"Es hat zwei andere gewaltige Defizite: Es ist ungerecht und ineffizient. Beide Themen hängen zudem eng zusammen. Wir haben schlechtes Timing bei Bildungsinvestitionen und treffen nicht den, der es am nötigsten braucht und am meisten profitiert.
[...] offenbar funktioniert der Bildungserwerb nach dem sogenannten Matthäus-Prinzip: „Denn wer da hat, dem wird gegeben werden.“ Wer schon als Säugling eine stimulierende, stärkende und schützende Umgebung hatte, kann künftige Bildungsangebote besser ausbeuten. Er hat größere Lernraten als der vernachlässigte Altersgenosse. Zugespitzt bedeutet es: Der Behütete bezahlt einmal Steuern, der andere darbt in der Arbeitslosigkeit und beansprucht Transfers. Im schlimmen Fall wird er kriminell.
[...] Doch die staatlichen Investitionspläne Deutschlands folgen einer anderen Logik: Wenig Geld kommt früh und trifft den Nachwuchs der Besserverdiener, viel mehr Geld kommt später und trifft dann ebenfalls diese privilegierten Kinder. Ein Ergebnis der Fehlallokation ist, dass fast ein Viertel der 15-Jährigen in Deutschland nicht richtig lesen, schreiben und rechnen können." (FAS)
Das Phänomen, dass sich die Mittelschicht sich die Bildungsinvestitionen im frühen und im späten Bildungsstadium sichert - und diese Situation retrospektiv naturalisiert und mit unterschiedlichen Begabungen begründet wird, bringt taz-Bildungsredakteur Christian Füller auf die spitze Formel: "bildungsbürgerlicher doppelpass: eltern reservieren gymnasium für wenige kinder - + die fordern später, dass sie umsonst studieren dürfen."
Wer nachhaltig eine Wende im Sozialstaat, Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit will und breitere Bildungsreserven erschließen will, muss die Bedingungen für die Möglichkeit zum Bildungserfolg und den damit verbundenen Zugang zu den Feldern auf denen die Zugangsberechtigungen (Gymnasium) für anschließende, weiterführende Felder zum Erwerb weiterer Zugangsberechtigungen (Studium) zu Entscheiderpositionen und Leitberufen vergeben werden, verbessern. (Bild: gabrielaaa)