Zum 25. Geburtstag des "Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung" und aus Anlass der immer dichter folgenden Skandale um Datenmissbrauch und -verlust bei Telekom, ausspionierten Mitarbeitern bei Lidl und Kreditkarten bei der Berliner Landesbank schreibt Heribert Prantl heute in der SZ: "von einer Selbstbestimmung der Bürger kann nicht die Rede sein."
"In der politischen Diskussion wurde so getan, als sei der Datenschutz etwas Unanständiges für unanständige Leute. Der Datenschutz wurde stets negativ beladen. Wer über die Gefährdung der Privatsphäre durch Datenverarbeitung reden wollte, der musste sich daher erst einmal entschuldigen, ein Bekenntnis gegen "übertriebenen" Datenschutz ablegen und darlegen, dass er dem Fortschritt von Technik, Wissenschaft und Kriminalitätsbekämpfung nicht im Wege stehen wolle. [...]
Die Quittung erhält die Gesellschaft jetzt. Die Verächtlichmachung des Datenschutzes hat das Bewusstsein über das Wesen von Persönlichkeitsdaten verschwinden lassen. Diese Daten werden behandelt, als wären sie nicht Ausdruck, sondern Abfall der Persönlichkeit. [...] Datenschutz ist der Schutz der Menschen in der digitalen Welt. Er ist das zentrale Grundrecht, das Ur-Grundrecht der Informationsgesellschaft. Er schützt nicht abstrakte Daten, sondern konkrete Bürger.", schreibt Heribert Prantl
Wobei man ergänzen muss, dass es auch eine Bewusstseinsänderung in der Gesellschaft, beim Einzelnen braucht. Es muss verstanden werden - und das wäre auch ein Thema für eine kritische Medienpädagogik, die sich eben nicht (ausschließlich) als Unterweisung und Einführung in Anwendungswissen für Softwareprodukte und also als Microsoft-Pädagogik missversteht-, dass Daten einen Wert haben, dass informationelle Selbstbestimmung einen Wert und ein schützenswertes Gut darstellt. Gerade in Zeiten, da Kinder und Jugendliche mit schülerVZ, facebook und anderen Plattformen aufwachsen, die dazu einladen private Daten einzuspeisen, ist dies nötiger denn je.
Aus einer solchen Haltung, die den Wert sollte sich ein im Alltag auch durchgesetzter Anspruch ableiten, oder wenigstens zivilier Ungehorsam: Man muss an der Kasse des Saturn oder Media Marktes nicht seine (richtige) Postleitzahl nennen. Wenn in Verträgen Passagen zur Verarbeitung von Daten vorkommen und gestrichen werden können, sollte man dies auch tun. Firmen, die ihre Produkte und Dienstleistungen nur anbieten, wenn man sich dazu bereit erklärt, sich dauerhaft deren Datenverarbeitung auszuliefern, kann man boykottieren. So wie die Wirtschaft zunehmend begreift, dass umweltfreundliches Verhalten ein Produktvorteil darstellt und dass umgekehrt negative Öko-PR (man denke nur an das Brent Spar-Debakel von Shell) einen Wettbewerbsnachteil, kann Datenabstinenz ein Wettbewerbsvorteil werden - vorausgesetzt dies wird von den Kunden nachgefragt und eingefordert. Das wäre schon ein Schritt in die richtige Richtung.
(Foto: domaz_dk)