Derselbe Planet - zwei Welten: Im Kölner Stadt Anzeiger wird am Samstag ausgiebig über den Pfusch beim U-Bahn-Bau berichtet ("Geschlampt,. unterschlagen, vertuscht und systematisch gefälscht") . Maßgeblich beteiligt an der Schlamperei sind auch die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB). Diese ist ihrer Aufsichtspflicht offensichtlich nicht genügend nachgekommen und trägt dadurch eine Teilverantwortung für den Einsturz des Kölner Stadtarchivs. Auch im Zuge der jetzt stattfindenen Ermittlungen und Aufklärungsbemühungen macht die KVB - wie auch andere Beteiligte Firmen und Verwaltungsstellen - keine glückliche Figur.
Daher ist es ein Fall besonderer Ironie, wenn man in derselben Ausgabe dieselbe KVB im Stellenteil eine mit der Überschrift: "Überblick behalten" scahltet. Geboten werden u.a. "eine interessante berufliche Perspektive".
Auch die am Kölner Katastrophen-U-Bahn-Bau beteiligte Baufirma Bilfinger|Berger sucht - ebenfalls in derselben Ausgabe des Stadt-Anzeigers - Mitarbeiter: "Bauleiter Technische Isolierung". "Möchten sie uns bei dieser anspruchsvollen Aufgabe in einem dynamischen Umfeld unterstützen?"
In der Tat hat man den Eindruck, dass die KVB - wie die Politik - dringend Unterstützung dabei braucht, um den Überblick zu behalten, bzw. überhaupt wieder zu gewinnen.
Und Bilfinger-Berger benötigt mit Sicherheit Mitarbeiter -einschließlich der oberen Etagen - , die ihrer Arbeit angemessen verantwortungsvoll nachgehen. Denn: auch wenn sich nun viel Aufmerksamkeit auf gestohlene und verschobene Stahlträger richtet und es um hochkriminelles, verantwortlungsloses Verhalten geht, sollte dies nicht von dem Komplex systematischer Verabredung zu verbrecherischer Ausbeutung öffentlicher Finanzen bei Inkaufnahme der Konsequenzen bis hin zu Gefahr für Leib und Leben der Bevölkerung.
Sofortstrafe bei Pfandflaschenklau
Insbesondere wenn man sieht, wie dieser Tage der Rechtsanwalt aus Bad Honnef in Hartz IV-Empfängern die Ursache für den Kollaps der öffentlichen Haushalte ausgemacht zu haben meint und eine Diffamierungskampagne vom Zaun bricht, anstatt sich die Mühe echter politischer Lösungsvorschläge zu machen oder dass eine Putzfrau ihren Job verliert, weil sie angeblich Pfandflaschen aus dem Müll gelesen und eingelöst habe, muss eine fassungslose Öffentlichkeit konsterniert sein, wenn Verantwortliche und selbsternannte Leistungsträger aus Politik und Wirtschaft trotz wesentlich umfangreicherer Delikte offensichtlich völlig ungerührt und unerreichbar für Sanktionen bleiben.
Im Gegenteil: Figuren wie Ex-Post-Chef und Millionensteuerhinterzieher Klaus Zumwinkel ein Bußgeld zahlen aus der Portokasse und pflegen einen goldenen Rentnerurlaub. Der in Affairen panierte ehemalige Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma hat sich spät aber offenbar noch immer rechtzeitig davongejückelt. Von rechtlichen Konsequenzen mit persönlichen Auswirkungen bis zur Pfändung von Ruhegeldern oder ähnlichem ist keine Rede. Und Jürgen Rothers, der z.B. als Regierungspräsident in den Skandal um den Bau der Messehallen verwickelt ist, gibt den empörten Zola. Dessen Erklärung muss den Kölner Bürgerinnen und Bürgern wie ein verspäteter Karnevalsscherz vorkommen:
"Wir müssen das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unsere Arbeit, in die Leistungsfähigkeit der Stadt und ihrer Unternehmen wiederherstellen - möglichst schnell und absolut nachhaltig! Da sehe ich mich und die Stadt in der politischen Verantwortung! Die Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass wir sicher, solide und verlässlich für sie arbeiten. Das gilt aktuell für die Großbaustelle Nord-Süd-Stadtbahn, aber auch für alle anderen Bauvorhaben und Großprojekte. Diese Wiederherstellung des Vertrauen muss uns hier in der Stadt gelingen - das wird Köln auch in der überregionalen Wirkung helfen." (Presseerklärung)
Dat jivv et nur hää!
In Köln wird kein Bürger irgendeiner Partei oder einem Interessenvertreter mehr irgendetwas glauben können. Dabei müssen sich die Bürger auch an ihre eigene Nase fassen: Über Jahrzehnte haben sie den immer dreisteren und plump ausgeführten Schlampereien, Schiebereien und Betrugsfällen tatenlos zugesehen.
Reaktionen und Kritik blieben wahlweise im unpolitischen Carré des Kneipenverzäll oder wurde als rheinische Folklore zur Petitesse verniedlicht ("Dat jivv et nu hä!", "Da mähste jaanix!") und augenzwinkernd als Ausweis dafür genommen, die nördlichste Stadt Italiens zu sein.
So müssen die Kölnerinnen und Kölner sich eingestehen, dass die Plünderung der öffentlichen Kassen durch eine Kollaboration von Amateuren und Kriminellen nicht zuletzt deshalb über Jahrzehnte wachsen konnte, weil sie Verantwortung und Kontrolle delegiert haben und sich auf eine bräsig-duldende Haltung zwischen Passivität, Ohnmacht und Desinteresse (Man denke im Vergleich nur an das Empörungs- und Mobilisierungspotential wenn es um elementardemokratische Themen wie das Rauchverbot in Kneipen geht) zurückgezogen haben.
Ein befreundeter Architekt sagte kürzlich (im unpolitischen Carré eines Abends unter Freunden) zum Vorgang um das Kölner Schauspielhaus: "Wenn man etwas, das einem wichtig ist, jemanden anvertraut und dieser jemand damit schlecht umgeht - dann muss man es ihm wieder wegnehmen."
Köln kann auch anders?
Wann werden die Kölner Bürger endlich einen Punkt erreichen, dass sie sich so sehr für ihre Stadt und ihre Angelegenheiten interessieren, dass sie diese denjenigen abnehmen, die offensichtlich nicht das Gemeinwohl verfolgen und sie sich wieder aneignen?
