Im Wirtschaftsteil der FAZ vom 2. Juni schreibt Ludgar Wößmann, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität München und "Bereichsleiter Humankapital und Innovation " am ifo Institut, über die Debatte um Investitionen in Bildung. Während Bundesministerin Schavan und Kanzlerin Merkel im Kanon mit vielen "mehr Geld für Bildung" fordern, werden zunehmend Stimmen laut, die eine differenziertere Betrachtung einklagen.
"Geldmangel ist nicht das größte Problem im deutschen Bildungswesen", titelte unlängst die Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung im Wirtschaftsteil. Das Problem sei vielmehr, dass das Geld nicht diejenigen erreicht, die es benötigen: "Es hat zwei andere gewaltige Defizite: Es ist ungerecht und ineffizient. Beide Themen hängen zudem eng zusammen. Wir haben schlechtes Timing bei Bildungsinvestitionen und treffen nicht den, der es am nötigsten braucht und am meisten profitiert."
Geld für Hochschulen auszugeben würde daher immer diejenigen treffen, die überhaupt dort angekommen sind und das sind v.a. Mittel- und Oberschichtenkinder. Ludgar Wößmann nun weist ebenfalls daraufhin: "Die bestehende Foschung deutet jedenfalls darauf hin, dass mangelnder Hochschulzugang nur in seltenen Fällen mit akut fehlenden Finanzmitteln, sondern zumeist vielmehr mit mangelnder Grundlagenbildung und fehlender Bildungsaspiration des Elternhauses zu tun hat. So könnte sich herausstellen, dass ein Großteil des Programms letztlich eher als Förderung der Mittelschicht denn als Mittel zur Verbesserung der Bildungsergebnisse fungieren wird."
Eine doppelte Ungleichheit: Die Mittelschicht sichert sich die Bildungsinvestitionen im frühen und im späten Bildungsstadium und zementiert so die Ungleichheit - und der Staat steht für den wachsenden und verstetigten Bedarf sozialer Transferleistungen ein. So bezahlen alle für die im System angelegte Bevorteilung weniger - mit ihrem Geld und mit nicht realisierten biographischen Chancen.
Wenn man wirklich die Vererbung sozialer und ganz materieller Armut durchbrechen wolle, müsse man mit entsprechend Angebote finanzieren, die früh ansetzen: Hebammen statt Professoren, lautet die Formel.
Sonst bleibt die Erzählung von der "Bildungsexpansion" ein Märchen für diejenigen, die mit schlechten Bedingungen starten und die verfügbaren Blidungsangebote nicht zur Entwicklung von Fähigkeiten nutzen kann, mit denen die jeweils anschließenden Bildungsoptionen ausgebaut werden können. Wer dagegen "schon als Säugling eine stimulierende, stärkende und schützende Umgebung hatte, kann künftige Bildungsangebote besser ausbeuten. Er hat größere Lernraten als der vernachlässigte Altersgenosse."
Anstatt, dass der Staat dafür sogt, die gegebenen Ungleichheiten soweit abzumildern, dass alle Kinder gleichen Nutzen von den verfügbaren Bildungschancen ziehen können, um gleiche Chancen auf die Möglichkeit des Erwerbs von Fähigkeiten zur selbstverantwortlichen Gestaltung ihres Lebens (und gesellschaftliche Teilhabe) zu erhalten - und so auch im weiteren Lebensverlauf als Steuerzahler und aktive Bürger an Gesellschaft teilzunehmen, kritisch zu reflektieren und zu gestalten, anstatt auf Lebenszeit unterstützungs- und interventionsbedürftig zu sein, protegiert er existierende "Erblinien" - und schafft sich dadruch langfristig ein Problem: bei sinkenden Geburtenraten (insbesondere im Akademikermilieu) kann sich Deutschland weniger als sonst schon erlauben, nicht nur Bildungsreserven nicht zu erschließen, sondern umgekehrt in Leistungsempfängerlinien zu tranformieren. Nicht nur kann der Staat das nicht bezahlen - die Gesellschaft läuft Gefahr "umzukippen", wenn immer größere Gruppen von aktiver Teilhabe ausgeschlossen werden.
Wößmann nun unterstreicht in der FAZ diese Position der differenzierten Bildungsinvestition und weist darauf hin, dass die banale Forderung nach "mehr Geld" die Antwort schuldig bleibt, was man mit dem Geld eigentlich machen will und ob es denn auch wirklich die gewünschten Effekte erzielt. "Draufhalten" allein genügt nicht. "Aber auf die Ergebnisse kommt es an, nicht auf die Inputs. [...] Man kann leider sehr viel Geld ausgeben, ohne dass sich an den Bildungsergebnissen etwas verbessert. Deshalb können Bildungsausgaben nicht ohne Bildungspolitik diskutiert werden." (Bild: memoossa)