig enttäuschend sein kann, oder in dem ganz normalen Terror der sich in den Kommunikationen von Ehepaaren abspielt und wie er z.B. von Loriot so unnachahmlich portraitiert worden ist, scheint das Internet mit seiner gleichzeitig von Intimintät, Intimtät auf der einen und Unverbindlichkeit auf der anderen Seite, die Verwirklichung dieses Wunsches nach totaler Kommunikation, ohne dabei dem Terror einer Totalüberwachung durch einen Menschen ins Messer zu laufen. Wir können jederzeit den Chatroom verlassen, eine E-Mail-Kommunikation auslaufen lassen oder gar abbrechen.

Die Möglichkeit zur Diskontinuität, die die virtuelle Kommunikation bietet, lässt sich im sozialen allein durch die Unverbindlichkeit freundschaftlicher und nicht auf Dauerpräsenz gestellter Beziehungen, der seriellen Partnerschaften mit "Lebensabschnittsbegleitern" realisieren. So sehr die Menschen ein Bedürfnis nach der Überwindung von Einsamkeit, dem Vernichten von Leerstellen und Stille haben, so sehr haben sie Angst vor Überwachung, Freiheitsentzug und Optionenreduktion.

Das ist ganz fundamentaaal.

Entscheidend für die gattungsgeschichtliche Weiterentwicklung wird die Frage sein, ob die der Kommunikation zu grundeliegende neurotische Angststörung in produktive kinetische Kräfte gewandelt werden kann oder in destruktive Apparaturen und Praktiken mündet. Dabei ringen Spammer und Virenautoren, Agenten proprietärer Monopolisten und Verfechter des Ideals der offenen Gesellschaft miteinander. Wir dürfen über den Ausgang gespannt sein.

Amnesiac

"I can't forget, but I don't remember what" Leonhard Cohen

Dienstag, März 20, 2007

Max Goldt kann das besser

Eine immer wieder unterhaltsame Lektüre sind Partnerschafts und Heiratsannoncen. Nicht, dass man sich an der Einsamkeit seiner Mitmenschen delektierte, ganz im Gegenteil muss es das Ziel allen Strebens sein, dass jeder Pott seinen sprichwörtlichen Deckel finden möge, auf dass sich Zufriedenheit und entspannteres Verkehrsverhalten ausbreiten möge. Ausbreiten wie die schroffen Spitzen der zackigen Gebirgskette einer Marmorkuchen-Oberfläche sanft miteinander verbindender Schokoladenguss, und man fragt sich, wieso zu jeder Kleinigkeit ein entsprechender Passus in Parteiprogrammen zu finden ist, aber nirgends die Erklärung „Kein Mensch soll alleine bleiben!“ zu finden ist.