Einiges deutet immerhin in den letzten Wochen darauf, dass sich etwas ändert:
So sammelt sich in Köln ein wachsender Protest gegen den geplanten und in nächtlicher Sitzung bei schütterer Mehrheit beschlossenen Abriss und Neubau des Schauspielhauses, trotz fragwürdiger inhaltlicher Begründung, überhöhter Kosten und praktizierten architektonischen Analphabetismus.
Der Zusammenschluss "Kölner Komment" thematisiert seit Monaten den Kahlschlag in der Kölner Kultur. Unter dem Motto "Ihr seid Künstler und wir nicht" fuhr ein Karnevalswagen im Rosenmontagszug, aus dessen Lautsprechern ein Protestlied dröhnte die Situation sarkastisch und deftig zusammenfasst ("Ganze Häuser weg - wer kann das schon? David Copperfield - die reinste Illusion"). Die Intiative "Köln kann auch anders" hat ein Bürgerbegehren angeschoben, um den Vorgang in letzter Minute zu stoppen. Es tut sich also etwas.
Es wäre schön, wenn der konkrete Anlass der Verhinderung des Abrisses des Schauspielhauses Auftakt zu einer nachhaltigen aktiven Einmischung Kölner Bürgerinnen und Bürger in die Angelegenheiten ihrer Stadt wäre.
Liebe Deine Stadt
Denn schließlich eint alle eine innigliche Zuneigung zu dieser Stadt, die der Künstler und Initiator der Aktion "Ihr seid Künstler und wir nicht", Merlin Bauer, mit seiner Architekturaktion "Liebe Deine Stadt" auf den Punkt gebracht hat.
Eine Liebe, die viele Schattierungen hat - wie jede Beziehung: Da gibt es auch Ärger, Zorn, Geringschätzung, Augenrollen, Gefühle von Peinlichkeit und Fremdschämen über die Provinzialität, Hässlichkeit, das chronische Unterschreiten der eigenen Möglichkeiten und vieles anderes.
Aber, wie schon ein Kalenderspruch erklärt: Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, sondern Gleichtgültigkeit; und viel zu lange standen die Kölnerinnen und Kölner gleichgültig daneben, während ihre Stadt den bach, bzw. Rhein runterzugehen droht (Richtung Düsselorf!).
Auf zahlreichen Postkarten findet sich das "Kölsche Grundgesetz", zu dessen Geboten unter anderem das Diktum zählt: "Et hätt noch immer joot jejange". Aber es ist eben nicht immer gut gegangen. Im Gegenteil: Es ist in den letzten Jahrzehnten immer schlecht und schlechter gegangen.
Ein anderes Kölsches Grundgesetz mag hingegen als Leitmotiv für die überfällige Bürgerbeteiligung, aktive Einmischung und Abrechnung mit dem Filz von Politik, Verwaltung und Wirtschaft dienen:
"Kenn mer nit, bruch mer nit - fott domit!"
Samstag, Februar 20, 2010
The Marriage Ref [Update: 12. März]
Jerry "The Door must be cloooooooooosed" Seinfeld hat eine neue Show: The Marriage Ref!
In der Show werden sich streitende Paare vorgestellt. Eine Jury aus Prominenten entscheidet, wer bei den Auseinandersetzungen Recht hat. "We're gonna give real couples one thing they always wanted: a winner!" Madonna wird ebenso als Jury-Mitglied auftreten, wie der britische Komiker Rick Gervais, der US-Schauspieler Alec Baldwin, Komikerin Tina Fey sowie "Desperate Housewives"-Darstellerin Eva Longoria Parker. Die Serie startet am 28. Februar in den USA.
["Ehen vor Gericht" bei Britcoms: "Die Kritiken nach der ersten Folge aber waren katastrophal: “painfully bad” bzw. “terrible” (National Public Radio), “ugly, unfunny, patronizing mess” (The Star Ledger), “the God-awful mishmash of a comedy-variety show” (Time Magazine)."]
Movies: Up in the Air
> great title sequence – as usual in Jason Reitman movies (and as usual by Shadowplay)! "it was just like unreal how hard it was to get this footage." says director Jason Reitman. But it was worth every effort!
> Clooney's voice sounds great as usual. I'd buy the audio book of him reading all volumes of the Warren Report or the New York phone book
> Vocabulary: VARIETY always manages to sum up a movie in ONE sentence: "a slickly engaging piece of lightweight existentialism highlighted by winning turns from George Clooney and Vera Farmiga."
Also, we learn from that article the word "Thesp". First one would think that someone slipped on the keyboard. But a look at the keys next to T H E S P does not help: RGWAO does not make more sense, does it?
But luckily, we have Google, pardon: various online search engines! AND Wikipedia.
There we read that Thesp is a term used extensively by Variety as a substitute for actor and a reference to Thespis tha atnic greek actor. Live and learn!
> it is an unexpected punch in the stomach to see the sequence of the non professional actors in the montage of employees reacting to Clooneys "transition councelling". This brings all of a sudden a depth and intensity to the movie that is unexpected.
> UP IN THE AIR seems a little undecided: the beginning, with the quick cuts showing the coolness of Clooney doing his thing and his whitty off-commentary, has the rhythm and tone of THANK YOU FOR SMOKING – and the audience is clearly mistaken by that and is lost, when all of a sudden the montage of the "real peope" comes up. Sitting in the cinema one can hear the audience pausing.
The GERMAN audience has special reason to pause: not only because they simply make up the calculation Jason Reitman = Juno = Makes funny movies and expect to see a comedy. BUT, the German trailer for UP IN THE AIR has a complete different tone compared to the original trailer.
The original trailer has a sad, calm independent musical soundtrack and a sample of Clooneys speech from his motivation seminar ("How much does your life weigh?") combined with shots from the movie, showing Clooney alone, empty airports etc. So you know that on some level, UP IN THE AIR is a thoughtful reflection on solitude in modern business world, the meaning of family and relationships etc.
The German trailer focuses completely on the THANK YOU FOR SMOKING kind of tone of the film: funny music, fast cuts, whitty talk and really makes you think, you are about to see a comedy.
> With Ryan Bingham Clooney adds another variation to his collection of cool professionals without illusions, only focusing on their work, avoiding any relations that might interfere with their commitment to work who’s principles and concepts are shaken by an encounter with a person and who are undergoing a transformation change through a journey and the connected experience – and ending up different persons: MICHAEL CLAYTON and MILES MASSEY in the Coen-Brothers INTOLERABLE CRUELTY.
