Dienstag, Juni 16, 2015

Ruhe im Objekt: Harry Rowohlt ist tot


Foto: Martin Kunze
Der großartige Harry Rowohlt ist tot.
Das ist so schade.
Da hilft nur eins: Harry lesen.


ZEIT: Sie haben sich mal heftig für Wolf Biermann eingesetzt. Jetzt klampft er für die CSU in Kreuth. Was ist da schief gelaufen?

Rowohlt: Ich fand schon vorher, wie er sich als Kommunist gefeiert hat, gelinde übertrieben. Das sind ja zwei verschiedene Biermänner, die wir erlebt haben. Den in der DDR, der war ja wirklich gut. Und diesen Jammerheini, der Shakespeare endlich mal angemessen übersetzt und Stimmen gehört haben will, dass einzelne Sonette zu ihm gesagt hätten: Sing mich, sing mich! Das Letzte, was mir von ihm gut gefallen hat, liegt auch schon wieder Jahre zurück, das war im Spiegel das Transkript eines Stasi-Tonbandmitschnitts aus seinem Schlafzimmer, welches mit den Worten endet: »Beischlafgeräusche, danach Ruhe im Objekt.« Woran man auch merkt, dass Biermann Nichtraucher ist. 


///// Über seinen Besuch auf Kuba: "(...) der Fahrstuhl funktioniert, und die Fahrstuhlführerin sagt zu einer Dame. "So früh schon auf? Geht's an den Strand?" Die Dame bestätigt das und dann fallen sich Fahrstuhlführerin und Dame um den Hals, küssen sich ab und wünschen einander einen schönen Tag. Im Laden des Hotels wirken vier Mädchen, und das geht so, dass immer eine bedient und sich die andren drei unter lautem Geschnatter gegenseitig die Haare kämmen. Bei Rot geht man über die Straße, zum Frühstück gibt es Bier. Wenn das Sozialismus ist, soll er mir recht sein."

///// "Der Oberbürgermeister von Dublin hat die Teilnehmer am I. Flann-O'Brien-Symposium in sein Rathaus eingeladen. Es gibt Rotwein und Sherry (lieblich und herb). Der Lord Mayer besteigt ein Podest und rezitiert aus dem Gedächtnis lange Passagen aus Flann O'Briens Werk. Dann sagt er "Was mich als blutjungen Beamten so faszinierte, war, dass ich während meiner Arbeitszeit das faszinierende Werk las, welches ein anderer blutjunger Beamter geschrieben hatte, und zwar, wie ich mit gewisser Berechtigung zu hoffen wage, während seiner Arbeitszeit."

///// "Und dann verfielen wir ins hessische Mundartdichten. Robert war wie immer schneller und besser, aber im Kopf habe ich nur noch einen meiner Beiträge: "Des Buch hat so was Schmierisches; isch glaub, es ist was Irisches." 

///// "Mein Freund und Vorbild Tommy "The One & Original Schafsäckchel" Bodmer und ich pflegen die subtile Kunst der "Finger-Flashing"-Filmkritik. Das hört sich zunächst komplizierter an, als es ist. Ein Finger heißt einmal geweint, zwei Finger heißen zweimal geweint, drei Finger heißen dreimal geweint, vier Finger heißen viermal geweint, fünf Finger heißen fünfmal geweint, sechs Finger heißen ... Ich glaube, Sie haben das System verstanden. (Acht Finger hießen z.B. achtmal geweint.)"

///// "Ich habe Grippe- Grippe ist wie Liebe, nur nicht so unangenehm. Wenn sie einen erwischt, glaubt man, man wäre der Erste, und es wäre das erstmal, und sie bringe einen um. Junge Leute greifen dann zum Synthi, ältere schreiben eine Kolumne." 

///// "Indio-Duo ist ein schönes Wort; eigentlich träume ich ja davon, einmal im Leben "Lucky-Luke-Look-Alike hinschreiben zu dürfen, aber ich finde nie den richtigen Schlenker."

///// "Während der letzten Winterolympiade war ich zufällig in Amerika und ein Fernsehkommentator sagte "Den Sinn des Biathlon werde ich nie verstehen. Es ist als müsste ein Kunstspringer auf dem Weg nach unten einen Fisch schuppen. Na ja. Im Augenblick führt Finnland."

