"Wir sehen uns hier mit einer neuen Form des Kapitalismus konfrontiert, die am besten als "Semio-Kapitalismus" beschrieben werden könnte. Das ist ein Kapitalismus, der durch die Akkumulation und Interpretation von Zeichen funktioniert. Nehmen wir das folgende Beispiel: Sobald Syriza in Griechenland an die Macht kam, konzentrierten sich die meisten Kommentare, auch die der seriösen Medien, darauf, dass Tsipras keine Krawatte umgebunden hat und Varoufakis eine Lederjacke trägt. [...] Warum und wie wurde ein Mittelfinger zu einem Symbol historischen Ausmaßes? Es liegt an jenem "Semio-Kapitalismus", der es so einfach macht, von wichtigen Fragen abzulenken, ja diese sogar auszulöschen. Es ist kinderleicht, Varoufakis' Glamour-Bilder in Paris Match zu kritisieren oder seinen Mittelfinger, aber es ist unmöglich, eine ernsthafte Diskussion über Griechenlands Forderungen nach deutschen Kriegsreparationen zu führen. Es ist einfach, über Tsipras' Kleidungsstil zu reden, aber es ist immer noch nicht möglich, ernsthaft über die größte Schuldentilgung des 20. Jahrhunderts zu diskutieren, bei der den Deutschen im Zuge des Londoner Abkommens 62 Prozent ihrer Schulden erlassen wurden."
Freitag, März 20, 2015
Der Macht den Mittelfinger zeigen
Zum "Mittelfinger-Skandal" um den griechischen Finanzminister Varoufakis schreibt Srećko Horvat in der SZ. Horvat hatte Varoufakis 2013 als Leiter eines Festivals zu einem Vortrag eingeladen, von dem ein Video existiert, auf dem die inkriminierte Geste zu sehen ist.