> interesting: in an interview with the Austrian newspapert "The Standard" Jason Reitman is asked what he added to the novel for the script. Reitman says: both femal characters, Alex und Natalie; the wedding; the motivation „bag speech“; the paper figures of Clooney’s sister and her fiance and the fact that the firing business is supposed to be transformed to online.
Well done, Jason!
> Clooney's voice sounds great as usual. I'd buy the audio book of him reading all volumes of the Warren Report or the New York phone book
> Vocabulary: VARIETY always manages to sum up a movie in ONE sentence: "a slickly engaging piece of lightweight existentialism highlighted by winning turns from George Clooney and Vera Farmiga."
Also, we learn from that article the word "Thesp". First one would think that someone slipped on the keyboard. But a look at the keys next to T H E S P does not help: RGWAO does not make more sense, does it?
But luckily, we have Google, pardon: various online search engines! AND Wikipedia.
There we read that Thesp is a term used extensively by Variety as a substitute for actor and a reference to Thespis tha atnic greek actor. Live and learn!
> it is an unexpected punch in the stomach to see the sequence of the non professional actors in the montage of employees reacting to Clooneys "transition councelling". This brings all of a sudden a depth and intensity to the movie that is unexpected.
> UP IN THE AIR seems a little undecided: the beginning, with the quick cuts showing the coolness of Clooney doing his thing and his whitty off-commentary, has the rhythm and tone of THANK YOU FOR SMOKING – and the audience is clearly mistaken by that and is lost, when all of a sudden the montage of the "real peope" comes up. Sitting in the cinema one can hear the audience pausing.
The GERMAN audience has special reason to pause: not only because they simply make up the calculation Jason Reitman = Juno = Makes funny movies and expect to see a comedy. BUT, the German trailer for UP IN THE AIR has a complete different tone compared to the original trailer.
The original trailer has a sad, calm independent musical soundtrack and a sample of Clooneys speech from his motivation seminar ("How much does your life weigh?") combined with shots from the movie, showing Clooney alone, empty airports etc. So you know that on some level, UP IN THE AIR is a thoughtful reflection on solitude in modern business world, the meaning of family and relationships etc.
The German trailer focuses completely on the THANK YOU FOR SMOKING kind of tone of the film: funny music, fast cuts, whitty talk and really makes you think, you are about to see a comedy.
> With Ryan Bingham Clooney adds another variation to his collection of cool professionals without illusions, only focusing on their work, avoiding any relations that might interfere with their commitment to work who’s principles and concepts are shaken by an encounter with a person and who are undergoing a transformation change through a journey and the connected experience – and ending up different persons: MICHAEL CLAYTON and MILES MASSEY in the Coen-Brothers INTOLERABLE CRUELTY.
> interesting: in an interview with the Austrian newspapert "The Standard" Jason Reitman is asked what he added to the novel for the script. Reitman says: both femal characters, Alex und Natalie; the wedding; the motivation „bag speech“; the paper figures of Clooney’s sister and her fiance and the fact that the firing business is supposed to be transformed to online.
Well done, Jason!
Freitag, Februar 19, 2010
Film #3 Die syrische Braut
Kurz und gut: Schöne Geschichte, sehr schön fotografiert, tolle Musik, tolle Schauspieler.
www.diesyrischebraut-derfilm.de
www.diesyrischebraut-derfilm.de
Film #2: Julie & Julia
Saw "Julie & Julia" yesterday and cracked completely over Meryl Streep's performance.
The movie combines two real characters who are connected through a similar passion: cooking! Julie Powell, a young woman feeling that her life is going nowhere, with her 30th anniversary coming up and nothing representative on her record and chooses to assign for a special project: cooking her way through all the reciepes of Julia Child's cookbook, "Mastering the Art of French Cooking." More than 500 recipes in one year - and writing a blog about it: "The Julie/Julia Project".
In real life this blog "developed enough of a following to earn her a book deal and, as the end titles note with characteristic cuteness, inspired the movie. Probably aware that Powell's story alone wouldn't sustain an entire feature, Ephron opted to divide the film's 122-minute running time between Julie and Julia, also drawing material from the latter's posthumously completed 2006 memoir, "My Life in France." (Variety) .
The film sets parallels between the lifes of Julie and Julia not only in their passion for cooking, their struggle for attention, recognition and getting their work published and the uncondioned love and support by their husbands.
"so the film implies a kinship between two women who never meet, united across time and space by their love of butter, their doting husbands, their search for meaning through pleasure and their struggles to see their work in print. (Call it "Publisher-less in Paris.")" (Variety)
Anyhoo, Meryl Streep IS BRILLIANT!! She delivers a performance that is so outstanding and in some ways reminds of Johnny Depp's Captain Jack Sparrow ("Savvy?!"): her prononciation and moves indicates that she is either drunk or seasick.
You can see why she is THE actor's actor of her generation: not only does she very correctly portray Julia Child in sound, appearance and moves - but she does it not as a identical copy. Director/writer Nora Ephron says that Streep delivers a characterization rather than an impersonation. And that really describes it:
It is like when one is telling a story or anecdote to a round of friends in a bar. Something funny from vacation, a terrible work day, a tragic incident that happened to a friend: it is not so much the facts (that would be a protocol) but the arrangement, structure and presentation that turns an incident into a story. When one hears about something, or something happens to you - and you find it funny, tragic, ironic, sad, outragous - whatever: to convey this impression one must dramatize the incident.
>> INTERLUDE: Which makes clear why the skill of story telling and performative skills are crucial anywhere in life where communication takes place: in relationships, professional life. Storytelling, summing up to a plot, finding the core of a story, structure an order of narrative elements to achieve certain effects in an audience is necessary to convince an employer to hire you, making a date to calling you again, to plan a successful event - even to create a coherent self: assembling fractured data of a series of events in a meaningful , your autobiography, the story you tell someone, when he or she asks you who you are. You need to know what the storyline is and need to be able to tell it. INTERLUDE END <<
And with Meryl Streeps performance, it's the same thing: to make something clear about what Nora Ephron and Meryl Streep find interesting about Julia Child as a character, her way of approaching challenges, cooking and her marriage, her joyful attitude, never afraid of embarassment, never intimidated it is not necessary nor helpful to deliver a 1:1 copy (in that case we could look at the original TV shows), but to create a certain dramatic arrangement of the available information material and a special performative approach be Mrs. Streep.
