Es muss schon um etwas gehen
In der ZEIT hat Jens Jessen einen schönen Nachruf auf den FAZ-Journalisten und Intellektuellen Henning Ritter verfasst.
"Es gab bei ihm die französische Klarheit und Präzision, die Eleganz und Ironie, aber vor allem die französische Unerschrockenheit vor dem Unerfreulichem. Wenn man an den weinerlichen deutschen Durchschnittsintellektuellen denkt und wie er um das Positive ringt und ringt und sich niemals an die Hinfälligkeit der Menschennatur gewöhnen kann - oder, wenn er es tut, sofort abgrundtief verzweifelt - dann lässt sich erst die Ausnahme, die Ritter war, ermessen und auch der Verlust, den sein Tod bedeutet.
Er war der Mann, der dem Schrecken und der Torheit der Menschheit nüchtern ins Auge blickte - und trockenen Spott hinterherschickte. Es geschah freilich nicht ohne Trauer, es geschah oft mit Bitterkeit, es gab einen echten Ekel vor der Heuchelei, die im Namen eines abstrakten Gutem dem konkreten Menschen Böses tut, aber es geschah ohne jeden Zynismus. Wo alle aufheulte, weil ein Tabu unserer Zeit verletzt wurde, wandte sich Ritter dem Tabubrecher liebend zu. Aber wo alle unbeeindruckt blieben, nannte er das Unrecht laut beim Namen.
Weniges konnte ihn so aufregen, wie Selbstgerechtigkeit und Gratismut. "Es muss schon um etwas gehen", pflegte er zu sagen. Der Intellektuelle Henning Ritter, das war vor allem das empfindlichste Messinstrument für moralische Fehlströme, das jemals auf den deutschen Markt kam. Wir werden wieder stumpfer werden ohne ihn."