Oder weshalb sich für jeden noch so abwegigen Zusammenhang und Sachverhalt Verbände, Vereine und Arbeitsgemeinschaften finden lassen. Da finden sich neben unverzichtbaren und verdienstvollen Zusammenschlüssen, wie der Arbeitsgemeinschaft Qualitätsguß, der Akademie für Besonnung, der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Kachelofenwirtschaft, der Arbeitsgemeinschaft der Hersteller und Verleger von Glückwunschkarten (Man kann sich eine Vereinssitzung Anfang März vorstellen „..meine Damen und Herren … bevor die Workshops starten, hier noch mal für Sie zur Übersicht…in Raum 301 auf der 3. Etage trifft sich der Workshop 1 Innovationen im Bereich Fotomotive – Schluss mit Hasen und Eiern!“, Workshop 2, im Raum 302 direkt nebenan befasst sich unter der fachkundigen Leitung von Dr. Martin Kolmbaum mit dem „Sensation um jeden Preis –Faltkarten und Überraschungskarten (mit und ohne Elektronik)“, um neue Formate soll es im Workshop 3 gehen. Im Ankündigungstext heißt es „Wer hätte vor 40 Jahren gedacht, dass wir neben dem Postkartenformat derart viele Formate im Markt erfolgreich würden platzieren können? In diesem Sinne braucht der Grußkartenmarkt einen Paradigmenwechsel, fordert die AG Smarte Karte der Nachwuchsglückwunsch- und Grußkartenverleger“), also neben solchen Vereinen und anderen Arbeitsgemeinschaften wie der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Saxophonisten (Nach dem Niedergang von Stefan Mross – kann die Trompete uns noch gefährlich werden?), der Arbeitsgemeinschaft deutscher Junggärtner, dem Deutschen Flachdisplay-Forum im VDMA, der Bundesgütegemeinschaft Kompost ("The Compost Quality Assurance Organisation (BGK) is independent and neutral. She obliges herself only to Quality Assurance and has no other purposes or interests."), der Arbeitsgemeinschaft Ziegeldach, dem Bundesverband der implantologisch tätigen Zahnärzte in Europa, dem Bundesverband Estrich und Belag, dem Bundesverband der Leichtbetonzuschlag-Industrie, dem Fachverband Deutsche Speisezwiebel ("Als Clearingstelle haben wir alle Informationen, die Sie brauchen!"), der Fördergemeinschaft Dünne Schichten (die gerade in Zusammenhang mit der Diskussion um das abgehängte Prekariat vermehrt und irrtümlich zu Diskussionsrunden im Fernsehen eingeladen wurde), dem Kaugummi Verband (wer aber vom Lutscher nicht reden will, soll vom Kauen schweigen!), dem Kuratorium perfekter Zahnersatz (das Kuratorium nicht ganz perfekten Zahnersatzes hat sich nicht durchsetzen können), der Zentralstelle für den deutschsprachigen Chorgesang in der Welt, der Interessengemeinschaft Fett (Kurz: IG FETT), )dem Verband Vollpappe-Kartonagen, der Vereinigung Deutscher Riechstoff-Hersteller, der Vereinigung katholischer Priester und ihrer Frauen – neben all diesen wichtigen und relevanten Zusammenschlüssen finden sich auch so obskure Kuriositäten wie die Friedrich-Naumann-Stiftung, die Christliche Gewerkschaft Bergbau-Chemie-Energie, die Hochschulrektorenkonferenz oder der Rechtsanwaltskammer Celle, um nur einige zu nennen.

Der Anbahnung viel kleinerer und für den Privatmensch doch so viel wichtigeren Vereinigungen, wie der Partnerschaft und Heirat sind nun also in den Tageszeitungen entsprechende Anzeigen gewidmet, deren Lektüre eine stets garantierte Quelle der Unterhaltung und aufrichtiger Rührung sind. Besonders die kurz geratenen Anzeigen derer, die sich nur wenige Zeilen leisten können sind lohnenswert. Hier spielt sich auf wenigen Zeilen das Drama, die Zwänge begrenzt verfügbarem Platz mit der Fülle biographischen Materials zu versöhnen ab.

Die Ergebnisse der Versuche, in 2 Zeilen eine konzentrierte prägnante Darstellung der eigenen Person, Werdegang, Interessen, Hobbys und Ausbildung zu geben und dazu eine verständliche und dennoch ungwöhnliche und daher die Aufmerksamkeit der oder des noch nicht bekannten aber doch erhofften Lesers oder Leserin hervorrufende Formulierung zu finden, sind zumeist spannender und informativer als die immergleichen so genannten Nachrichten über Politik, wo doch nur wieder mal jemand seine Partei zur Geschlossenheit aufruft, irgendwer irgendwo hin fliegt, um mit jemand anderem in einer geschmacklosen Sitzecke vor künstlichem Kamin die Hand zu schütteln oder einer höher gesprungen, mehr Tore geschossen, weniger Platten verkauft, mehr Umsatz gemacht, häufiger geheiratet hat usw.