So Streep's performance is perfect crafts(wo)manship of acting in the sense that it is an empathetic creation and repesentation of an idea of an individual way of approaching life, connect to the world, facing challenges, relate to other people, love another person; an idea that is based on that real person, Julia Child, her concrete life and thus contains an authentic portrayal of her
but that does not wear out in that mimic authenticity or an inventory narration of that concrete life.
And that's what describes the art of acting: not just reading words from a piece of paper, but understanding the core of a story and its characters and from that idea develop a figurative concept to make the idea, the "message" visible; to build a set of expressive methods - gestures, looks, mimic expressions, pitch of the voice, dialect, interacting with objects, other actors -
and assemble all these single ingredients to a coherent composition in balance and with reference towards the other actors, the set, the ideas of the director etc.
Meryl Streeps and Stanley Tucci's portrayal of her unpretencious, cheerful personality and his unconditioned admirance and support for her create a colourful image of an unusual, passionate relationship that is just touching without being being cheesy.
The movie combines two real characters who are connected through a similar passion: cooking! Julie Powell, a young woman feeling that her life is going nowhere, with her 30th anniversary coming up and nothing representative on her record and chooses to assign for a special project: cooking her way through all the reciepes of Julia Child's cookbook, "Mastering the Art of French Cooking." More than 500 recipes in one year - and writing a blog about it: "The Julie/Julia Project".
In real life this blog "developed enough of a following to earn her a book deal and, as the end titles note with characteristic cuteness, inspired the movie. Probably aware that Powell's story alone wouldn't sustain an entire feature, Ephron opted to divide the film's 122-minute running time between Julie and Julia, also drawing material from the latter's posthumously completed 2006 memoir, "My Life in France." (Variety) .
The film sets parallels between the lifes of Julie and Julia not only in their passion for cooking, their struggle for attention, recognition and getting their work published and the uncondioned love and support by their husbands.
"so the film implies a kinship between two women who never meet, united across time and space by their love of butter, their doting husbands, their search for meaning through pleasure and their struggles to see their work in print. (Call it "Publisher-less in Paris.")" (Variety)
Anyhoo, Meryl Streep IS BRILLIANT!! She delivers a performance that is so outstanding and in some ways reminds of Johnny Depp's Captain Jack Sparrow ("Savvy?!"): her prononciation and moves indicates that she is either drunk or seasick.
You can see why she is THE actor's actor of her generation: not only does she very correctly portray Julia Child in sound, appearance and moves - but she does it not as a identical copy. Director/writer Nora Ephron says that Streep delivers a characterization rather than an impersonation. And that really describes it:
It is like when one is telling a story or anecdote to a round of friends in a bar. Something funny from vacation, a terrible work day, a tragic incident that happened to a friend: it is not so much the facts (that would be a protocol) but the arrangement, structure and presentation that turns an incident into a story. When one hears about something, or something happens to you - and you find it funny, tragic, ironic, sad, outragous - whatever: to convey this impression one must dramatize the incident.
>> INTERLUDE: Which makes clear why the skill of story telling and performative skills are crucial anywhere in life where communication takes place: in relationships, professional life. Storytelling, summing up to a plot, finding the core of a story, structure an order of narrative elements to achieve certain effects in an audience is necessary to convince an employer to hire you, making a date to calling you again, to plan a successful event - even to create a coherent self: assembling fractured data of a series of events in a meaningful , your autobiography, the story you tell someone, when he or she asks you who you are. You need to know what the storyline is and need to be able to tell it. INTERLUDE END <<
And with Meryl Streeps performance, it's the same thing: to make something clear about what Nora Ephron and Meryl Streep find interesting about Julia Child as a character, her way of approaching challenges, cooking and her marriage, her joyful attitude, never afraid of embarassment, never intimidated it is not necessary nor helpful to deliver a 1:1 copy (in that case we could look at the original TV shows), but to create a certain dramatic arrangement of the available information material and a special performative approach be Mrs. Streep.
So Streep's performance is perfect crafts(wo)manship of acting in the sense that it is an empathetic creation and repesentation of an idea of an individual way of approaching life, connect to the world, facing challenges, relate to other people, love another person; an idea that is based on that real person, Julia Child, her concrete life and thus contains an authentic portrayal of her
but that does not wear out in that mimic authenticity or an inventory narration of that concrete life.
And that's what describes the art of acting: not just reading words from a piece of paper, but understanding the core of a story and its characters and from that idea develop a figurative concept to make the idea, the "message" visible; to build a set of expressive methods - gestures, looks, mimic expressions, pitch of the voice, dialect, interacting with objects, other actors -
and assemble all these single ingredients to a coherent composition in balance and with reference towards the other actors, the set, the ideas of the director etc.
Meryl Streeps and Stanley Tucci's portrayal of her unpretencious, cheerful personality and his unconditioned admirance and support for her create a colourful image of an unusual, passionate relationship that is just touching without being being cheesy.
Film #1 Wald vor lauter Bäumen
Der Abschlussfilm von Maren Ade ("Alle Anderen") zeichnet das fast dokumentarische Protokoll einer jungen Frau, die alles richtig machen will und dabei alles falsch macht, die den Anforderungen von Beruf und Gesellschaft entsprechen will und in ihren immer danebenliegt.
Melanie Pröschle, 27jährige Lehrerin aus Schwaben, tritt mit viel Idealismus ihre erste Stelle an einer Realschule in Karlsruhe an. Für ihr neues Leben macht sie sich jede Menge Hoffnungen.
Sie hat sich fest vorgenommen, alles richtig zu machen. Höflich stellt sie sich mit einem „Selbschtgebrannten“ bei ihren Nachbarn vor. Doch in der Schule fasst sie nicht Fuß. Den Schülern ist sie nicht gewachsen. Im Kollegium kommt sie nicht richtig an.
Auch sonst fällt es ihr nicht leicht, in der fremden Stadt ein neues Leben anzufangen. Einsamkeit macht sich breit. Aber Melanie lässt sich nicht entmutigen und knüpft Kontakt zu ihrer Nachbarin Tina. Gerade von ihrem Freund verlassen, ist Tina zunächst jede Ablenkung recht. Aber bald wird klar, dass Tina schon genügend Freunde hat, die besser zu ihr passen, als die schwäbelnde Sandalenträgerin. Es entwickelt sich das aus Kindertagen jedem Bekannte klassische Drama des uncoolen Mädchens, das unbedingt zur angesagten Gruppe dazugehören will und bereit ist, jede Anstrengung und Selbsterniedrigung in Kauf zu nehmen, am akzeptiert zu werden.
