In der Zeit beschäftigt sich Thomas Assheuer mit dem Phänomen, dass trotz in immer intensiverem Nachrichtenstakkato eintreffender Hiobsbotschaften die Menschen sich an die Krisenmeldungen gewöhnen wie an einen Tinnitus. Man weiß, dass die Umwelt den Bach runter geht, die Wirtschaft kollabiert, es immer mehr Armut bei gleichzeitig exzessivem Reichtum gibt - und dennoch machen Boris Beckers SMS-Teenie-Beziehungen länger Schlagzeilen, als die politische Krisen und Umweltkatastrophen."Überall in der Gesellschaft herrscht informierte Apathie und unheimliche Gelassenheit, und der Glühweinverkauf auf Weihnachtsmärkten zeigt eine erfreuliche Tendenz: Es geht aufwärts" (Zeit)
Assheuers These: Die einander permanent überbietende Darstellung von Krisen und Katastrophen in den Medien führt zur Abstumpfung und Widerwillen.
" [...] die Dauerkommunikation der Krise nimmt ihr die erkenntnisfördernde Wucht. Dieselben Medien, die die Katastrophe ausmalen und dem »Denken der Frist« Raum geben, schwächen sie zugleich. Warum? Weil jeder Schock, den die Medienmaschine in ikonografischer Verdichtung ins Bild setzt, durch seine unablässige Wiederholung entschärft wird. [...] Ganz ähnlich die Bilder von der Eisbärmutter, die mit ihren Jungen auf einer Scholle einem traurigen Ende entgegentreibt. Die serielle Monotonie, mit der die Apokalypse ins kollektive Bewusstsein eingebrannt wird, betäubt den Schrecken, vor dem sie warnen will. Drastischer gesagt: Die Wahrheit stirbt an ihrer medialen Wiederholung." (Die Zeit)