Schon die Überschrift muss sitzen. Immerhin erscheint die Annonce auf einer Seite, auf der ausschließlich Annoncen stehen und alle um potentielle PartnerInnen konkurrieren. Wer Außenministerin ist oder seine Wohnung mit Harvard Diplomen und Zeitungsartikeln gepflastert hat, in denen steht, dass man ausgebildete Konzertpianistin sei, kann es sich leisten, seine Partnerschaftsanzeigen subtil im Politikteil zu platzieren. Da findet sich dann ständig die Erwähnung, dass man allein stehend sei und man kann sicher sein, dass man im Umfeld von Berichten über Abrüstungsgespräche und Wirtschaftskonferenzen nicht mit der Masse kleinbürgerlicher Partnerschaftsherbeiwünschungslyrik sich vergesellschaften muss. Aber, diese Form der Partnerschaftsanzeige ist eben nur wenigen vergönnt. Also müssen die meisten in den Häuserkampf um die Aufmerksamkeit.

Lieber Elton John als John Zorn

Die ersten, zumeist fett gesetzten Wörter müssen den Leser oder die Leserin packen. Das kann man schon an den Schlagzeilen von Boulevard-Zeitungen studieren. Schon nach einigen Wochen aufmerksamen Schlagzeilenstudiums haben sie eine Liste guter Wörter mit hohem Aufmerksamkeitsevokationsfaktor zusammen: Nackt (alternativ/ergänzend: Sex, Oralsex, Hure, Boris Becker), Leiche (Alternativ: Leichenschänder, Tote, Mumie) Millionen (Alternativ/ergänzend: Goldbarren, Geld, Steuern, Teuer), usw. Wer das Prinzip der Bild-Titel verstanden hat, für den sind Partnerschaftsanzeigen ein Klacks. Jedoch aufgepasst: Was für die Schlagzeile von Boulevardzeitungen stimmt, funktioniert nicht unbedingt im Partnerschaftsanzeigensegment: „Boris Becker: nackte Leiche von Goldbarren-Steuer befreit“ wirkt bei der Bild auflagensteigernd, im Partnerschaftsanzeigenaufmerksamkeitsfeldzug jedoch evtl. kontraproduktiv.

Also, auch hier gilt, wie überall in der Gesellschaft: Individualität mit Maß, aus der Reihe tanzen – aber nicht zum Preis der Anschluss- und Rezeptionsfähigkeit des Mainstream. Lieber verschmitzt bieder, als zu weit aus dem Fenster gelehnt. Lieber Elton John als John Zorn.

Nun eröffnen sich verschiedene Modelle. Humoristisch-pfiffige Textanfänge bieten die Gelegenheit, Sachinformationen zur Person (z.B. Beruf) mit dem Hinweis zu transportieren, dass man durchaus mal fünfe gerade sein lässt: „Golferin sucht neues Handicap“, „Journalistin recherchiert nach dem Mann zum Gern- und Kinderhaben“, „Pianistin sucht die richtige Note“ usw. Einfallsreichtum rules! „pretty woman sucht ihren Richard Gere…“, „Zahnarzt bohrt nach Liebesglück“.

Ein anderes Mittel der Anzeigenrhetorik ist die gestellte Verzweiflung. Diese soll im Leser der Leserin eine Reaktion, eine Solidarisierung, einen Antwortimpuls auslösen: „Gibt es denn keine netten Männer mehr?“ Der Leser, donnert die Zeitung auf den Küchentisch: „Unerhört! Die Dame kennt meine Telefonnummer nicht. Ich will ihr diese und noch mehr stante Pede scribieren!“, „Will sich keine Frau mehr verwöhnen lassen?“ „Aber nein! Ich will mich verwöhnen lassen! ICH! ICH!“ ruft es aus tausenden Haushalten.