Je mehr Tina sich zurückzieht, desto drängender werden Melanies Bemühungen. Dabei überschreitet sie mit jedem neuen Annäherungsversuch eine weitere Grenze, verstrickt sich zunehmend in einem Kreislauf aus falschen Hoffnungen, peinlicher Situationen und Lügen. Zun Immer mehr werden Melanies Kräfte völlig vom Schulalltag, ihrem Bemühen Normalität zu präsentieren und ihrem immer kläglicheren Werben um Tinas Freundschaft absorbiert, so dass sie zunehmend verwahrlost.
Der Film konzenrtiert sich ganz auf die junge Frau, die sich weiterhin aufrichtig bemüht, alles richtig zu machen und der dabei so ziemlich alles mislingt. Darin liegt die unfreiwillige und zutiefst tragische Komik der Figur. Der musikfreie Film erinnert in seiner quasi dokumentarischen Perspektive an die Dogma-Filme und macht das Zusehen zu einer Anstrengung sondergleichen.
Mitanzusehen, wie sie eine peinliche Szene nach der anderen hinlegt, im Unterricht untergeht und dabei immer nur das Beste will und bemüht ist, ist unerträglich gut dargestellt und gnadenlos beobachtet.
Fast unmerklich schraubt das reduzierte Kammerspiel mit reduktionistischer Dogma-Optik die soziale Temperatur und erhöht kontinuierlich die Fallhöhe. Da der Zuschauer mit Melanie die neue Stelle antritt bemerkt kaum die sich anbahnende - im Film aber nie ausbuchstabierte - Katastrophe; auch wenn man sie als unbeholfen und ungelenk erlebt und sich die Anzeichen für ihre Not und ihre aus den Fugen geratende Welt mehren: es ist die große Qualität des Films, das die Steigerung so langsam und kontinuierlich erfolgt und immer noch ausreichend Grundrealismus. Damit ist der "Wald vor lauter Bäumen" ein wenn auch fiktives so doch glaubwürdige Illustration dessen, wie jemand die Welt und die Kontrolle über das eigene Leben entgleiten können.
Das macht den Film in Teilen derartig anstrengend, dass es eine regelrechte Kraft- und Mutprobe ist, sich den Film am Stück anzuschauen, ohne wegzugucken oder auf Pause zu drücken!
(Textquelle Timebandits via filmz)
Melanie Pröschle, 27jährige Lehrerin aus Schwaben, tritt mit viel Idealismus ihre erste Stelle an einer Realschule in Karlsruhe an. Für ihr neues Leben macht sie sich jede Menge Hoffnungen.
Sie hat sich fest vorgenommen, alles richtig zu machen. Höflich stellt sie sich mit einem „Selbschtgebrannten“ bei ihren Nachbarn vor. Doch in der Schule fasst sie nicht Fuß. Den Schülern ist sie nicht gewachsen. Im Kollegium kommt sie nicht richtig an.
Auch sonst fällt es ihr nicht leicht, in der fremden Stadt ein neues Leben anzufangen. Einsamkeit macht sich breit. Aber Melanie lässt sich nicht entmutigen und knüpft Kontakt zu ihrer Nachbarin Tina. Gerade von ihrem Freund verlassen, ist Tina zunächst jede Ablenkung recht. Aber bald wird klar, dass Tina schon genügend Freunde hat, die besser zu ihr passen, als die schwäbelnde Sandalenträgerin. Es entwickelt sich das aus Kindertagen jedem Bekannte klassische Drama des uncoolen Mädchens, das unbedingt zur angesagten Gruppe dazugehören will und bereit ist, jede Anstrengung und Selbsterniedrigung in Kauf zu nehmen, am akzeptiert zu werden.
Je mehr Tina sich zurückzieht, desto drängender werden Melanies Bemühungen. Dabei überschreitet sie mit jedem neuen Annäherungsversuch eine weitere Grenze, verstrickt sich zunehmend in einem Kreislauf aus falschen Hoffnungen, peinlicher Situationen und Lügen. Zun Immer mehr werden Melanies Kräfte völlig vom Schulalltag, ihrem Bemühen Normalität zu präsentieren und ihrem immer kläglicheren Werben um Tinas Freundschaft absorbiert, so dass sie zunehmend verwahrlost.
Der Film konzenrtiert sich ganz auf die junge Frau, die sich weiterhin aufrichtig bemüht, alles richtig zu machen und der dabei so ziemlich alles mislingt. Darin liegt die unfreiwillige und zutiefst tragische Komik der Figur. Der musikfreie Film erinnert in seiner quasi dokumentarischen Perspektive an die Dogma-Filme und macht das Zusehen zu einer Anstrengung sondergleichen.
Mitanzusehen, wie sie eine peinliche Szene nach der anderen hinlegt, im Unterricht untergeht und dabei immer nur das Beste will und bemüht ist, ist unerträglich gut dargestellt und gnadenlos beobachtet.
Fast unmerklich schraubt das reduzierte Kammerspiel mit reduktionistischer Dogma-Optik die soziale Temperatur und erhöht kontinuierlich die Fallhöhe. Da der Zuschauer mit Melanie die neue Stelle antritt bemerkt kaum die sich anbahnende - im Film aber nie ausbuchstabierte - Katastrophe; auch wenn man sie als unbeholfen und ungelenk erlebt und sich die Anzeichen für ihre Not und ihre aus den Fugen geratende Welt mehren: es ist die große Qualität des Films, das die Steigerung so langsam und kontinuierlich erfolgt und immer noch ausreichend Grundrealismus. Damit ist der "Wald vor lauter Bäumen" ein wenn auch fiktives so doch glaubwürdige Illustration dessen, wie jemand die Welt und die Kontrolle über das eigene Leben entgleiten können.
Das macht den Film in Teilen derartig anstrengend, dass es eine regelrechte Kraft- und Mutprobe ist, sich den Film am Stück anzuschauen, ohne wegzugucken oder auf Pause zu drücken!
(Textquelle Timebandits via filmz)
Donnerstag, Februar 18, 2010
Das Grab. Von Wolfgang Borchert. In Hamburg.
Die TITANIC wartet heuer mit einer sehr schönen Borchert-Simulation auf.
Mittwoch, Februar 17, 2010
Webdesign
Dass die Internetseite des Bundesverfassungsgerichts in Kooperation mit dem Institut für Rechtsinformatik der Universätig des Saarlandes entwickelt wurde, lässt sich nicht zuletzt an dem Erscheinungsbild und der Typographie (Layout und Gestaltung: Hendrik Schöttle) ablesen.
