Heute wird Präsident William Jefferson "Bill" Clinton 60 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch! Seine Autobiographie "Mein Leben" ist ein ziemlicher Ziegelstein. Mancher Rezensent beklagte, dass in der unglaublichen Detailfülle die erzählerische Stringenz verloren ginge. In der Tat handelt es sich nicht um Bellitristik.
Clinton beschreibt geradzu mikroskopisch seinen Weg vom Jura-Studenten zum mächtigsten Mann der Welt. Wen aber interessiert, wie amerikanische Politik, amerikanischer Wahlkampf, das Parteiensystem funktioniert, wird hier aus erster Hand bedient. Das mag für Leser, die sich v.a. für Oral-Sex interessieren unerträglich langweilig sein.
Auch die Masse an Namen von Wegbegleitern - seien sie auch noch so marginal - mag die Ausdauer strapazieren. Aber es ergibt sich ein nahtloses Bild, wie Clinton an die Spitze gekommen ist. Die Beschreibungen der Auseinandersetzungen mit Kenneth Starr sind atemberaubend. Man kann sich des ohnehin durch die Berichte um die Verstrickungen der Bush-Administration (Stichwort Cheney/Halliburton) vorhandenen Eindrucks, es mit Eiferern zu tun zu haben, nicht erwehren, das hier regelrechte kriminelle Energien, pathologischer Hass auf liberale Ideen, oder - um es mal pathetisch zu sagen - die Mächte des Bösen am Werke sind.
Anyhoo - Bill Clinton "Mein Leben" ist ebenso spannend wie empfehlenswert.
Wer auf den Geschmack kommen will, dem sei Mike Nichols hervorragender Film PRIMARY COLOURS empfohlen. basierend auf dem gleichnamigen Roman des Clinton Wahlkampfhelfers Joe Klein beschreibt Primary Colours den Wahlkampf Clintons bei den Vorwahlen um die Kandidatur der Demokraten für den Presidentschaftswahlkampf 1993. John Travolta und v.a. Emma Thompson spielen kolossal.
Samstag, August 19, 2006
Das Recht man selbst zu sein
"Nicht nur, weil man selbst nicht von irgendwem als irgendwas integriert werden möchte, gilt es in diesen Tagen, da Arbeitslose zu Tätigkeiten weit unter ihrer Qualifikation gezwungen werden und feiste Männer unwidersprochen gebärunwillige Frauen im Namen des Volkswohls zum Kinderkriegen auffordern, an den kulturellen Wert von Individualismus und Desintegration zu erinnern. Denn die von der Mehrheit definierte und gewünschte Norm ist nicht per se erstrebenswert. Von ihr geht nämlich seit jeher ein immenser Druck aus, Außergewöhnliches zu stutzen, um es ins herrschende Mittelmaß einzupassen." schreibt Christian Kortmann heute in der TAZ. Wie wahr!
Freitag, August 18, 2006
Verdacht des Nichtstuns
Heute ein guter Artikel in der NZZ, in dem es um die Invasion des Privaten, der Freizeit und des zweckentbundenen Spiels durch die Logik der Wirtschaft, des Profits, der Arbeit geht. Dabei gibt es einen intelligent formulierte Beobachtung über die Wertsteigerung der Arbeit, genauer gesagt, des Arbeitsplatzes, der aufgrund seiner Knappheit immer mehr an Wert zunimmt:
"In den vergangenen Jahren hat sich die Bewertung von Arbeit unmerklich verändert. Sie gilt nicht mehr als lästiges Übel, als «Notdurft der Materie», sondern als ein Privileg, denn die anhaltende Arbeitslosigkeit hat die Lohnarbeit zu einem knappen Gut werden lassen. Die Arbeit ist ein Imagefaktor, sie ist chic geworden. Das Gefühl, ständig erreichbar sein zu müssen, holt auch jene ein, die an ihrem Arbeitsplatz gar nicht so unentbehrlich sind. Weil Arbeit attraktiv ist, gibt es so wenig Widerstand gegen die Erosion des Privaten. Im Gegenteil: Nichtstun ist auch dann suspekt, wenn es nichts zu tun gibt."
Der ganze Artikel Schlachtopfer des Fleißes in der Online-Ausgabe der NZZ
"In den vergangenen Jahren hat sich die Bewertung von Arbeit unmerklich verändert. Sie gilt nicht mehr als lästiges Übel, als «Notdurft der Materie», sondern als ein Privileg, denn die anhaltende Arbeitslosigkeit hat die Lohnarbeit zu einem knappen Gut werden lassen. Die Arbeit ist ein Imagefaktor, sie ist chic geworden. Das Gefühl, ständig erreichbar sein zu müssen, holt auch jene ein, die an ihrem Arbeitsplatz gar nicht so unentbehrlich sind. Weil Arbeit attraktiv ist, gibt es so wenig Widerstand gegen die Erosion des Privaten. Im Gegenteil: Nichtstun ist auch dann suspekt, wenn es nichts zu tun gibt."
Der ganze Artikel Schlachtopfer des Fleißes in der Online-Ausgabe der NZZ
Sonntag, August 13, 2006
Jede Wahrheit braucht einen Mutigen...
Eigentlich muss man dazu nichts sagen, denn die durchsichtige Kampagne kommentiert sich in ihrer unverfrorenen Anmaßung und Geschmacklosigkeit selbst. Aber weil Schweigen den Megaphonen das Feld ohne Gegenwehr zu überlassen bedeuten würde, sei es doch gesagt: Die aktuelle Plakat-Kampagne der BILD-Zeitung ist von solch unverschämter Anmaßung, dass einem die Spucke wegbleit. "Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht" schlagzeilt einem "Europas größte und übelste Sexualklatschkloake" (Gerhard Henschel) entgegen und es ist klar, das BILD hier von sich selbst redet - BILD das unbequeme Blatt, Sprachrohr der entrechteten Massen, das es "denen da oben", den "feinen Herren Politikern" so richtig zeigt; und dabei wähnt sich BILD auf demselben Niveau wie andere "Mutige", die denn auch die Plakate zieren: Mahatma Ghandi, Siegmund Freud, Martin Luther King. Es ist schon von kollossaler Geschmacklosigkeit, dass BILD, das in seiner Online-Ausgabe immer nur einen Mausklick von der Pornographie entfernt ist, v.a. aus den Unterhosen der F-Prominenz berichtet, sich auf einer Ebene mit Menschen sieht, die für mehr Frieden ihr Leben gaben.
Lesen Sie zu dem Thema auch Nehmt BILD beim Wort! in der Online-Ausgabe der Taz.
Lesen Sie zu dem Thema auch Nehmt BILD beim Wort! in der Online-Ausgabe der Taz.
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