Wichtig ist: Nicht steif und sachlich, sondern locker und ungezwungen. „Hallo Du!“ Wie … ich? fragt sich der Leser und ZACK! hat man ihn gepackt. Oder scherzhafte Paradoxien, die den Adressaten über die Kante des Band 4 der SZ-Bibliothek anzwinkert: „Beamtin mit Humor und Tiefgang sucht…“ hihi…humorvolle Beamtin mit Tiefgang ..ich glaub es geht los … aber wenn eine die Quadratur des Reises behauptet, ist sie vielleicht GERADE lustig…ich schreib mal besser hin…Oder lyrisch „Du und Ich, gemeinsam, lachen, leben, lieben, Sonne, tausendSCHÖN, traumwahrsacht gehen in den Tag bis die Schmetterlinge der Sehnsucht den Horizont der Sehnsucht erreichen..."

Know the signs!

Alle Anzeigensprache dient dazu, die Durchschnittlichkeit zu überdecken, evtl. Schwächen zu kaschieren. „lebenslustige Vollblutfrau“ heißt „fette Trinkerin“, „romantischer Pfeifenraucher“ heißt „Sammler usbekischer Tierpornos“, usw. Es braucht schon einige Lektürezeit, die Chiffren zu deuten, die Siganle zu verstehen. Wenn das, was einem aus dem Spiegel anschaut, haarscharf am Ideal einer Heidi Klum vorbeisegelt, kann man andere Stärken forciert darstellen (Weltmeister im Schnupftabakschnupfen, leidenschaftliche Lexikonleserin, usw.) oder offensiv-ironisch werden „Münchnerin, Moppeltyp, 39 J., NR, völlig unattraktive, garstige, faule, dicke Bavarian-Native-Speaker sucht Mann mit viel Humor und Verstand.“ (Süddeutsche Zeitung, com 17./18. März, Chiffre 1827301)

Wichtig auch, dass man auf derselben Wellenlänge funkt: „Amüsieren Sie sich auch über Loriot? Dann könnten wir uns gut verstehen“ (Chiffre 1827089)

Bei manchen Formulierungen wird man allerdings nachdenklich: „Bitte nur ernst gemeinte Zuschriften“ heißt es da häufig. Deutet dies an, dass es Menschen gibt, deren Freizeitbeschäftigung nicht das S-Bahn-Surfen oder das Erstellen von Handy-Pornos ist, sondern das Ulk-Partnerschaftsanzeigenbeantworten? Dies ist ein grausames Hobby, dass die Not der Mitmenschen zum Zwecke der eigenen Humormaximierung bewirtschaftet und muss ein Ende haben!

Wenn man Texte liest im Stile von „Niveauvolle Frau sucht gutsituierten Mann“ freut man sich auf den Tag, an dem man endlich die Anzeige „Niveaulose Schlampe sucht unambitionierten Kiffer“ liest, was jedoch nicht zu erwarten steht, weil solche Begegnungen meist am Rande von Studentenpartys arrangiert werden.

Hat man sich mit dem spärlichen Platz einmal arrangiert und in gestaffeltem Auswahlverfahren geeignete Begriffe ausgewählt, gilt es nun, diese zu platzieren. Und auch hier ist Sorgfalt die beste Ratgeberin. Die Reihenfolge, in der die vom Anderen gewünschten oder von sich behaupteten positiven Eigenschaften aufgereiht werden, ist aufschlussreich und gibt Einblick in die Präferenzen.

Treue, häusliche Frau..“ heißt „bieder“ und jedes Jahr Urlaub in der immerselben Ferienwohnung auf Borkum. Da kann dann im hinteren Textteil noch so viel die Rede von der Leidenschaft für Bungee-Jumping mit morschen, von nicht vertrauenswürdig dreinschauenden Vertretern des fahrenden Gewerbes aus unaussprechlichen Regionen angebrachten Seilen, denen bei der letzten TÜV-Prüfung das Sigel „Die auf gar keinen Fall!“ verliehen wurde, sein. Das Urteil ist längst gefallen.