Dienstag, Februar 16, 2010
Menschenverachtende Mutproben
Im Zuge der Debatte um abscheuliche Rituale bei den Gebirgsjägern (Rekruten wurden gezwungen "Himmel un Äääd" und andere lokale Spezialitäten zu essen), deckt das Satire-Magazin TITANIC weitere Skandale auf:
"Wer im fernen Kunduz zur Bundeswehr gehören möchte, muß angeblich Menschen töten, Tanklaster bombardieren und ab und zu Kanonenfutter für die Taliban spielen."
Der Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Reinhold Robbe, sieht darüber hinaus bei Teilen der Bundeswehr auch ein Alkoholproblem. "Ich habe den Eindruck, dass es bei bestimmten Truppenteilen nach Dienstschluss ein Alkoholproblem gibt, das wir entschieden bekämpfen müssen." Ist der Mann jemals Freitags oder Sonntags mit der Bahn gefahren?
(Bild: coolza)
"Wer im fernen Kunduz zur Bundeswehr gehören möchte, muß angeblich Menschen töten, Tanklaster bombardieren und ab und zu Kanonenfutter für die Taliban spielen."
Der Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Reinhold Robbe, sieht darüber hinaus bei Teilen der Bundeswehr auch ein Alkoholproblem. "Ich habe den Eindruck, dass es bei bestimmten Truppenteilen nach Dienstschluss ein Alkoholproblem gibt, das wir entschieden bekämpfen müssen." Ist der Mann jemals Freitags oder Sonntags mit der Bahn gefahren?
(Bild: coolza)
Montag, Februar 15, 2010
Das Scheitern der Anderen
"Die Missachtung der Mitte hat System, und sie ist brandgefährlich. Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein." Guido Westerwelle in einem Gastkommentar für DIE WELT.
"Kaiser Caligula hat einen Esel zum Konsul ernannt. Insofern stimmt Westerwelles Vergleich: Vor 100 Tagen ist ein Esel Bundesaußenminister geworden." Heiner Geißler
"[...] wir müssen endlich auch an diejenigen denken, die hart arbeiten, die haben auch Familien zu versorgen. Und mehr und mehr werden diejenigen, die arbeiten in Deutschland, zu den Deppen der Nation." Guido Westerwelle im Interview mit dem Deutschlandfunk.
Die Frankfurter Rundschau kommentiert: "Westerwelle kommt offenbar nicht auf den Gedanken, dass sich seine Forderung auch erfüllen ließe, wenn die Einkommen von Geringerverdienern höher wären. Er zielt nicht auf Lohnuntergrenzen oder das Verhindern von Tarifflucht, sondern will den Lohnabstand durch geringere Hartz-IV-Sätze gewährleisten." (FR)
"Die Niveaulosigkeit, mit der bedürftige Menschen als Abzocker gebrandmarkt und Verfehlungen zur höchsten Gefahr für den Sozialstaat erklärt werden, ist kein Zufall, sondern folgt einem Kalkül." (taz)
Ein dieser Tage im rheinischen Karneval oft gegröhlter Kölner Kneipenhit erklärt, dass, wenn das Trömmelchen ginge, alle parat stünden und durch die Stadt zögen.
Dieses Bild scheint Guido Westerwelle zu motivieren, ganz groß auf die Pauke zu hauen und eine Debatte über Hartz IV vom Zaun zu brechen, die offensichtlich gezielt Widerspruch und Aufruhr provozieren soll. Ein normales Verhalten für eine kleine Partei in der Opposition. Aber halt: die FDP ist ja gar nicht mehr in der Opposition und ihr Chef auch nicht mehr 18prozentiger Leichtmatrose, sondern Vizekanzler und Außenminister.
Indes, der stets fidele Liberalenchef scheint frustriert zu sein. Vielleicht weil er mit dem Außenamt fremdelt, anders als z.B. Joschka Fischer, der in der Beschäftigung mit geopolitischen Fragen von mindestens historischer Tragweite auch körperlich immer mehr aufging.
Gröhlfaz aus der Mehrzweckhalle
Dem "stets übersteuerte[n] Lautsprecher des deutschen Liberalismus" (Wolfgang Stenke) liegen die Nuancen der Diplomatie nicht. Die Zwischentöne interkultureller Differenzen zu verstehen und visionäre geopolitische Strategien zu stricken, ist keine Leidenschaft des Gröhlfaz aus der Mehrzweckhalle.
Dem Fischer Josef waren schon bald Debatten, die sich auch mal um den Antrag auf Verlesung der Ergebnisse der Frauenfußballbundesliga auf Grünen-Parteitagen drehen konnten, zu klein. Er widmete sich lieber dem jroßen Janzen. Und dies konnte er auch nach Lust und Laune tun: Zu Hause managten Claudia Roth, Fritz Kuhn, Renate Künast und Jürgen Trittin den Partei- und Polit-Alltag.
Dagegen hängt die FDP viel stärker von Westerwelle ab; und je mehr zu Tage tritt,
dass sich die frohe Botschaft der Steuersenkung, auf die die FDP sich reduziert hat, nicht wird in Taten umsetzen lassen, desto händeringender sucht die FDP nach Möglichkeiten, sich markant zu positionieren – und blickt auf ihren Chef.
If you can't win by reason - go for volume!
Der jedoch reibt sich in der Doppelbelastung auf. Das tradionell liberale Erbamt des Außenministers spannt den Anwalt aus Bad Honnef in eine straffe Agenda, organisiert und auf ihn appliziert von einer noch strafferen Ministeriums-Administration. Zudem ist er mit einem gewaltigen Lern- und Arbeitspensum konfrontiert. Das verlangt ihm nicht nur viel Kraft ab, sondern spricht eine seiner typischsten Eigenschaften an: einen beflissenen Fleiß gepaart mit dem Wunsch, es all jenen zu zeigen, von denen er sich unterschätzt fühlt.
In der Opposition und auf dem Gebiet der Innenpolitik war Westerwelle stets am Puls, setzte Themen, trieb die große Koalition lustvoll mit süffisanter Rhetorik vor sich her. Am Ziel der Macht angekommen, erscheint die FDP wie paralysiert. Negative Schlagzeilen von den Hotelierspenden als Dank für Klientelpolitik oder der Besetzung einer Schlüsselposition im Gesundheitsministerium mit einem Lobbyisten der privaten Krankenversicherungen bestätigten alte Vorurteile.