///// Harry Rowohlt über Alan Alexander Milne, Autor von "Winnie the Pooh": "Man hat ihm vorgeworfen, dass er, der flammende Pazifist, im Ersten Weltkrieg nichts Flammendes gegen den Krieg geschrieben hat. Das Flammendste war wohl, dass er - als Signaloffizier an der Front - kaum noch etwas schreiben konnte, aus Ekel, Scham und Wut. "Wenn ich dies überlebe", schrieb er seinem Bruder, "werde ich die Liebe neu erfinden. Wer meine Frau und mich besuchen kommt, muss mir die linke Hand drücken, denn mit der rechten halte ich Händchen." Für mich ist das flammend genug." 
Foto: Martin Kunze
///// Harry Rowohlt in einem Brief auf eine Anfrage: "Sehr geehrte Frau K.,über ein Jahr im voraus soll ich planen, und zwar kurzfristig. Ich bin heilfroh, jetzt noch nicht zu wissen, was im März 2010 sein wird, aber dass ich am 21.3.2010 nicht in Essen sein werde, ist mir jetzt schon ziemlich klar.Und dann auch noch ein Benefiz. Und dann auch noch ausgerechnet für den Frieden. Ich glaub, ich kotz gleich.Schönen Gruß und vielen Dank!"
Filmkritiken
zu "Asterix bei den Briten":
"Es gibt Menschen, die sagen, Doktor Schiwago habe ihnen als Buch besser gefallen, obwohl sie niemand gefragt hat und obwohl sich die Frage so nicht und sowieso nicht stellt. Denn ein Buch ist ein Buch, und ein Film ist ein Film, und Whiskey gehört nicht ins Eisfach, und wer das nicht weiß, der trägt auch breite Schlipse."

zu Film "Drachenfutter":

"endlich ein gelungener deutscher Film , nicht zu lang, nicht zu laut, unauffällig, aber gut. Wie die Nummer 29 beim Chinesen (Won-Ton-Suppe)."

zu "Erst die Arbeit - und dann?" von Detlev Buck:
"Später beim Italiener macht er die treffendste Bemerkung, die ich bisher zum Thema Mozarella gehört habe: Ist das immer so?"

Über "Subway" von Luc Besson:
"Das Motto des Films (To be is to do - Sokrates, To do is to be - Sartre, Do be do do be do - Frank Sinatra) steht seit urvordenklichen Zeiten an jeder besseren Pissoirwand, aber Luc Besson scheint woanders pinkeln zu gehen."

Über "Werner - Beinhart"
Außer dem Zeichentrick gibt es noch einen nützlichen Realfilmteil. Der ist nützlich, weil man ihn zum Bierholen nutzen kann."

zu "Batmans Rückkehr":
"Was ist ein RATCH? Im Presseheft steht: "Die Stuntkoordinatoren Max Kleven und Charlie Croughwell arbeiteten mit ratches, durch die sie die Rekordzahl von 14 Leuten oder 13 Autos auf einmal in die Luft jagen konnten." Egal, was es ist: Das Teil hol ich mir.


Aus einem Brief an eine Veranstalterin zu einer geplanten Lesung:
"Plärrende Wickelkinder kriegen aufs Maul. Stromausfall lässt sich der
Referent nach Möglichkeit nicht anmerken. Die Einnahmen versickern irgendwo.
Sonst erstmal nichts."

Harry Rowohlt an Pit Knorr:
"Im Yachtclub hat mich dann noch die hässlichste von den drei Kellnerinnen angeherrscht
"Wie oft soll ich ihnen noch sagen..." dabei hatte sie in ihrem
ganzen Leben noch nichts zu mir gesagt, "...das wir missen zahlen 20000 Euro wenn chier wird geraucht", so dass ich mich würdevoll mit den Worten
"Laku noc. Sretna i upsjesna nova godina. Picku. Licku." in die Kälte trollte. Um Deiner Frage zuvorzukommen: "Gute Nacht. Ein frohes gesegnetes Neues Jahr. Fick die Laika"
An Eva-Marie von Hippel:
"Ich habe übrigens jüngst - flankierend zu "Ich bin ja schon froh, dass ich nicht Kiepenheuer&Witsch heiße - eine Zusatzstrategie entwickelt:

Argloser: Haben sie etwas mit dem Rowohlt Verlag zu tun?
Ich: Ist Ihnen Freddy Krueger ein Begriff?
Argloser: Ja, klar.
Ich: Wissen Sie, wodurch der so geworden ist, wie er ist?
Argloser: ?
Ich: Der wurde einmal zu oft gefragt, ob eretwas mit dem
Wolfgang Krüger Verlag zu tun hat.

Da muss der Arglose natürlich wissen, wer Freddy Krueger ist. Das ist die Schwachstelle."

(Man muss wissen, das Harry Rowohlt bekennender Fan der WERNER-Filme und der zugehörigen Musik der Band "Torfrock" ist:)

"Auf dem Rückweg vom Flughafen, stieg vor mir ein winzigkleines Mädchen ein und sagte (Du hast doch den ersten Werner-Film gesehen? Mit dem Soundtrack von Torfrock? Da heißt es in "Beinhart wie ein Rocker": Dengel, Dengel, Dengel, Dengel) "Drängel, drängel, drängel, drängel." Ich strahlte sie anerkennend an, sie badete im wohlverdienten Ruhm, und ich habe sie natürlich sofort von meinen Agenten entführen lassen, und auf die allerbesten Schulen geschickt. In fünfzehn Jahren soll Hochzeit sein, und wenn ich einmal nicht mehr bin, hinterlasse ich meinem Volk eine weise Herrscherin."