Samstag, August 18, 2012

Festgefickt

Wenn man nichts zuwege bringt, kann man dem Schicksal wenigstens danken, zur selben Zeit wie Harry Rowohlt die Füße über den Erdball geschoben zu haben. 

Aufgzeichnet von Wiglaf Droste
"Auch die Freuden der Wortschatzerweiterung verdanke ich Harry Rowohlt. Wie ich von Jörg Schröder lernte, dass man die Menschheitsgeißel Analverkehr "Spinatstich" nennen kann, wenn man das denn möchte, so machte auch Harry Rowohlt mich zu einem verbal reiferen, besseren Menschen. Nachdem er, Bernd Rauschenbach und ich in Heidelberg siebeneinhalb Stunden lang Wenedikt Jerofejews "Die Reise nach Petuschki" vorgelesen hatten, war ich mit meiner Freundin Lilly Oberhollenzer abgezogen. 
Anderntags hatten Rowohlt und ich wieder einen gemeinsamen Auftritt, als Teilnehmer an einer Benefiz-Lesung zugunsten des Hildesheimer Filmkünstlers Wenzel Storch. Um 20 Uhr im Pavillon in Hannover sollte es losgehen - Frau Oberhollenzer und ich nahmen einen späteren Zug als der disziplinierte Frühaufsteher respektive senile Bettflüchtling Harry Rowohlt. 
Der also ohne mich in die hannöversche Garderobe geschlürt kam; Gerhard Henschel, Organisator der Wenzel-Storch-Gala, wusste, dass wir am Vorabend gemeinsam gelesen hatten, und fragte etwas besorgt: "Und wann kommt Wiglaf?" Worauf Harry Rowohlt, so erzählte es mir Gerhard Henschel am selben Abend sicher fünfzehnmal, seinen Löwenschädel wie seinen Bärenbass erhob und, für jedermann sehr verständlich, brummte: "Wichlaf kommt später. Der hat sich festgefickt." 
Der Wahrheitsgehalt dieser Worte ist dabei ganz unwichtig. Allein die Formulierung zählt - und die ist von spezifisch harryrowohltscher Schönheit und Kraft. Auch Frau Oberhollenzer hat damals sehr gelacht."