Gemäß dem Motto "If you can't win by reason - go for volume." versucht Westerwelle nun mit nervösen Anfällen im Kabinett oder dem Griff ins grobe Register das Bild vom Konfirmanden abzustreifen und seine Partei wieder aus der Devensive zu bringen - ruft aber damit mehr Stirnrunzeln als Respekt hervor.
Der Rüpel vom Fahrradständer und die Klassensprecherin
Die schrille Tonlage nervt vor allem den konservativen Koalitionspartner. Manch einer wird sich die ruhige Professionalität des verlässlichen Münte oder des coolen Steinbrück zurückwünschen.
Dass Westerwelle den Flurschaden nicht erkennt, den er mit seiner diffamierenden Debatte im Vorfeld der nahenden NRW-Landtwagswahl verursacht, zeigt, wie weit er dem innenpolitischen Alltag bereits entrückt ist. Den selbsternannten Arbeiterführer Jürgen Rüttgers wird es freuen.
In der CDU hat Roland Koch sich in der Rolle des Bad Boy und "Tabubrechers" eingerichtet und bedient das konservative Bedürfnis nach markigen Sprüchen und Ressentiment. Weil der hessische Ministerpräsident den Rüpel vom Fahrradständer gibt, kann Angela Merkel sich als Klassensprecherin für alle und Konservative mit Herz darstellen. Eine solche Rollenteilung gibt es in der FDP - spätestens seit dem Tod Möllemanns - nicht (mehr). Hier konzentriert sich alles auf Guido Westerwelle.
Das Scheitern der Anderen
Zudem fehlt dem Oberliberalen, was sein modischer Zwilling und politischer Konkurrent Freiherr zu Guttenberg im Übermaß pflegt: Die Fähigkeit zur 180-Grad-Wende.
Als verkniffener Oberstreber kann der Guido von einem einmal eingeschlagenen
Weg nicht mehr abkehren. Stattdessen trommelt er weiter und lauter auf seiner Trommel.
DIE ZEIT hatte es in einer Zwischenbilanz beschrieben: "Die Kanzlerin hat das Regieren an der Seite der Sozialdemokraten erlernt, während die FDP elf Jahre lang – die längste Spanne in ihrer Geschichte – in die Opposition verbannt war. Die Union hat sich in dieser Zeit pragmatisiert und sozialdemokratisiert, die Liberalen hingegen haben sich in der Opposition radikalisiert." Das macht den beiden "natürlichen Partnern" nun das gemeinsame Regieren schwer bis unmöglich.
Und die SPD kann sich zurücklehnen und die ungewohnte Situation genießen, wie zur Abwechslung andere mit ihrer Zerfleischung Schlagzeilen machen. Sie sollte die Zeit zur programmatischen Erneuerung nutzen, um in Inhalt und Personal eine echte Altenative zu formulieren - die Gelegenheit ist günstig, sich gegen eine Politik zu profilieren, die an Verlustängste der Mittelschicht apelliert, als Erfüllungsgehilfe von Lobbyinteressen agiert und zynische Diffamierung großer Bevölkerungsteile betreibt.
Denn zum Erfolg bei Wahlen gehört etwas mehr, als bloß das Scheitern der Anderen.
Nachsatz: Aus Anlass der Hartz-IV-Breitseite von Roland Koch erläuterte die taz die hinter solchen Angriffen stehende Systematik und strategische Funktion"Wer Erwerbslose als Nichtstuer abwertet, setzt auf zwei Effekte: Er verschafft denjenigen, die noch Arbeit haben, einen Distinktionsgewinn. Und fördert ihre Bereitschaft, Zumutungen hinzunehmen, um den eigenen Status zu erhalten. Zudem bereitet er den Boden für Kürzungen, die bei vorab diskreditierten Gruppen leichter fallen. Beides ist wichtig für eine Regierung, die realisiert, dass sich Rekordschulden nicht dauerhaft mit Geschenken an die gehobene Mittelschicht verbinden lassen." (taz)
(Bild: vierdrie)
"Kaiser Caligula hat einen Esel zum Konsul ernannt. Insofern stimmt Westerwelles Vergleich: Vor 100 Tagen ist ein Esel Bundesaußenminister geworden." Heiner Geißler
"[...] wir müssen endlich auch an diejenigen denken, die hart arbeiten, die haben auch Familien zu versorgen. Und mehr und mehr werden diejenigen, die arbeiten in Deutschland, zu den Deppen der Nation." Guido Westerwelle im Interview mit dem Deutschlandfunk.
Die Frankfurter Rundschau kommentiert: "Westerwelle kommt offenbar nicht auf den Gedanken, dass sich seine Forderung auch erfüllen ließe, wenn die Einkommen von Geringerverdienern höher wären. Er zielt nicht auf Lohnuntergrenzen oder das Verhindern von Tarifflucht, sondern will den Lohnabstand durch geringere Hartz-IV-Sätze gewährleisten." (FR)
"Die Niveaulosigkeit, mit der bedürftige Menschen als Abzocker gebrandmarkt und Verfehlungen zur höchsten Gefahr für den Sozialstaat erklärt werden, ist kein Zufall, sondern folgt einem Kalkül." (taz)
* * * * *
Ein dieser Tage im rheinischen Karneval oft gegröhlter Kölner Kneipenhit erklärt, dass, wenn das Trömmelchen ginge, alle parat stünden und durch die Stadt zögen.
Dieses Bild scheint Guido Westerwelle zu motivieren, ganz groß auf die Pauke zu hauen und eine Debatte über Hartz IV vom Zaun zu brechen, die offensichtlich gezielt Widerspruch und Aufruhr provozieren soll. Ein normales Verhalten für eine kleine Partei in der Opposition. Aber halt: die FDP ist ja gar nicht mehr in der Opposition und ihr Chef auch nicht mehr 18prozentiger Leichtmatrose, sondern Vizekanzler und Außenminister.
Indes, der stets fidele Liberalenchef scheint frustriert zu sein. Vielleicht weil er mit dem Außenamt fremdelt, anders als z.B. Joschka Fischer, der in der Beschäftigung mit geopolitischen Fragen von mindestens historischer Tragweite auch körperlich immer mehr aufging.