„Gepflegte Krankenschwester sucht…“ Man fragt sich – ist es nicht hauptsächlich an der Schwester andere zu pflegen? Oder hat sie vom Pflegen die Nase voll, so dass sie sich nun pflegen lassen will? Oder ist dies ein berufsinterner Jargon, mit dem im Schwesternzimmer davon die Rede ist, dass man nach einer Schicht so richtig gepflegt sei und sich nun gepflegt ein, zwei Bier reinlaufen lassen wolle..? Schön auch die Abstriche, die man zu machen bereit ist: „gerne adelig, gläubig“, „Katholiken auch ok..“

Traumfrau (adelig, aus vermögender Großindustr. Fam.) mit Model-Figur sucht...

Wenn Partnerschaftsanzeigen die Heimvideos unter den Anzeigen sind, sind die Annoncen „exclusiver Vermittlungsinstitute“, die für sich in Anspruch nehmen, Jet Set und internationales Unternehmertum zum Kundenstamm zu zählen, die Hollywood-Blockbuster. Hier wird ebenso die „Junge Alleinerbin (Mill.-Verm.) aus alter Guts-/ Unternehmerfamilie“ vermittelt, wie der Top-Unternehmer mit Welterfolg und aristo-Background.

Junge (27 J.) zauberhafte natürliche Schönheit mit langem seidigem dunklem Haar und attraktiver Modelfigur… die alle Blicke auf sich zieht! In intakter (verm.) Akademikerfamilie glücklich mit ausgeprägtem Selbstwertgefühl herangewachsen, nach Eliteausbildung und Studium – heute selbstbewusst, ausgeglichen und fröhlich mit ihren langen schlanken Beinen im Leben stehend. Facettenreich und begeisterungsfähig treibt sie gern Sport, liebt die Natur und Tiere, Schlemmer- und Kulturreisen, ist stets top-aktuell informiert und eine gewitzte Gesprächspartnerin. Sie freut sich auf alle Impulse, die von IHM kommen

Die Kundschaft dankt es, z.B. mit einem Gedicht

"An die Glücksfee und Gefolge:

Die Ärztin und der Manager – beide a. D.
und beide fit von Kopf bis Zeh

doch abhanden kam in dem Lebens Getriebe
der liebe Mensch für Nähe und Liebe.

Und weil Tag und Nacht nicht ausgebucht
wurde überall gesucht

doch letztendlich wurde nicht gezappelt
man traf sich mit Frau Appelt.

Und weil die Menschen alle sind verschieden
wurd viel Auswahl uns beschieden

doch wie im alten Märchen
plötzlich waren wir ein Pärchen.

Gott Kairos hat gewählt die richtige Zeit
für viele Stunden mit vertrauter Heiterkeit
jetzt wird aufgebaut die Zweisamkeit."

Lektüre-Spaß unter
www.christa-appelt.de
www.cpk-for-you.de
www.royalexclusiv.eu

Webseiten, die zeigen, dass auch in 100 Jahren noch genug zu tun ist für Designer und Webagenturen...

Montag, März 19, 2007

Sounds of Silence

"Das typische Geräusch für eine englische Kleinstadt in einer beliebigen Samstagnacht ist das Reihern eines Trunkenboldes." heute in der taz gelesen.

litcologne - auf die Schnelle

So nu isses vorbei. Es kümmt an dieser Stelle in Kürze ein ausführlicherer Kommentar zu einer Veranstaltung mit Götz W. Werner, dem Gründer und Eigentümer der DM-Drogeriemarkt-Kette, der am Samstag im Gürzenich sein Buch und Konzept eines bedingungslosenGrundeinkommens für alle trotz der unerträglichen Moderation von WDR-Chefredakteur Jörg Schönborn vorstellte.

Letzterer gab bei aller journalistischen, rhetorischen und intellektuellen Überforderung dem
Zuschauer aber dennoch Hoffnung, dass auch gering Qualifizierte in der westeuropäischen Hemisphäre durchaus ein Auskommen finden können. Das Problem scheint zu sein, dass man versucht, gering Qualifizierte in Beschäftigungsverhältnisse zu bringen, die ihren Kompetenzen nicht entsprechen, anstatt dem Dilbert-Prinzip zu folgen, das besagt, das man, je inkompetener eine Person ist, sie desto höher im Unternehmen positionieren muss.