Gröhlfaz aus der Mehrzweckhalle
Dem "stets übersteuerte[n] Lautsprecher des deutschen Liberalismus" (Wolfgang Stenke) liegen die Nuancen der Diplomatie nicht. Die Zwischentöne interkultureller Differenzen zu verstehen und visionäre geopolitische Strategien zu stricken, ist keine Leidenschaft des Gröhlfaz aus der Mehrzweckhalle.
Dem Fischer Josef waren schon bald Debatten, die sich auch mal um den Antrag auf Verlesung der Ergebnisse der Frauenfußballbundesliga auf Grünen-Parteitagen drehen konnten, zu klein. Er widmete sich lieber dem jroßen Janzen. Und dies konnte er auch nach Lust und Laune tun: Zu Hause managten Claudia Roth, Fritz Kuhn, Renate Künast und Jürgen Trittin den Partei- und Polit-Alltag.
Dagegen hängt die FDP viel stärker von Westerwelle ab; und je mehr zu Tage tritt,
dass sich die frohe Botschaft der Steuersenkung, auf die die FDP sich reduziert hat, nicht wird in Taten umsetzen lassen, desto händeringender sucht die FDP nach Möglichkeiten, sich markant zu positionieren – und blickt auf ihren Chef.
If you can't win by reason - go for volume!
Der jedoch reibt sich in der Doppelbelastung auf. Das tradionell liberale Erbamt des Außenministers spannt den Anwalt aus Bad Honnef in eine straffe Agenda, organisiert und auf ihn appliziert von einer noch strafferen Ministeriums-Administration. Zudem ist er mit einem gewaltigen Lern- und Arbeitspensum konfrontiert. Das verlangt ihm nicht nur viel Kraft ab, sondern spricht eine seiner typischsten Eigenschaften an: einen beflissenen Fleiß gepaart mit dem Wunsch, es all jenen zu zeigen, von denen er sich unterschätzt fühlt.
In der Opposition und auf dem Gebiet der Innenpolitik war Westerwelle stets am Puls, setzte Themen, trieb die große Koalition lustvoll mit süffisanter Rhetorik vor sich her. Am Ziel der Macht angekommen, erscheint die FDP wie paralysiert. Negative Schlagzeilen von den Hotelierspenden als Dank für Klientelpolitik oder der Besetzung einer Schlüsselposition im Gesundheitsministerium mit einem Lobbyisten der privaten Krankenversicherungen bestätigten alte Vorurteile.
Gemäß dem Motto "If you can't win by reason - go for volume." versucht Westerwelle nun mit nervösen Anfällen im Kabinett oder dem Griff ins grobe Register das Bild vom Konfirmanden abzustreifen und seine Partei wieder aus der Devensive zu bringen - ruft aber damit mehr Stirnrunzeln als Respekt hervor.
Der Rüpel vom Fahrradständer und die Klassensprecherin
Die schrille Tonlage nervt vor allem den konservativen Koalitionspartner. Manch einer wird sich die ruhige Professionalität des verlässlichen Münte oder des coolen Steinbrück zurückwünschen.
Dass Westerwelle den Flurschaden nicht erkennt, den er mit seiner diffamierenden Debatte im Vorfeld der nahenden NRW-Landtwagswahl verursacht, zeigt, wie weit er dem innenpolitischen Alltag bereits entrückt ist. Den selbsternannten Arbeiterführer Jürgen Rüttgers wird es freuen.
In der CDU hat Roland Koch sich in der Rolle des Bad Boy und "Tabubrechers" eingerichtet und bedient das konservative Bedürfnis nach markigen Sprüchen und Ressentiment. Weil der hessische Ministerpräsident den Rüpel vom Fahrradständer gibt, kann Angela Merkel sich als Klassensprecherin für alle und Konservative mit Herz darstellen. Eine solche Rollenteilung gibt es in der FDP - spätestens seit dem Tod Möllemanns - nicht (mehr). Hier konzentriert sich alles auf Guido Westerwelle.
Das Scheitern der Anderen
Zudem fehlt dem Oberliberalen, was sein modischer Zwilling und politischer Konkurrent Freiherr zu Guttenberg im Übermaß pflegt: Die Fähigkeit zur 180-Grad-Wende.
Als verkniffener Oberstreber kann der Guido von einem einmal eingeschlagenen
Weg nicht mehr abkehren. Stattdessen trommelt er weiter und lauter auf seiner Trommel.
DIE ZEIT hatte es in einer Zwischenbilanz beschrieben: "Die Kanzlerin hat das Regieren an der Seite der Sozialdemokraten erlernt, während die FDP elf Jahre lang – die längste Spanne in ihrer Geschichte – in die Opposition verbannt war. Die Union hat sich in dieser Zeit pragmatisiert und sozialdemokratisiert, die Liberalen hingegen haben sich in der Opposition radikalisiert." Das macht den beiden "natürlichen Partnern" nun das gemeinsame Regieren schwer bis unmöglich.
Und die SPD kann sich zurücklehnen und die ungewohnte Situation genießen, wie zur Abwechslung andere mit ihrer Zerfleischung Schlagzeilen machen. Sie sollte die Zeit zur programmatischen Erneuerung nutzen, um in Inhalt und Personal eine echte Altenative zu formulieren - die Gelegenheit ist günstig, sich gegen eine Politik zu profilieren, die an Verlustängste der Mittelschicht apelliert, als Erfüllungsgehilfe von Lobbyinteressen agiert und zynische Diffamierung großer Bevölkerungsteile betreibt.
Denn zum Erfolg bei Wahlen gehört etwas mehr, als bloß das Scheitern der Anderen.
* * * *
Nachsatz: Aus Anlass der Hartz-IV-Breitseite von Roland Koch erläuterte die taz die hinter solchen Angriffen stehende Systematik und strategische Funktion"Wer Erwerbslose als Nichtstuer abwertet, setzt auf zwei Effekte: Er verschafft denjenigen, die noch Arbeit haben, einen Distinktionsgewinn. Und fördert ihre Bereitschaft, Zumutungen hinzunehmen, um den eigenen Status zu erhalten. Zudem bereitet er den Boden für Kürzungen, die bei vorab diskreditierten Gruppen leichter fallen. Beides ist wichtig für eine Regierung, die realisiert, dass sich Rekordschulden nicht dauerhaft mit Geschenken an die gehobene Mittelschicht verbinden lassen." (taz)
(Bild: vierdrie)
Ze donn
"Wer die Befriedigung des Schaffens einmal erfahren hat, für den sind alle anderen Befriedigungen nicht mehr vorhanden."
Tschechow via Perlentaucher
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